Während das 18. Jahrhundert in seinen Feuilletons noch einen »Geistesanbau« sah und denselben pflegte, geht es heute nur mehr um das planmäßige Abfeiern eines »Superstars für 5 Minuten«. Erschreckenderweise steht dieser Etikettenschwindel ganz im Dienste einer ideologisch verseuchten Literaturpolitik. Dem natürlichen Wettbewerb der Anschauungen und Ideen wird durch Denk- und Sprechverbote begegnet. Soziale Ächtung und Karriere-Aus drohen dem, der es trotzdem wagt, seine Meinung zu äußern. So verkommt Kulturkritik zum Bekenntnisreigen, das Schreiben von kulturkritischen Texten zu einer Gebetsmühle von Opportunisten.
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Im Entwertungsreigen des Spät- oder Feudalkapitalismus ist einfach alles nur noch »Ware« und »Logo«, also auch Feminismus. Den vielen verhaltensauffälligen Frauen, die heute für die Feuilletons schreiben, geht es wahrscheinlich eher um ihren Lifestyle als um Literatur. Man gehört ja zum juste milieu, hat eine Klassengrenze zwischen sich und die brotlosen, wahren Poeten gebracht, und diese Tatsache verdient es, einmal täglich mit einem Prosecco oder Veuve Cliquot am Szene-Tresen begossen zu werden. Und damit das möglichst lange so bleibt, spielt man auch gerne mal den Steigbügelhalter von Charlotte Roche, deren unsäglicher Textbrei das letzte Sommerloch füllte. Nicht das Buch war der Skandal, sondern die Kritik, die sich querbeet durch den Blätterwald nie zu schade war, kunstlosen Quatsch hochzuschreiben.
aus "Occupy the Feuilletons!" (titel-magazin.de)