Experimentelles mit eigener Handschrift

Der Doppelabend im Odeon präsentierte Experimentelles von jungen Tänzerinnen und Choreografinnen, die darin Proben ihrer eigenen tänzerischen Handschriften ablieferten.

Aline Landreau lotete mit „Vox“ Möglichkeiten von Bewegung und Stimme aus

Mit der Produktion „Vox“ machte die Französin Aline Landreau den Anfang. Nach einem Bühnenerkundungsgang, der im Dunkeln stattfand, erklomm die Tänzerin und Choreografin eine Lautsprecherbox. Die schwache Beleuchtung ließ dabei nur ihren Torso erkennen, der erst in dem Moment menschliche Formen annahm, als Landreau einen Arm zur Seite streckte.

Aline Landreau Vox (c) Dieter Hartwig Aline Landreau Vox (c) Dieter Hartwig

Der Sound, den Antoine Monzonis-Calvet gestaltete, blieb von Beginn an diffus. Er startete leise, schwoll aber bald an. Parallel dazu begann Landreau mit einem Mikrofon zu arbeiten. Klopfgeräusche waren das erste, was sie damit produzierte, ein Zischeln, Bibbern, Luft Ein- und Aussaugen wurde als nächstes hörbar. Ihr weiß geschminktes Gesicht stand im krassen Gegensatz zum dunkelrot gefärbten Hals und Oberkörper. Das Erscheinungsbild und ihr stimmlicher Ausdruck vermittelten das Gefühl, dass sie in ein Wesen geschlüpft war, das wie ein verängstigtes, getriebenes Tier agierte. Weit entfernt noch von Sprache, weit entfernt noch von Gesang.

Gleichberechtigung von Stimme und Bewegung

Dabei hielt sie während der gesamten Performance eine ausgewogene Balance zwischen ihrer stimmlichen und tänzerischen Arbeit, in der der gesamte Bühnenraum von ihr erkundet wurde. Von tiefen, gutturalen Lauten bis hin zu hohen, klaren Tönen am Schluss durchackerte sie eine große Bandbreite an vokaler Produktion. Verblüffend war, dass es ihr bis zum Schluss gelang, mit ihrer Stimme Töne zu produzieren, die weder einer Sprache noch einem Gesang zuzuordnen waren. Anders als Jule Flierl, die auch bei der (8:tension) Reihe des ImpulsTanz Festivals eine Performance lieferte, in der ihre Stimme zu einem Mitprotagonisten ihrer Arbeit wurde, konzentrierte sich Landreau nicht auf ästhetisch-kunstvolle Lautäußerungen. Das bislang Unentdeckte, Unkultivierte, Animalische stand bei ihr im Vordergrund.

Katerina Andreou untersuchte in „A kind of fierce“ Autoritäres und Autonomes

Die griechisch-französische Choreografin Katerina Andreou widmete ihre Produktion „A kind of fierce“ der Untersuchung des Verhältnisses zwischen Autorität und autonomem Verhalten. Einer Autorität, die sie jedoch wie eine mahnende Stimme in sich selbst trägt, die getragen ist von der Tanzgeschichte und den damit verbundenen Tanzvorbildern. Demgegenüber steht die Suche nach einem autonomen Verhalten, das nur schwer in eigenen Bewegung zu entdecken und freizulegen ist. Somit beschäftigt sich Andreou in ihrer Arbeit mit jenem Dilemma, vor dem jede Tänzerin und jeder Tänzer steht, wenn eigene Ausdrucksformen gesucht werden sollen.

Katerina Andreou Katerina Andreou „A kind of fierce“ (c) Xavier Delabouret

Andreou fand dafür eine wunderbare Lösung. In einem furiosen, atemberaubenden Solo, das enorme Kondition verlangte, zeigte sie so mancherlei historische Tanzverweise, bis hin zum klassischen Ballett. Demgegenüber stand aber auch ein eigenes Bewegungsvokabular, das extrem ästhetisch wirkte und zugleich höchst amüsant über die Bühnenrampe kam. Die Leichtigkeit, mit der sie hüpfend über den Boden schwebte, sich der Schwerkraft förmlich entgegenstemmte, war einzigartig. Dabei erweckte sie den Eindruck, bei einigen Passagen einen gehörigen Abstand zu ihrer eigenen Choreografie zu haben. Sie schien sich selbst dabei zu beobachten, aber auch die Reaktionen des Publikums zu checken, während sie dabei jedoch in ihrem Tanzfluss blieb.

Ein feiner Humor würzt Andreous Choreografie

Dabei durfte eine große Prise Humor nicht fehlen: Ungeschicklichkeiten wurden in Form von Slapstick-Hoppalas präsentiert. Übertriebene Gesten wie jene, sich mit einer raschen Handbewegung in die langen Haare zu fahren, um diese im Wind flattern zu lassen, gehörten im Finale zum Wiederholungsrepertoire. Clowneske Bewegungen, Füße, die einwärts gedreht waren und so beim Laufen und Tanzen einen unsicheren Stand bescherten, sowie immer wieder abrupte Unterbrechungen takteten ihre Choreografie und ließen diese höchst abwechslungsreich erscheinen. Kaum war ein Muster vorgeführt, durchexerziert, war es auch schon wieder abgelegt.

Dennoch schaffte es Andreou, trotz aller Abwechslung, dass ihr Tanzfluss mit seinen ganz eigenen, sehr typischen Bewegungen im Gedächtnis haften blieb. Ganz unabhängig von dramaturgischen Einfällen. Eine Leistung, zu der man ihr gratulieren darf, da sie eine der Grundsäulen für eine selbstbestimmte Tanzkarriere darstellt.


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