Filmkritik: BLOW DRY

Filmkritik: BLOW DRYZur Feier meines neuen Haarschnitts gibt es heute den passenden Film dazu: Blow Dry, bei uns als “Über Kurz oder Lang” bekannt, dreht sich um einen Friseurwettbewerb in einer englischen Kleinstadt. Geschrieben von Simon Beaufoy (Slumdog Millionaire), mit wunderbaren Schauspielern wie Alan Rickman, Bill Nighy und der letztes Jahr verstorbenen Natasha Richardson und sehr viel Charme ist es der beste Film über Haareschneiden und Friseure, den ich kenne. Zugegeben, es ist auch der einzige – weitere Vorschläge sind aber immer willkommen.

Regisseur: Paddy Breathnach
Drehbuch: Simon Beaufoy
Darsteller: Alan Rickman, Natasha Richardson, Josh Hartnett, Rachel Griffiths, Bill Nighy, Rachel Leigh Cook, Hugh Bonneville, Warren Clarke, Heidi Klum
Erscheinungsjahr: 2001

STORY
Die britischen Friseurmeisterschaften sollen dieses Jahr in der nordenglischen Kleinstadt Keighley stattfinden. Doch der frühere Meisterfriseur Phil (Alan Rickman) denkt gar nicht daran, sich anzumelden: Seit seine Frau Shelley (Natasha Richardson) mit seinem Model Sandra (Rachel Griffiths) durchgebrannt ist, führt er resigniertes Leben in seinem kleinen Herrensalon mit seinem Sohn Brian (Josh Hartnett). Shelley dagegen wurde mit Krebs im Endstadium diagnostiziert und will die Friseurmeisterschaften dazu nutzen, ihre zerrüttete Familie zusammen zu bringen…

REVIEW
Ein Film über einen Friseurwettbewerb in einem kleinen englischen Kaff – das klingt nach einer Idee für alberne Comedy, die sich darüber nur lustig macht, oder einem schrecklich langweiligen Film. Was man bei dieser Ausgangslage eher nicht erwartet, ist ein warmherziges Familiendrama. Filmkritik: BLOW DRYUnd doch ist es genau das, was im Zentrum von Blow Dry steht. Natürlich kommt dazu eine große Portion Comedy, und selbst- verständlich wird die ganze Friseurwett- bewerbsache nicht allzu ernst genommen und mit einigen albernen Friseur-Karikaturen bevölkert, aber der Film verliert nie die Balance zwischen Humor und ehrlicher Sympathie und Sorge für die Charaktere.

Im Mittelpunkt stehen da Alan Rickman, Natasha Richardson und Rachel Griffiths als alterndes Friseurmeistertrio mit ungewöhnlichen privaten Verstrickungen, das sich zusammenraufen muss. Alle drei spielen Figuren, denen man gerne folgt, und die Schauspielern machen ihre Sache natürlich sehr gut. Die ganze Krebs-Geschichte hätte schnell zum formelhaften Tränendrücker-Melodram werden können, wird hier aber angenehm unsentimental präsentiert. Ich weiß zwar nicht, ob es daran liegt, dass ich sowieso eine Film-Heulsuse bin, oder ob der Film einen einfach wirklich sehr mit seinen Figuren mitfühlen lässt – aber mich hat dieser Handlungsstrang jedenfalls sehr gerührt.

Filmkritik: BLOW DRYAuf der Humor-Seite haben wir da den wie immer genialen Bill Nighy als Phils Erzrivalen mit seinem Partner Louis, gespielt von dem wunderbaren Hugh Bonneville und ein paar Klischee-Friseurteams unter anderem mit Heidi Klum als Model. Bill Nighy hat aber natürlich auch seinen Teil an guten Charakterszenen – vor allem seine Konfrontationen mit Alan Rickman sind selbstverständlich herrlich.
Einen besonderen Charme vermitteln auch die Kleinstadtbewohner, bei denen man auch desöfteren bekannte Gesichter erkennt, und deren Wandel von mürrischen Skeptikern zu begeisterten Friseurfans Spaß macht. Außerdem tragen die einfach sehr zur besonders britischen Atmosphäre des Films bei. Hervorheben muss man da Warren Clarke als Bürgermeister, dessen wenige Szenen alle Gold wert sind.

Filmkritik: BLOW DRYBleibt die Frage, was eigentlich Josh Hartnett in diesem Film macht. Der passt halt irgendwie so gar nicht zwischen Mimen wie Alan Rickman und Bill Nighy in eine englische Kleinstadt, und man ist immer wieder erstaunt wenn er den Mund aufmacht und eine leicht bizarre Mischung aus breitem Amerikanisch und Yorkshire-Akzent herauskommt. Der ist alles eigentlich nicht die Schuld von Josh Hartnett, der macht seine Sache recht gut (mal abgesehen vom Akzent, aber das ist ja auch schwer) – er ist halt einfach völlig fehlbesetzt und offensichtlich nur als Publikumsmagnet für Teenies vorhanden. Schade, dass die Produzenten nicht darauf verzichtet und an Hartnetts Stelle lieber einen britischen Darsteller genommen haben.

Filmkritik: BLOW DRYÜberhaupt gehört die ganze Nebenhandlung um die junge Generation Brian und Christina zu den schwächsten Teilen des Films – es wundert ja nicht, dass man eine Romanze in die Handlung hineingeschrieben hat, aber es ist halt schon besonders arg vorhersehbar. Dazu kommt, dass Brian und vor allem Christina die uninteressantesten Charaktere im Film sind, deren Probleme uns weit weniger interessieren als andere Dinge.

Blow Dry ist ganz sicher nicht perfekt – aber es ist ein unterhaltsamer kleiner Film, mit viel britischem Charme, sympathischen Charakteren, netten Humor und einigen wunderbaren Darstellern. Und abgesehen davon, dass es einfach spaßige und rührende Unterhaltung ist, eigenet sich der Film eben auch klasse dafür, sich vor einem Friseurtermin in Experimentierlaune zu begeben.


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