Filmkritik zu ‘Der Gott des Gemetzels’

Filmkritik zu ‘Der Gott des Gemetzels’

Unter dem Titel ‚Le dieu du carnage‘ feierte das im deutschen betitelte Theaterstück ‚Der Gott des Gemetzels‘ Anfang Dezember 2006 seine Premiere am Schauspielhaus Zürich, bevor es am Pariser Théâtre Antoine von Yasmina Reza, Autorin des Stückes, selbst inszeniert wurde. Egal wo es den Gott des Gemetzels hinzog, das Bühnenstück hatte schon immer eine nahe Verbindung zum Film: In der französischen Version spielte Isabelle Huppert (‚I’m Not A F**king Princess‘), am Londoner Gielgud Theatre war Ralph Fiennes in der englischsprachigen Version ‚God of Carnage‘ zu sehen und am Broadway lief das Stück mit Jeff Daniels und James Gandolfini in den Hauptrollen. Der polnische Filmemacher Roman Polanski hat nun den Schritt gewagt ‚Der Gott des Gemetzels‘ wirklich auf die Kinoleinwände zu bringen – und gezeigt, dass vier Darsteller und ein Raum ausreichen um einen guten Film zu inszenieren.

Der Ausgangspunkt sind zwei elfjährige Jungs, die sich auf einem Spielplatz prügeln. Dabei werden einem der beiden Jungen zwei Zähne ausgeschlagen. Die Eltern des Opfers, Penelope und Michael (Jodie Foster und John C. Reilly) haben die Eltern des Übeltäters, Nancy und Alan (Kate Winslet und Christoph Waltz), eingeladen, um den Vorfall wie vernünftige Menschen zu klären. Was als friedlicher Austausch über Zivilisation, Gewalt und die Grenzen der Verantwortung beginnt, entwickelt sich schon bald zu einem Streit voller Widersprüche und grotesker Vorurteile. Schließlich platzt die dünne Fassade der bürgerlichen Kultiviertheit. Vier Erwachsene geraten aus der Fassung. Brutal und rücksichtslos werden Grenzen überschritten, provoziert und schließlich deutlich, dass sie alle hinter ihrer zivilisierten Maske einen „Gott des Gemetzels“ anbeten.

Filmkritik zu ‘Der Gott des Gemetzels’

Jodie Foster & John C. Reilly

Ein Kammerspiel mit vier Personen, welches die Banalitäten der Streitkultur darstellt. Langsam aber sicher schaukeln sich die Emotionen zwischen den beiden Ehepaaren nach oben, nicht nur gegeneinander, sondern auch untereinander wird gestritten, niemand ist davor sicher, von seinem Gegenüber verbal angegriffen zu werden. Die Angst, dass in der Verfilmung des Theaterstückes die Auseinandersetzungen zu weit getrieben werden, darf als nicht gerechtfertigt angesehen werden. Die Figuren entwickeln ihren Zorn, ihre Wut und Enttäuschung aufeinander, ohne dass diese Gefühlswelten in phantastische Höhen getrieben werden. Geradezu realistisch hat Polanski seine Darsteller zu Höchstleistungen getrieben. Wo anfangs noch das Ehepaar Longstreet (Reilly und Foster) gegen die Cowans (Waltz und Winslet) wettert, verwischen in den 80 Minuten Laufzeit immer wieder die Fronten. Mal halten die Frauen zusammen, mal die Ehepaare und dann wieder die Männer, die verschiedenen Konstellationen werden recht schnell aufgebaut und wieder gebrochen, ein stetiger Schlagabtausch unterstützt diese Wechselhaftigkeit der Gemüter, die durch späteren Alkoholkonsum noch gefördert und ins Absurde getrieben wird.

Erst wenn die Kamera den Zuschauer aus der kleinen Wohnung in Brooklyn – gefilmt wurde in Paris – hinaus reißt, werden auf filmischer Ebene die Streitigkeiten beendet. Unser Gefühl sagt uns aber, dass sich die Ehepaare immer so weiter zanken werden, dass sie noch nicht fertig miteinander sind. Der eigentliche Anlass, weswegen sich die beiden Elternteile hier getroffen haben, rückt im Verlauf des Filmes immer weiter in den Hintergrund, nur ab und an wird der Schlag mit einem Stock zum Anlass genommen, die Reibereien unter den Erwachsenen weiter zu treiben. Wo sich hier ein Streit entwickelt, der offenbar unlösbar auf der Bühne des Lebens aufgeführt wird, endet der Film mit den beiden eingangs gezeigten Kindern, wie sie gemeinsam, ohne jede Streitabsicht, im Brooklyn Bridge Park zusammen spielen – ahnungslos von den Ereignissen, die ihre Eltern in Gang getreten haben. Wo diese beiden Kinder – eines davon wird von Roman Polanskis Sohn Elvis gespielt – eine handgreifliche Auseinandersetzung hatten, die aber genauso schnell wieder beendet wurde, wie sie begonnen hat, wird bei ihren Eltern schnell klar, dass der Krieg der Worte weit mehr verletzten kann, die Figuren in den Wahnsinn treibt und zum Ziel hat, die Schwächen der Anderen herauszuarbeiten und aufzuzeigen – diese seelische Grausamkeit übersteigt die Taten der Kinder.

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Christoph Waltz & Kate Winslet

Unter den Darstellern wird derweil um die Kunst des guten Schauspiels gewetteifert. Es scheint als würden sich die vier Hauptprotagonisten gegenseitig zu Höchstleistungen anstacheln, wobei Christoph Waltz erneut in der zynischen Rolle des Arschlochs zu sehen ist, den der Zuschauer trotz unsympathischen Auftretens ins Herz schließen wird. Waltz zeichnet sich hier durch die politisch unkorrekten Drehbuchzeilen aus, die ihn von Beginn an charakterisieren. Er macht von den vier Figuren die geringfügigste Charakterwandlung durch, da er von vornherein seine Gedanken kund gibt und den Anderen damit vor den Kopf stößt. Ganz anders ist es bei seiner Film-Ehefrau Kate Winslet, die erst noch als feine Dame getarnt, sich am meisten hinter ihrer gutbürgerlichen Fassade versteckt. Ihre Mimik wandelt sich von wagen Gesichtszügen zu emotionalen Ausbrüchen, zur Enttäuschung über ihren Ehemann, ihrem Leben bis hin zum finalen Wutausbruch, der vom Film unkommentiert so stehen gelassen wird. Ihnen werden Jodie Foster und John C. Reilly gegenüber gestellt. Sie – ein Gut-Mensch und Weltverbesserer, die nicht daran glaubt dass man ohne Moral und Werte durch das Leben ziehen kann. Er – der sich selbst als Arschloch ansieht, dem die Vorstellungen seiner Frau gehörig auf die Nerven gehen. Im Falle von John C. Reilly entwickelt der Film eine Figur, die die unglaubwürdigste Wandlung vollzieht. Denn wenn Michael Longstreet wirklich von solch tumben Charakterzügen geleitet werden sollte, wäre ihm sicherlich die Wahrung seiner zuerst dargestellten Fassade eher gleichgültig – und aus Nächstenliebe wird er die formellen Höflichkeiten auch nicht auf sich nehmen. Reillys Figur funktioniert zu Beginn, wird danach aber übermäßig überzogen dargestellt, so dass ein kleiner Bruch in der ansonsten einwandfreien Inszenierung zu finden ist.

‚Der Gott des Gemetzels‘ ist ein erschreckender, zugleich aber auch immer humorvoller Blick auf eine Streitkultur, die sich so vorgeführt jeder Plausibilität entzieht, aber eigentlich alltäglich nachvollziehbar ist. Von der ersten Minute an konzentriert sich Polanski auf die surrealen Begebenheiten die von der Situation ausgehen. Dabei wird er von vier Darstellern unterstützt, die dem Film ihre charismatischen Fähigkeiten aufdrücken und das Theaterstück zum filmischen Leben erwecken.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Der Gott des Gemetzels’

Der Gott des Gemetzels‘

Originaltitel: Carnage
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: E/F/PL/D, 2011
Länge: ca. 80 Minuten
Regie: Roman Polanski
Darsteller: Jodie Foster, Kate Winslet, Christoph Waltz, John C. Reilly


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