Filmkritik zu ‘Türkisch für Anfänger’

Filmkritik zu ‘Türkisch für Anfänger’

Es war ein Schock für die Fans der Vorabendserie ‚Türkisch für Anfänger‘ als 2008 bekannt gegeben wurde, dass nach nur drei Staffeln Schluss sein würde. Die Serie passe nicht mehr in das Konzept des Senders, so hieß es. Aber das Konzept ist immer noch gut genug fürs Kino. Auch wenn dieses Konzept nicht mehr ganz so ausschaut wie noch vor sechs Jahren, als die Serie um das Zusammenleben einer deutsch-türkischen Familie zum ersten Mal über die Fernsehbildschirme flimmerte. Denn für die Kinoversion, bei der Bora Dağtekin, Schöpfer der Serie, zum ersten Mal selbst Hand angelegt und im Regiestuhl Platz genommen hat, wird alles auf Anfang zurückgesetzt. ‚Türkisch für Anfänger‘ für Anfänger.

Lena Schneider (Josefine Preuß) ist eine vom Leben frustrierte Teenagerin, die von den antiautoritären Erziehungsmethoden ihrer Mutter Doris (Anna Stieblich) traumatisiert ist. Dabei ist die doch selbst Psychotherapeutin. Zur seelischen Wiedergutmachung verdonnert sie ihre Tochter zu einem gemeinsamen Urlaubstripp nach Südostasien. Aber bereits im Flugzeug werden Lenas schlimmste Befürchtungen wahr, als sie neben dem wandelnden Testosteronpaket Cem Öztürk (Elyas M’Barek) sitzen muss. Ab sofort trifft deutsche Emanzipation auf türkischen Machismo. Dem Chaos wird noch eins oben drauf gesetzt, als das Flugzeug notwassern muss und Lena, Cem, dessen streng religiöse Schwester Yagmur (Pegah Ferydoni) und der stotternde Grieche Costa (Arnel Taci) auf einer einsamen Insel landen. Während die Jugendlichen das Paradies erkunden, trifft Doris in einer Hotelanlage auf Cem und Yagmurs Vater Metin Öztürk (Adnan Maral). Hier trifft die Altersphobie einer Frau auf den Kontrollwahn eines Mannes.

Filmkritik zu ‘Türkisch für Anfänger’

Josefine Preuß & Elyas M'Barek

Und damit hätte man dann so ziemlich alle Vorurteile beieinander, die in einen Film hineinpassen. Ganz gleich ob kultureller Natur oder geschlechtsspezifisch, ob verzogenes Gör oder Sprüche klopfender Macho, der Film von Regisseur, Drehbuchautor und Produzent Dağtekin deckt sämtliche Klischees ab, die man sich vorstellen kann. Und das auch noch mit Erfolg. Gänzlich entgegen der Marketing-Maschinerie, die einen billigen Serienabklatsch hat vermuten lassen, der mit Brachial-Klamauk eine neue Zielgruppe erschließen wollte, fügt sich der Film perfekt an die vorangegangene Fernsehserie an. Ausgenommen das Setting der gemeinsamen Wohnung, des Alltages den Familie Öztürk und Schneider drei Staffeln lang teilten. Denn wie bei so vielen Serienformaten, die den Sprung auf die große Leinwand wagen, funktioniert auch ‚Türkisch für Anfänger‘ wie eine etwas längere Urlaubsepisode, die mit einigen Abstrichen als Pilotfilm zur Serie ausgestrahlt hätte werden können. Aber dann ist da natürlich der Punkt, an dem sich die Macher gedacht haben werden, dass die Serie eben nicht von der gesamten Bevölkerung gesehen wurde. Um also nicht von vornherein nur eine Zielgruppe anzusprechen, wurde hier keine bloße Fortsetzung inszeniert. ‚Türkisch für Anfänger‘ ist ein gelungener Reboot, ein Mix aus den Figuren, die den Fans bereits bekannt sind und einer Handlung, die vor den Ereignissen der Serie angesiedelt wurde, aber auch einen eigenständigen Verlauf nimmt, so dass die Handlung abgeschlossen und nicht etwa in der Serie fortgesetzt wird.

Filmkritik zu ‘Türkisch für Anfänger’

Pegah Ferydoni & Arnel Taci

Bei der Verlagerung der Geschichte auf eine vermeintlich einsame Insel ist – dem Drehbuch sei Dank – der Humor der Serie nicht verloren gegangen. Am amüsantesten sind immer noch die Dialoge zwischen Josefine Preuß und Elyas M’Barek, die sich als Lena und Cem fantasievolle Beschimpfungen, Hasstiraden und nicht immer politisch korrekte Sprüche entgegenwerfen. Die übrigen Schmunzler stammen aus den Off-Gedankengängen Lenas, die hier nicht mehr die alleinige Hauptrolle übernimmt, wie es noch zu Beginn der Serie der Fall war. Dennoch bekommen die Zuschauer die unterhaltsamen Peinlichkeiten in der Mutter/Tochter-Beziehung vorgesetzt, erleben den ersten Einsatz der Handkamera Lenas, mit der sie in der Serie Videobotschaften für ihre beste Freundin aufzeichnet und das Preuß-typische Grimassen-Spiel, welches der Figur – aber auch allen anderen – einen comichaften Touch verleiht. Aber der Fokus liegt nicht auf Josefine Preuß allein, sondern auch auf Elyas M’Bareks Cem, der mit einem Assi-Proll-Musikvideo auch den Abspann des Filmes bereichern darf.

Und so wird aus ‚Türkisch für Anfänger‘ nicht etwa ein Film, der Fans nur nostalgische Erinnerungen an einen amüsanteren Vorabend bescheren soll, sondern ein rundes Vergnügen für alle Kinogänger. Der Film hat durch seine Stimmung, die Atmosphäre und mit der frechen Hauptdarstellerin Josefine Preuß, sowie dem Übermacho Cem Öztürk genau den richtigen Ton getroffen. Ein Lob gilt vor allem dem Multitalent Bora Dağtekin, der sich nach ‚Türkisch für Anfänger‘ (die Serie) und ‚Doctor’s Diary‘ (ebenfalls aus seiner Feder stammend) jetzt auch im Kino als einer der stärksten Drehbuchautoren Deutschlands bewiesen hat.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Türkisch für Anfänger’

‘Türkisch für Anfänger‘


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