Flight

Robert Zemeckis gehört zur viel gerühmten Spielberg-Connection. Das ist eine Gruppe von Filmemachern, die vor allem in den 80er Jahren ein ganz bestimmtes Konzept des Geschichtenerzählens auf die Kinoleinwand transportieren konnten. Dieser Stil wird seitdem immer mit dem typischen Hollywood-Film assoziiert. Neben Spielberg zählte man George Lucas, Joe Johnston und Francis Ford Coppola zur Connection. Zemeckis knallte dem Publikum stets schrille und kreischend bunte Filme vor den Latz. „Zurück in die Zukunft“ etablierte 1985 eine der kultigsten Filmreihen der 80er und in „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“ gelang Zemeckis ein technischer Meilenstein. „Forrest Gump“ revolutionierte 1994 das Storytelling moderner Hollywood-Produktionen und – auch wenn dieser Schritt durchaus kontrovers diskutiert wurde – Zemeckis' Verfahren von Motion-Capturing und CGI-Animationen war richtungsweisend für die digitale Filmtechnik. Warum nur, kann sich kein Mensch den Namen Zemeckis merken? Nun ist er wieder da – mit einem Realfilm; und Denzel Washingtion.
Whip Whitaker ist Pilot. Mher, als das! Er ist der beste Pilot, den die zivile Luftfahrt derzeit kennt. Er hat mehr Flugstunden im Hintern, als die meisten seiner Kollegen und seine Erfahrung hilft ihm in jeder nur möglichen Situation. So auch an diesem Morgen. Bei einem Inlandsflug nach Atlanta gilt es, ein heftiges Unwetter zu durchfliegen. Die Anzeigen im Cockpit raten zum Kurswechsel, doch Whip erkennt in der Wolkenformation vor ihm eine Lücke und weiß, dass hinter dieser Lücke der freie Himmel wartet. Entgegen einiger Vorschriften und sämtlicher Daten, behält er recht. Nach ein paar Minuten ungemütlichen Gewackels, liegt der Flieger ruhig in der Luft und alles ist gut.
Währenddessen lernen wir Nicole kennen. Sie hat ein ernstes Drogenproblem und ist bereit, für ein paar Gramm Heroin, beinahe alles zu tun. Ihr Dealer arbeitet ausgerechnet als Produzent an einem Porno-Set.
Wieder im Flugzeug bricht plötzlich das Chaos aus. Es ertönt ein Knall und die Maschine schmiert ab. Dank seiner Fähigkeiten gelingt es Whip tatsächlich, die beschädigte Maschine zu landen und die meisten Passagiere zu retten. Alle sind sich einig, dass alle Fluggäste und noch viel mehr Menschen eines grausamen Todes gestorben wären, hätte ein anderer Pilot am Steuer gesessen. Die Nachuntersuchung ergibt jedoch beunruhigende Fakten. Offensichtlich war Whip während des Fluges betrunken. Eine Anhörung wird einberufen.
Es ist schon ein bisschen gemein, bei diesem Film, den Regisseur als Aufhänger zu nutzen. Aber Denzel Washington kennt jeder und er ist in diesem Film erwartungsgemäß gut und so überzeugend, wie man es aus vielen seiner bisherigen Auftritte gewohnt ist. Seine Leistung ist indiskutabel und bedarf keiner weiteren Worte.
Robert Zemeckis nun hat sich entschieden, seine fragwürdigen Projekte noch einmal zu verschieben. Eigentlich wollte er nur noch Animationsfilme produzieren – ganz im Stile von „Der Polarexpress“ oder „Die Legende von Beowulf“. „Flight“ erzählt eine Geschichte, die auf mehreren wahren Begebenheiten beruht. Es hat wirklich einen Piloten gegeben, der in einer ähnlichen Situation ein ähnlich waghalsiges Manöver vollführt hat, wie es im Film zu sehen ist. In Wirklichkeit ist das Manöver leider nicht geglückt. Ebenso gab es einen Piloten, der auf halber Strecke von Athen nach Paris feststellte, dass der Sprit nicht reicht und er hat es tatsächlich geschafft, mehrere hundert Kilometer zu segeln und trotz Bruchlandung alle Passagiere zu retten. Diesem Piloten erging es im Übrigen ähnlich, wie Whip. Durch sein Handeln hat er das Flugzeug nämlich erst in diese gefährliche Situation gebracht.
„Flight“ ist ein Suchtdrama im klassischen Sinne. So, wie die Hauptfigur, leidet man als Zuschauer mit. Es gibt die typischen Aufschwünge und niederschmetternde Abfahrten. Der Held fällt von ganz oben nach ganz unten und nur hier findet er die Kraft, wieder aufzustehen. Ganz klassisch eben. Den Hingucker des Films findet man im Rahmen der Geschichte – genauer gesagt am Anfang des Films. Robert Zemeckis hat schon in „Cast Away“ bewiesen, dass er ein Händchen für beängstigende aber realistische Flugzeugabstürze und deren filmischer Darstellung hat. In „Cast Away“, zum Beispiel, saß man mit im Flugzeug. Und obwohl nichts umherflog und niemand raus gesaugt wurde und niemand in kopflose Panik verfiel – obwohl Zemeckis also auf die üblichen Motive einer solchen Szene verzichtete – war diese Sequenz eine der eindrucksvollsten Momente, die ich je in einem Film gesehen habe. In „Flight“ übertrumpft Zemeckis sich selbst und liefert eine noch beängstigendere Absturzszene. Das Problem an diesem Motiv ist, dass es bisher wenig Überlebende einer echten Flugzeugkatastrophe gibt. All die Angst und der Horror, den wir uns nur vorstellen können, steckt nun in dieser Szene und hat sich mir auf ewig ins Gedächtnis eingebrannt. Sie ist dermaßen wirkungsvoll, dass ich im Moment nicht weiß, ob ich – als jemand, der unter einer gewissen Flugangst leidet – jemals wieder halbwegs ruhigen Gewissens – oder nüchtern – in einen Flieger steigen kann. Vielen Dank, Mr. Zemeckis!
„Flight“ entspricht genau dem, was man unter einem typischen Hollywood-Film versteht. Erstaunlich, dass Zemeckis diese Eigenschaft nach so vielen Jahren immer noch aufrecht erhalten kann. Außerdem erzählt der Film die Geschichte über einen Menschen, der trotz immenser Fähigkeiten so verletzlich ist, wie es ein Mensch nur sein kann. Das mag nichts Neues sein – schon gar nicht im Kino – aber es ist eindrucksvoll dargestellt und wird von einer der spektakulärsten Flugzeugszenen aller Zeiten gekrönt. Oscarverdächtig? Eher weniger. Die Konkurrenz in den nominierten Kategorien ist zu stark. Sehenswert? Wenn man nicht vorhat, in nächster Zeit zu vereisen, sollte man diesen Film keinesfalls verpassen.
Flight (USA, 2012): R.: Robert Zemeckis; D.: Denzel Washington, Kelly Reilly, John Goodman, u.a.; M.: Alan Silvestri; Offizielle Homepage
In Weimar: CineStar
Der Filmblog zum Hören: Jeden Sonntag, von 14:00 bis 15:00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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