Filmkritik zu “Cheyenne – This Must Be The Place”

Filmkritik zu “Cheyenne – This Must Be The Place”

Er ist ein gern gesehener Gast auf den Filmfestspielen von Cannes: Der italienische Regisseur Paolo Sorrentino war bereits mehrmals mit seinen Filmen für die Goldene Palme, der wichtigsten Auszeichnung des Festivals, nominiert. Vor sieben Jahren hat diese Tradition mit „Le Conseguenze Dell’Amore“ begonnen, wurde zwei Jahre später mit „L’Amico Di Famiglia“ fortgesetzt und auch 2008 wurde „Il Divo – Der Göttliche“ diese Ehre zu Teil. Auch sein neuester Film „Cheyenne – This Must Be The Place“, mit dem der Regisseur zum ersten Mal seine italienische Heimat verlässt, wurde als vierte, von insgesamt fünf Spielfilmarbeiten, mit einer Nominierung gewürdigt.

Auch wenn das heißt, dass es zum vierten Mal bei einer bloßen Nominierung geblieben ist, statt die Auszeichnung auch mal zu gewinnen, bekommen wir mit „Cheyenne – This Must Be The Place“ eine Vorstellung des Hauptdarstellers Sean Penn geboten, die seinesgleichen sucht. Er spielt die titelgebende Figur Cheyenne, ein ehemals gefeierter Rockstar, der inzwischen 50 Jahre alt ist und sich immer noch so kleidet wie damals – als Goth mit schwarzen, toupierten Haaren, weiß geschminktes Gesicht und rotem Lippenstift. Seit Jahren lebt er zurückgezogen mit seiner Frau Jane (Frances McDormand) in einer Villa in Dublin. Der Tod zweier Fans, die sich aufgrund seiner Texte selbst das Leben genommen haben, setzt dem gealterten Rockstar erheblich zu. Der Tod seines Vaters, mit dem er seit 30 Jahren nicht gesprochen hat, führt ihn dann nach New York, wo er erfährt, dass dieser für eine schwerwiegende Demütigung, die ihm im Konzentrationslager Ausschwitz erfahren ist, Rache nehmen wollte. Cheyenne beschließt, die Suche seines Vaters nach dem schuldigen Nazi fortzuführen.

Filmkritik zu “Cheyenne – This Must Be The Place”

Sean Penn & Frances McDormand

Eine Reise die sich für Sean Penn nicht nur zum Road Trip quer durch die Vereinigten Staaten entwickelt, sondern auch eine Reise, die seine Figur Cheyenne erwachsen werden lässt. Vor den Problemen seiner Rockstar-Zeit fliehend, versteckt sich Cheyenne in seiner Hülle, als wäre ihm nie etwas Schlimmes wiederfahren. Kindlich schlägt er jede Zigarette aus, weil ja nur Erwachsene den Genuss von ihnen zu schätzen wissen. Was auf den ersten Blick durchaus komisch wirkt – und vor allem die Szenen zwischen Cheyenne und seiner Ehefrau Jane dienen auch als spaßiges Intermezzo – wird von Sean Penn in aller Feinheit als schmale Gratwanderung zwischen Parodie auf all die gealterten Rockstars des wahren Lebens und dramatischer Figur, die mehr als eine schwere Last mit sich herumtragen muss, dargestellt. Bildlich arbeitet der Film hier sehr schön mit einem immer präsenten Koffer, den Cheyenne hinter sich herzieht. Die Last, die er zu tragen hat. Mal überspielt Cheyenne seine Probleme, ein anderes Mal offenbaren sich seine tiefsten Ängste und Enttäuschungen in einem lautstarken Redeschwall voller Emotionen. Egal ob kindliches Kichern oder gefühlsbetontes Leid, der Zuschauer wird sich oftmals in der Situation wiederfinden, in einer oberflächlich komischen Szene dennoch die Traurigkeit der Situation wiederzuerkennen.

Aus „So soll mein Leben einmal werden…“ wird bei Cheyenne mit dem Alter „So ist das Leben halt“. Die Resignation ist eines der Probleme, mit der sich aber nicht allein die Hauptfigur herumschlagen muss. Wo bei Cheyenne auch das Motiv des Todes eine Rolle spielt – durch den Tod zweier Fans sowie dem Tod des eigenen Vaters – haben auch die Nebenfiguren ihre Last bekommen. Dem Zuschauer wird mit Cheyenne bereits eingangs eine merkwürdige Figur geliefert, die sicherlich nicht in die Konventionen der herkömmlichen Gesellschaft hineinpasst. Aber wenn diese Figur sich dann auf die Reise durch die U.S.A. begibt, werden wir noch mehr dieser sonderbaren Charaktere entdecken, die uns eigentlich tagtäglich begegnen, die wir aber im besten Fall mit einem abschätzigen Blick würdigen. Dennoch sind überall Probleme versteckt, die sich in diesem Film miteinander verstricken lassen.

Filmkritik zu “Cheyenne – This Must Be The Place”

Eve Hewson & Sean Penn

Dabei müssen diese Probleme auch erst einmal erkannt werden. Wo Cheyenne anfangs Depression erkennt, sieht seine Frau eher Langeweile. Vielleicht ist das der Beweggrund, warum er sich nach 30 Jahren Kontaktstille zu seinem Vater letztendlich dazu entschließt, dessen Reise fortzusetzen. Die Suche nach dem Nazi wird zugleich eine Sinnsuche für Cheyenne, bei der er auch die Reise der Adoleszenz bestreitet. Cheyenne muss Erwachsen werden und sich seinen Problemen stellen. Er darf sich nicht länger hinter der Unschuld des Kindseins verstecken.

Was auf schauspielerischer Ebene durch Sean Penn sehenswert inszeniert wurde, zieht sich auch auf der Bildebene durch. Regisseur Sorrentino und sein Kameramann Luca Bigazzi – die beiden haben beständig zusammen gearbeitet – erschaffen Bildkompositionen, die sowohl eine gewisse Einsamkeit, als auch die Langeweile und Depression wiedergeben. Eine Kombination aus Landschaftsmotiven, oft mit dem Fokus auf dem Bildrand, und den darin platzierten und verloren wirkenden Figuren macht die Gesamtsituation anschaulich, hübsch und zugleich bedrückend.

„Cheyenne – This Must Be The Place“ kann als skurriler Adoleszenz-Road Movie beschrieben werden, bei dem Sean Penn die Leinwand ganz und gar für sich einnimmt. Die Problembewältigungsthematik wird dank Penn mit solcher Leichtigkeit erzählt, dass man den Film schon fast als Komödie deklarieren möchte. Da sei aber Vorsicht geboten, denn unter dieser Oberfläche befindet sich weitaus mehr Tiefgründigkeit als man in den ersten humorvollen Minuten zu sehen bekommt.

Denis Sasse

Filmkritik zu “Cheyenne – This Must Be The Place”

‘Cheyenne – This Must Be The Place‘

Originaltitel: This Must Be The Place
Altersfreigabe: noch keine Altersbewertung vorhanden
Produktionsland, Jahr: I/F/IRL, 2011
Länge: ca. 118 Minuten
Regie: Paolo Sorrentino
Darsteller: Sean Penn, Frances McDormand, Judd Hirsch, Harry Dean Stanton, David Byrne, Eve Hewson, Kerry Condon


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