Dabei hatte alles so perfekt ausgesehen, als Mariano Rajoy und seine konservative PP mit absoluter Mehrheit ans Ruder kamen! Die Strategie war klar: Zuerst ein paar kosmetische Reformen und die wirklich schmerzhaften Kürzungen bis nach der Andalusien-Wahl verschieben. Andalusien war immer der zentrale Punkt für Rajoy. Südspanien sollte die komplette Machtübernahme und der totalen Niedergang der Sozialdemokraten (PSOE) werden. Alles hing am Urnengang in Andalusien – und genau dort entgleiste der Fahrplan endgültig.
Der Ärger begann schon früher. Der Druck aus Brüssel und die schlechten Defizit-Zahlen verhinderten den Aufschub wichtiger Entscheidungen: Steuererhöhung und die Arbeitsmarktreform, die der andalusische PP-Kandidat Javier Arenas so sehr fürchtete, mussten sofort sein. Brüssel und Angela Merkel mussten beruhigt werden. Doch die wirklich dicken Brocken – den Staatshaushalt und die Kürzungen in den Autonomien (Länder) – sparte sich Rajoy für nach den andalusischen Wahlen auf.
Alles sah perfekt aus. Rajoy und Arenas waren sich der absoluten Mehrheit in Andalusien ganz sicher. Der Wahlsieg würde die harte Spar-Politik legitimieren und vor allem das Signal nach Europa senden: Rajoy beherrscht ganz Spanien, hat die komplette Kontrolle und vor allem die Unterstützung seiner Bürger. Der Schlaganfall war deswegen total! Erst ganz langsam erholen sich die PP-Verantwortlichen davon und analysieren die Situation. Alle sind sich einig: In Andalusien nicht regieren zu können, war so wichtig, dass es den Fahrplan über den Haufen geworfen hat.
Nun wird es nicht nur die “feindliche” Linksregierung im Süden Spaniens geben. Die Sozialdemokraten werden sich dort sogar noch weiter nach links bewegen müssen, weil sie die Koalition mit Izquierda Unida (Die Linke) brauchen. Das wird die politische Schlacht in der Region erheblich verschärfen, der Madrider Regierung Abnutzungserscheinungen zufügen und vor allem Rajoys Image in Europa ankratzen.Die PSOE wird ihr Oppositionszentrum nach Andalusien verlegen, wie es vorher die PP mit dem Grossraum Madrid gemacht hatte, von wo aus sie Zapatero empfindlich stören konnte. Das zeigte sich schon jetzt, als Andalusien als einzige Region gegen die Haushaltskürzungen der Autonomien im Wert von 15 Milliarden votierte.
Mariano Rajoy hatte den andalusischen Sieg fest eingeplant. Die Niederlage schwächt seine Position empfindlich.
Andalusien ist nicht irgendeine Region sondern das bevölkerungsreichste Gebiet Spaniens mit den meisten Arbeitslosen. Und es ist das traditionelle Herz der Sozialdemokraten. Die wollen jetzt den unerwarteten Wahlsieg gehörig ausschlachten: “Vorbei ist es mit den Lichtgestalten der PP”, sagt eine ihrer Führungsfiguren”, sie hatten geglaubt es reicht, wenn man immer auf den offenen Rechnungen der Vorgängerregierung herum hackt. Jetzt wissen sie, dass sie für ihren brutalen Spar-Kurs abgestraft werden können.” – Besonders die Arbeitsmarktreform hat der PP die Wahl-Ernte gründlich verhagelt.
Rajoys Blick liegt vor allem auf dem Defizit und “den Märkten”. Er weiss, dass er in Andalusien geschwächt worden ist und dass er jetzt eher noch härter vorgehen muss, um sein Ansehen in Europa nicht zu verlieren. Mehere Regierungsmitglieder deuteten schon an, dass der Staatshaushalt “brutal” werde. Und das ist erst der Anfang, denn danach folgt der Druck aufdie Länder und die Gesetzesänderungen, die Reformen erlauben sollen. Im Klartext: Weitere Streichungen bei den sozialen Grundleistungen in den einzelnen Regionen. Danach kommen die Privatisierungen und der Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Rajoy wird nach der Andalusien-Wahl jetzt den Fuss aufs Gaspedal setzen müssen statt auf die Bremse.
Der Wahlverlust und das Defizit treiben die spanische Regierung jetzt auf die Überholspur: Die Kürzungen im Sozialsystem werden noch härter als geplant ausfallen müssen.
Wie wenig die PP in Spanien mit der absoluten Mehrheit regiert, wissen ihre Verantwortlichen selbst am besten: “Es gibt keinen Spielraum für Nachdenklichkeit bei den Sparprogrammen. Wenn wir die EU-Ziele nicht einhalten, wird Brüssel in Spanien intervenieren und das würde dann in jedem Fall unerträgliche Kürzungen bringen. Da bringen Generalstreiks gar nichts, denn hier bestimmt nicht die Regierung sondern die Techniker aus Brüssel, und die stellen sich in Spanien nicht zur Wahl.”
In Brüssel allerdings wurde Rajoys Taktik von Anfang an mit Argus-Augen betrachtet. Den Staatshaushalt bis nach den Andalusien-Wahlen aufzuschieben, wurde als schmutzige politische Massnahme eingestuft. Die Wahlniederlage betrachtet man in der EU deswegen als deutlichen Rückschlag für Rajoy, der offensichtlich doch nicht auf die rückhaltlose Unterstützung seiner Bevölkerung zählen kann, wie nun auch in Brüssel sichtbar wird. Das lässt den morgigen Generalstreik in einem anderen Licht erscheinen.
Die geplanten Streichungen in den Länderhaushalten haben den katalanischen Ministerpräsidenten endlich das Zauberwort aussprechen lassen: “Eigener Staat”. Weniger Erpressung reicht offensichtlich nicht mehr aus.
Als wären das alles nicht genug Probleme, muss sich Rajoy jetzt auch noch mit neuen nationalistischen Klängen aus Katalonien herum schlagen. Der Madrider Regierungschef hatte sich das so schön vorgestellt: Absolute Mehrheit in Andalusien und in Katalonien Seite an Seite mit den Nationalisten von CiU, dann wäre der Eindruck der totalen Kontrolle komplett gewesen. Doch jetzt kommt der Begriff “eigener Staat” aus Katalonien, der vorher immer so geschickt wie durchsichtig verblümt worden war. Der Frontalzusammenstoss der Züge wird für Oktober erwartet, wenn der katalanische Regierungschef Artur Mas in Madrid sein Ultimatum bezüglich des Fiskalpakts präsentiert. Mariano Rajoy hat schlicht das Geld nicht, das die katalanische Regierung verlangt (erpressen will).
Rajoys Fahrplan ist komplett entgleist und Andalusien ist schuld. Die Konservativen haben immer noch die absolute Mehrheit im Madrider Parlament – doch der hat man etliche Knüppel in die Speichen geworfen. Die Situation für Mariano Rajoy kompliziert sich zusehends.