Maskenspielchen und berühmte Menschen der Weltgeschichte sind groß im Kommen: Während Leonardo DiCaprio als Gründer des Federal Bureau of Investigation J. Edgar Hoover den Alterungsprozess über sich ergehen ließ, hat sich Schauspielerin Meryl Streep in die ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher verwandeln lassen. Dabei verlässt sich die jüngst auf der Berlinale für ihr Lebenswerk ausgezeichnete Darstellerin auf einen sehr weiblichen Blick auf das Leben und die Karriere der Politikerin: Während der Film auf einem Skript von Drehbuchautorin Abi Morgan (‚Brick Lane‘, ‚Shame‘) basiert, hat Regisseurin Phyllida Lloyd nach ‚Mamma Mia!‘ bereits zum zweiten Mal mit Streep zusammen gearbeitet. Das Ergebnis: Ein unpolitischer Film über eine Politikerin, für dessen Darstellung Meryl Streep mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde.
Sie spielt Margaret Thatcher, die ehemalige Premierministerin Großbritanniens. Diese ist inzwischen Mitte Achtzig und ihr Ehemann Denis ist seit mehreren Jahren verstorben. Ihr Entschluss, endlich seine Kleidung aus dem gemeinsamen Kleiderschrank auszusortieren, löst eine ganze Reihe intensiver Erinnerungen an vergangene Zeiten aus. Im Laufe des Tages erscheint ihr Denis so real, als sei er noch am Leben und ebenso loyal, liebevoll und stets zu schrägen Späßen aufgelegt wie zu seinen Lebzeiten. Sie kann Gegenwart und Vergangenheit bald nicht mehr voneinander trennen und die Sorge ihrer Tochter verstärkt sich immer mehr. Aber ihre Mutter erkennt, dass es an der Zeit ist die zunehmende Flut von Erinnerungen und Halluzinationen zu bekämpfen. Sie verpackt endlich den Nachlass ihres Ehemannes in Kisten und kämpft erneut für ihre Unabhängigkeit.
Jim Broadbent (Denis Thatcher) & Meryl Streep (Margaret Thatcher)
Die Menschen mögen emotionale Darstellungen, egal um welche Persönlichkeit der Weltgeschichte es sich handelt. Nur damit dürfte begründet werden, weshalb Leonardo DiCaprio als J. Edgar Hoover nicht einmal eine Erwähnung bei den Academy Awards 2012 fand, während Meryl Streep als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Immerhin hat DiCaprio es geschafft, die Figur des FBI Gründers detailgetreu nachzustellen, in wenigen Momenten sein persönliches Leben in den Fokus zu nehmen und viel mehr ein Augenmerk auf die Dinge zu lenken, die ihn als Person definiert haben: Seine Arbeit für die Vereinigten Staaten. Diese Herangehensweise fehlt in ‚Die Eiserne Lady‘ gänzlich. Man ruht sich auf seiner Hauptdarstellerin aus, die mit einer zugegeben hervorragenden minimalistischen und doch so realistischen Maske zum Inbegriff der Margaret Thatcher gemacht wurde.
Zu Beginn des Filmes sehen wir Streep als an Demenz leidende, alte Dame, die traurig und verwirrt durch ihr Heim schreitet, allein ohne ihren Ehemann Denis, der ihr so viele Jahre treu zur Seite stand. Bereits hier werden die Zuschauer merken, dass es diese Beziehung sein wird, die dem Film seine sentimentale Richtung weisen wird. Als Hirngespinst folgt er der gegenwärtigen Margaret Thatcher, in ihren Erinnerungen an die Vergangenheit taucht er stets im Bild auf. Er ist der Mann, den diese Frau trotz aller Stärke benötigt um ihr den Halt zu geben, den sie in einer von chauvinistischen Männern bevölkerten Politik benötigt. Meryl Streep arbeitet mit Film-Ehemann Jim Broadbent harmonisch zusammen, das Ehepaar wird Wirklichkeit, die Leiden der alten Dame nachvollziehbar, scheint sie doch einen amüsanten Zeitgenossen verloren zu haben, der weitaus besser als filmische Identifikationsfigur funktioniert als die alte Frau, die wir notgedrungen bemitleiden. Der Film polarisiert stark in eine Richtung, die sich von den politischen Entscheidungen und Beschlüssen der britischen First-Lady distanziert.
Alexandra Roach als junge Margaret Thatcher & Harry Lloyd als junger Denis Thatcher
Diese von Margaret Thatcher betriebene Politik wird sowieso in den Hintergrund gestellt und nur am Rande abgehandelt. Viel mehr kümmert sich der Film um die Glorifizierung seiner Hauptfigur, die in nur sehr wenigen Szenen schlecht dasteht. Und auch hier versucht der Film Thatcher eine Handlungsberechtigung zu geben, lässt sie über ihre Entscheidungen nachdenken, lässt sie ihr Handeln legitimieren ohne eine Gegenposition aufzuzeigen. Immer wieder flüchtet der Film vor den Bildern die hier folgen müssten: Thatcher als skrupellose Politikerin, als Taktikerin und analytisch begabte Frau, die ihren Weg unaufhaltsam voranschreitet. Aber sobald die Handlung an einen solchen Punkt angelangt, wird der Sprung zurück in die Gegenwart zu der erkrankten Dame oder in die weitere Vergangenheit in ihre Jugend gemacht, wo aufgezeigt wird, wo die Wurzeln ihres Handelns liegen. Die Kontroversen um Margaret Thatcher werden bewusst ausgeblendet um Meryl Streep hier genug Raum für eine emotional liebreizende Darstellung zu bieten, mit der sie sich in die Herzen der Zuschauer spielen und nicht als Bösewicht dastehen kann.
Es ist ein Manko, dass bei einem Kinobesuch bedacht werden muss. Regisseurin Phyllida Lloyd hat zwar einen Film gemacht, der einer Biografie ähneln mag, dabei allerdings Lücken in der Erzählung aufweist, die schwerwiegende Folgen für den Realitätsanspruch haben. So ist ‚Die Eiserne Lady‘ ein Film über eine nette alte Dame, die an ihrer Krankheit zerbricht, die einsam in ihren vier Wänden haust, ihren Ehemann vermisst und lernen muss loszulassen. Ebenso wie sie sich als junge Frau allein unter Männern und später in der Politik allein auf sich gestellt beweisen musste, steht sie nun ihrem Leben gegenüber, erneut mit niemanden außer sich selbst. Als solches funktioniert der Film schon durch die einmalige Leistung von Meryl Streep. Allerdings lässt sich hierfür der Name der Hauptfigur beliebig austauschen. Denn ein glaubhafter Film über Margaret Thatcher sähe anders aus.
Denis Sasse
‘Die Eiserne Lady‘
Originaltitel: The Iron Lady
Altersfreigabe: ab 6 Jahren
Produktionsland, Jahr: GB, 2011
Länge: ca. 105 Minuten
Regie: Phyllida Lloyd
Darsteller: Meryl Streep, Jim Broadbent, Iain Glen, Alexandra Roach, Olivia Colman, Harry Lloyd, Anthony Head