Familientraditionen

Am Anfang war Rosa Müller. Eines Tages, als unsere damals noch kleinen Grossen den lieben langen Tag nörgelten, erschien sie einfach so, aus dem Nichts. Eine unzufriedene, kleinkarierte alte Frau, die in einem Altersheim lebt und nichts anderes tut, als sich zu beklagen. Mal ist sie unzufrieden, weil sie sich langweilt und Sekunden später klagt sie darüber, dass einfach zu viel Programm geboten wird im Altersheim. Schenken ihre Kinder ihr eine Schachtel Pralinen zu Weihnachten, dann ist sie eingeschnappt, weil sie nich mehr bekommen hat, fahren sie mit ihr nach Mallorca in die Ferien, dann schimpft sie, die hätten zu viel Geld ausgegeben für sie. So ist sie, die Rosa, stets unzufrieden, andauernd meckernd und einfach unausstehlich. Unsere Kinder lieben sie heiss und innig und so kommt es, dass sie immer mal wieder fragen: “Mama, kommt die Rosa?” Wenn Mama in der Stimmung ist, dann kommt sie tatsächlich, die alte Schreckschraube.

Eines Tages, ich kann mich nicht mehr genau erinnern wann das war, gesellte sich Gerlinde zu Rosa. Gerlinde, die ebenso griesgrämige deutsche Immigrantin, ein paar Jahre jünger als Rosa, laut, stillos und kinderfeindlich. Ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, weshalb sie dennoch regelmässig zu uns kommt, wo man bei uns doch andauernd mit den Kindern zu tun hat. Gerlinde und Rosa können sich nicht ausstehen und so muss ich stets auf der Hut sein, dass die eine nichts davon erfährt, wenn die andere da war. Wenn Gerlinde loslegt kann es schon mal vorkommen, dass dem Prinzchen Angst und Bang wird, so dass ihre Besuche meist nicht allzu lange dauern.

Ja, und dann wäre da noch Maggie, die eigentlich Margrit heisst, was unsere Kinder ihr immer wieder mit grosser Schadenfreude unter die Nase reiben. Maggie, die Verschwenderische, die mit ihrem Privatjet um die Welt düst und sich derzeit Gedanken macht, ob sie im Herbst vielleicht ein oder zwei bedürftige Kinder adoptieren soll. Vermutlich wird sie es tun, sie muss nur noch herausfinden, welches Herkunftsland derzeit gerade hip ist. Und natürlich muss sie noch irgendwo die perfekte Vollzeit-Nanny auftreiben, denn Maggie hat für Kinder noch weniger übrig als Gerlinde. Maggie ist ein durch und durch widerliches Trophy Wife, menschenverachtend und geltungssüchtig.

Gestern haben die drei Damen Gesellschaft bekommen. Ein dubioser Waffenhändler aus Afghanistan, der in eine schlimme Familienfehde verwickelt ist, tauchte plötzlich am Familientisch auf. Ein beängstigender Zeitgenosse, aber durchaus begabt im Fabulieren über seine zahllosen Abenteuer. Unsere Jungs hängen buchstäblich an seinen Lippen, wenn er erzählt. “Wann kommt er wieder?”, betteln der FeuerwehrRitterRömerPirat, der Zoowärter und das Prinzchen. Nur Karlsson bettelt nicht, der setzt sich hin und fängt an zu erzählen: “Geschter ich hane funde alte Gewehr, ist gute Gewehr…”

Und so setzt Karlsson eine Familientradition fort, die eines Tages, als unsere damals noch kleinen Grossen den lieben langen Tag nörgelten, wie aus dem Nichts über Karlssons Mama kam.

Familientraditionen

 



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