Finanzpolitik: Die Sache mit der Glaubwürdigkeit

Frankreich hat eine Schwarzgeldaffäre. Deutsche Medien sind schockiert. Der Rücktritt Jérome Cahuzacs, ehemaliger französischer Haushaltsminister, und sein nachgereichtes Geständnis würden die französische Politik in eine schwere Glaubwürdigkeitskrise stürzen, heißt es in Kommentaren. Andere sprechen von einer Schwächung Hollandes, der sich monatelang belügen ließ. Doch die Glaubwürdigkeit ist schon längst einen bitteren Tod gestorben.

Wie gut, dass wir Deutschen in unserer Regierung keinen Minister haben, den man mit Schwarzgeld in Verbindung bringen könnte. Da dominieren ja die Erinnerungslücken und ansonsten das vollste Vertrauen der Kanzlerin, die um ihre Popularität nicht zu fürchten braucht, weil sich hierzulande niemand für die beruflichen Werdegänge von Merkels lebenden Kabinettsleichen interessiert noch für deren munter wechselnde politische Ansichten. Wenn überhaupt wird das Gedächtnis oftmals nur auf Zuruf aktiviert und verschwindet recht schnell wieder von der Bildfläche. Wie sonst ist es zu erklären, dass Schäuble dem Inselstaat Zypern unter Applaus der hiesigen Medien vorwerfen darf, das Land habe ein gescheitertes Geschäftsmodell betrieben, obwohl derselbe Minister über das gleiche Gebaren in der Schweiz, Luxemburg und Großbritannien eher die schützende Hand zu halten pflegt?

Dennoch zeigen sich die Medien aber auch bissig, wenn es darum geht, mit dem Finger auf andere zeigen zu können. Der NDR und die Süddeutsche sind äußerst engagiert bei der Aufdeckung von geheimen Geschäften in Steueroasen. “Offshore-Leaks” nennt sich das Rechercheprojekt, an dem sich Journalisten und Medien aus über 30 Ländern beteiligen. Und siehe da, mit Jean-Jacques Augier, der Schatzmeister im Wahlkampfteam des französischen Präsidenten war, haben die fleißigen Rechercheure ein prominentes Gesicht ausfindig gemacht, der von jenem lukrativen Geschäftsmodell profitiert haben soll. Das passt natürlich nicht zu einem linken Präsidenten, der zuhause für höhere Vermögens- und Einkommensbesteuerung eintritt, statt Reformen nach deutschem Vorbild durchzuziehen.

Einen Deutschen hat man übrigens auch gefunden. Gunter Sachs. Weil der schon tot ist, kann man ruhig mit dem Finger auf ihn und seine Briefkastenfirmen zeigen, die streng genommen ja gar nicht illegal sind, sondern das Ergebnis bestehender Steuerschlupflöcher. Insgesamt hat das fast schon wieder etwas Niedliches und wird die Boulevard gesteuerten Deutschen sicher mehr interessieren, als die Vergesslichkeit und den politischen Opportunismus ihres Finanzministers. Der muss und soll sich aber jetzt noch intensiver mit Steueroasen beschäftigen, in denen beispielsweise Waffenhändler ihre Geschäfte abwickeln. Die Frage aber, ob Schäuble aufgrund seiner Vita dafür überhaupt der richtige Mann sein kann, wird deutschen Medien und dem Michel wohl nicht auf den Nägeln brennen. Da muss wahrscheinlich erst wieder ein niederländischer Journalist kommen und der Kanzlerin eine simple Frage stellen. 


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