Florence And The Machine
„High As Hope“
(Island)
Vielleicht ist es nicht sonderlich originell, andauernd und überall die Geschlechterkeule auszupacken, in diesem Falle kommt man aber nicht umhin festzustellen: Schon im vergangenen Jahr kamen die wichtigen, die relevanten, die kraftvollsten Alben von Frauen, denken wir an St. Vincent, Fever Ray, Björk, Feist und Charlotte Gainsbourg. Und auch die aktuelle Saison läuft auf ein ähnlich deutliches Ergebnis hinaus – erst Janelle Monáe, dann Lily Allen und nun, tja nun kommt Florence Welch mit dieser Platte. Und zeigt damit, dass nicht nur die Zukunft, sondern schon die Gegenwart weiblich ist. Es ist die vierte, die sie zusammen mit ihrer Band abliefert und auch wenn man darüber durchaus debattieren kann, ist es wohl ihre bislang stärkste geworden. Und das nach „How Big, How Blue, How Beautiful“, einem epischen Grower, dem man auch schon den Peak ihres bisherigen Schaffens zugesprochen hatte. Aber das, was sie nun mit Unterstützung von Emile Haynie, Jamie XX und Tobias Jesso Jr. geschaffen hat, ist schlicht überragend.
So viel Energie (und schon ihren vorangegangenen Werken mangelte es daran nicht) hört man von einem männlichen Kollegen derzeit kaum, dort dominiert eher die Verinnerlichung, die zuweilen in eine gewissen Weinerlichkeit kippt, und natürlich darf man sich fragen, woran das wohl liegt. Lautstarke Männer haben es, #MeToo sei dank, momentan wirklich nicht einfach, überall regiert die (Über-)Vorsicht, die Angst vor dem Fehltritt, dem falschen Zungenschlag oder gar der eigenen Meinung. Frauen tun sich damit offenbar weit weniger schwer, sie sind den Kampf gegen Bevorteilung, Anmaßung und Unterdrückung gewohnt und kämen kaum auf die Idee, im Zuge der Gleichberechtigung leisere Töne anzustimmen. Gut so. Schon „Hunger“ zum Beispiel, das zweite Lied auf dem Album, ist eine meisterhaft geschmetterte Ode an die Jugend. Sehnsüchtige Verse über die Leichtigkeit und Sorglosigkeit derer, die, als Kinder in düstere Zeiten geworfen, diesen mit Fatalismus trotzen:
„And it's Friday night and it's kicking in, in that pink dress, they're gonna crucify me. Oh, you and all your vibrant youth, how could anything bad ever happen to you?“ Und weiter: „„You make a fool of death with your beauty, and for a moment – i forget to worry“, wer hat das zuletzt schöner besungen? Es folgt mit „South London“ der nächste Höhepunkt von vielen; Erinnerungen, große Kinderaugen, ungläubiges Staunen, dunkle Vorahnungen, die bange Frage „But did I dream too big?“ Groß ist hier alles, der Sound, soulful und dicht, Gefühle in ganzer Bandbreite, aber es gibt kein falsches Pathos zum Drama, keinen effekthascherischen Schmelz mit überkippender Stimme (wie Adele es zur Perfektion beherrscht), das hier bleibt unverstellt und bestechend klar. Der Song über die Sprachlosigkeit, die Leere, die eine Beziehung zur Qual werden läßt („Big God“ mit dem begnadeten Kamasi Washington), die Hommage an die kleine Schwester „Grace“, die doch stets als die größere empfunden wurde und eine weitere, starke Liebeserklärung für den „Northern Star“, Welchs großes Vorbild Patti Smith („Patricia“), man findet für jedes der Stücke nur Superlative.
Denn auch „100 Years“ läßt nicht nach, ist ein Mutmacher für alle, die düsteren Gedanken nachhängen und sich beim Blick auf Bildschirme und Displays von Ahnungen und Befürchtungen gelähmt fühlen, es geht um die Hybris alter Männer, um Schmerzen und Hass, doch letztendlich auch um Hoffnung: „It hurts in ways I can't describe, my heart bends and breaks so many, many times and is born again with each sunrise.“ Und wie so oft findet sich auch bei „High As Hope“ am Schluß eine Art tröstliches Vermächtnis. Mit so einfachen wie berührenden Worten singt Welsh in „No Choir“ von der Schwierigkeit, die glücklichen Momente zuzulassen, zu genießen. Wir nehmen uns vor, machen und tun, hoffen und hadern und übersehen doch, daß die kleinen Dinge nur selten von Pauken und Trompeten begleitet werden („No chorus could come in about two people sitting doing nothing“). Man könnte jetzt weiter ungebremst und mit jedem Recht lobhudeln und hochpreisen. Man könnte aber andererseits auch einfach darauf vertrauen, dass Qualität sich durchsetzt und stattdessen etwas erledigen, was man sich nicht vorgenommen hat und doch dringend mal nottut. Nichts zum Beispiel. Wir haben verstanden. https://florenceandthemachine.net/
„High As Hope“
(Island)
Vielleicht ist es nicht sonderlich originell, andauernd und überall die Geschlechterkeule auszupacken, in diesem Falle kommt man aber nicht umhin festzustellen: Schon im vergangenen Jahr kamen die wichtigen, die relevanten, die kraftvollsten Alben von Frauen, denken wir an St. Vincent, Fever Ray, Björk, Feist und Charlotte Gainsbourg. Und auch die aktuelle Saison läuft auf ein ähnlich deutliches Ergebnis hinaus – erst Janelle Monáe, dann Lily Allen und nun, tja nun kommt Florence Welch mit dieser Platte. Und zeigt damit, dass nicht nur die Zukunft, sondern schon die Gegenwart weiblich ist. Es ist die vierte, die sie zusammen mit ihrer Band abliefert und auch wenn man darüber durchaus debattieren kann, ist es wohl ihre bislang stärkste geworden. Und das nach „How Big, How Blue, How Beautiful“, einem epischen Grower, dem man auch schon den Peak ihres bisherigen Schaffens zugesprochen hatte. Aber das, was sie nun mit Unterstützung von Emile Haynie, Jamie XX und Tobias Jesso Jr. geschaffen hat, ist schlicht überragend.
So viel Energie (und schon ihren vorangegangenen Werken mangelte es daran nicht) hört man von einem männlichen Kollegen derzeit kaum, dort dominiert eher die Verinnerlichung, die zuweilen in eine gewissen Weinerlichkeit kippt, und natürlich darf man sich fragen, woran das wohl liegt. Lautstarke Männer haben es, #MeToo sei dank, momentan wirklich nicht einfach, überall regiert die (Über-)Vorsicht, die Angst vor dem Fehltritt, dem falschen Zungenschlag oder gar der eigenen Meinung. Frauen tun sich damit offenbar weit weniger schwer, sie sind den Kampf gegen Bevorteilung, Anmaßung und Unterdrückung gewohnt und kämen kaum auf die Idee, im Zuge der Gleichberechtigung leisere Töne anzustimmen. Gut so. Schon „Hunger“ zum Beispiel, das zweite Lied auf dem Album, ist eine meisterhaft geschmetterte Ode an die Jugend. Sehnsüchtige Verse über die Leichtigkeit und Sorglosigkeit derer, die, als Kinder in düstere Zeiten geworfen, diesen mit Fatalismus trotzen:
„And it's Friday night and it's kicking in, in that pink dress, they're gonna crucify me. Oh, you and all your vibrant youth, how could anything bad ever happen to you?“ Und weiter: „„You make a fool of death with your beauty, and for a moment – i forget to worry“, wer hat das zuletzt schöner besungen? Es folgt mit „South London“ der nächste Höhepunkt von vielen; Erinnerungen, große Kinderaugen, ungläubiges Staunen, dunkle Vorahnungen, die bange Frage „But did I dream too big?“ Groß ist hier alles, der Sound, soulful und dicht, Gefühle in ganzer Bandbreite, aber es gibt kein falsches Pathos zum Drama, keinen effekthascherischen Schmelz mit überkippender Stimme (wie Adele es zur Perfektion beherrscht), das hier bleibt unverstellt und bestechend klar. Der Song über die Sprachlosigkeit, die Leere, die eine Beziehung zur Qual werden läßt („Big God“ mit dem begnadeten Kamasi Washington), die Hommage an die kleine Schwester „Grace“, die doch stets als die größere empfunden wurde und eine weitere, starke Liebeserklärung für den „Northern Star“, Welchs großes Vorbild Patti Smith („Patricia“), man findet für jedes der Stücke nur Superlative.
Denn auch „100 Years“ läßt nicht nach, ist ein Mutmacher für alle, die düsteren Gedanken nachhängen und sich beim Blick auf Bildschirme und Displays von Ahnungen und Befürchtungen gelähmt fühlen, es geht um die Hybris alter Männer, um Schmerzen und Hass, doch letztendlich auch um Hoffnung: „It hurts in ways I can't describe, my heart bends and breaks so many, many times and is born again with each sunrise.“ Und wie so oft findet sich auch bei „High As Hope“ am Schluß eine Art tröstliches Vermächtnis. Mit so einfachen wie berührenden Worten singt Welsh in „No Choir“ von der Schwierigkeit, die glücklichen Momente zuzulassen, zu genießen. Wir nehmen uns vor, machen und tun, hoffen und hadern und übersehen doch, daß die kleinen Dinge nur selten von Pauken und Trompeten begleitet werden („No chorus could come in about two people sitting doing nothing“). Man könnte jetzt weiter ungebremst und mit jedem Recht lobhudeln und hochpreisen. Man könnte aber andererseits auch einfach darauf vertrauen, dass Qualität sich durchsetzt und stattdessen etwas erledigen, was man sich nicht vorgenommen hat und doch dringend mal nottut. Nichts zum Beispiel. Wir haben verstanden. https://florenceandthemachine.net/