Ende der 1970er Jahre, kurz bevor die Genetiker (vor allem Allan C. Wilson) mit ihrer "mitochondrialen Eva" und ihrem "Y-chromosomalen Adam" zu erkennen begannen, daß der "anatomisch moderne Mensch", also alle heute lebenden Menschen, ursprünglich aus Afrika stammen, ist diese so genannte "Out-of-Africa"-These von dem Hamburger Anthropologen Günter Bräuer nur schon allein aufgrund umfangreicher und sorgfältiger Untersuchungen an afrikanischen Schädelfunden und deren behutsamer, anthropologischer Beurteilung formuliert worden. Darüber berichtet Bräuer neuerlich in einer seiner jüngsten Veröffentlichungen, wobei er die damaligen Erkenntnisse in Bezug setzt zum heutigen wissenschaftlichen Kenntnis- und Diskussionsstand. (1, frei zugänglich)
Günter Bräuer (siehe Bild links) ist Schüler der Mainzer Anthropologin Ilse Schwidetzky und hatte aufgrund dessen eine solide anthropologische Ausbildung, die ihm auch erst das frühe und innovative Aufstellen der "Out-of-Africa"-These ermöglichte. (Siehe auch: idw)
Günter Bräuer formulierte als einer der ersten die "Out-of-Africa"-These
Die von Günter Bräuer erstmals aufgestellte "Out-of-Africa"-These ist inzwischen durch viele hunderte genetischer Studien bestätigt und erhärtet worden. Bräuer konnte sie aufstellen, weil er Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen afrikanischen und außerafrikanischen Schädelfunden (des späten afrikanischen Homo erectus, des frühen und späten archaischen Homo sapiens, des afrikanischen und eurasischen anatomisch modernen Homo sapiens der letzten Eiszeit, sowie des Neandertalers) miteinander verglich. Auch nachdem diese besser datiert hatten werden können als in früheren Jahrzehnten, wie er schreibt. (1)
Die Studien von Bräuer, auch die neueste (1), lesen sich immer sehr spannend. Denn es gibt wohl heute international nur wenige Anthropologen, die zu der Thematik der Menschwerdung in Afrika genauere Detailkenntnisse und ein umfangreicheres Überblickswissen aufweisen als Bräuer. Bräuer beschreibt auch in der genannten jüngsten Veröffentlichung (1) wieder sorgfältig, genau und aus Detailerkenntnis heraus die anatomischen, evolutiven Prozesse, die sich zwischen 600.000 und 60.000 Jahren vor heute in Afrika - parallel zum Entstehen und Aussterben des klassischen Neandertalers in Europa - abgespielt haben. Er beschreibt dabei den Prozess der Menschwerdung aus anatomischer Sicht als einen mosaik-artigen, fließenden Übergangsprozeß, der mehrere hunderttausend Jahre dauerte, nicht als einen abrupten Bruch. Er unterscheidet dabei insbesondere frühe archaische Homo sapiens und schon evolutiv weiterentwickelte späte archaische Homo sapiens, die dann um 200.000 Jahre vor heute den Übergang zum anatomisch modernen Jetztmenschen vollzogen.
Kein abrupter Bruch bei der Menschwerdung vor 200.000 Jahren erkennbar (aus anatomischer Sicht)
Zur innerafrikanischen, geographischen Variabilität der Schädelfunde des anatomisch moderenen Menschen hat sich Bräuer fast immer nur sehr zurückhaltend oder gar nicht geäußert. - Neben anderen Forschern ist diese Frage (siehe auch: Stud. gen. 1, 2, 3) nun eine Forschungsgruppe um den Wiener Anthropologen Gerhard W. Weber einmal auf's Neue angegangen (2). (Siehe auch idw, ORF, Pressetext, Uni Wien, G. Weber) Die Forschungsgruppe kommt zu dem Ergebnis, daß sowohl der Homo erectus als auch der Neandertaler einheitlichere anatomische Merkmale aufwiesen als schon der frühe anatomisch moderne Mensch, und daß schon der frühe Mensch in Afrika vor 200.000 Jahren eine ähnliche anatomische Variabilität (Vielfalt) aufwies, wie sie auch heute noch weltweit in den Menschenrassen wiederzufinden ist.
Das würde heißen, daß Menschsein immer schon gleichbedeutend war auch mit genetischer und anatomischer Gruppenvielfalt - und zwar als eine recht einzigartige Sache, nämlich im Gegensatz zum "Neandertaler-Sein" und auch im Gegensatz zum Sein des Homo erectus. Daß der Jetztmensch - auch schon der frühe afrikanische - größere anatomische Gruppenvielfalt aufweist als die Menschenaffen, dürfte zunächst auch einfach nur an der größeren geographischen Verbreitung schon allein innerhalb Afrikas liegen. Aber Neandertaler und Homo erectus wiesen ähnlich weite geographische Verbreitungsgebiete auf, eben ohne eine vergleichbare anatomische Gruppenvielfalt auszubilden. Vor 200.000 Jahren könnte also bei der Entstehung des Jetztmenschen und seines großen Gehirns sich auch psychisch etwas geändert haben, das in Richtung auf die Evolution unterschiedlicher Menschenrassen hinwirkte. Dafür gibt es ja auch aus vielen anderen Forschungsbereichen inzwischen viele Hinweise, die diese Erkenntnis bestätigen und bekräftigen.
Jedenfalls: Was Günter Bräuer zu solchen neuen Studien - aus seinem Kenntnisstand heraus - zu sagen hat, würde einen schon interessieren.
1. Bräuer, G. (2008). The origin of modern anatomy: By speciation or intraspecific evolution? Evolutionary Anthropology: Issues, News, and Reviews, 17 (1), 22-37 DOI: 10.1002/evan.20157
2. Gunz, P., Bookstein, F., Mitteroecker, P., Stadlmayr, A., Seidler, H., & Weber, G. (2009). Early modern human diversity suggests subdivided population structure and a complex out-of-Africa scenario Proceedings of the National Academy of Sciences, 106 (15), 6094-6098 DOI: 10.1073/pnas.0808160106
Günter Bräuer (siehe Bild links) ist Schüler der Mainzer Anthropologin Ilse Schwidetzky und hatte aufgrund dessen eine solide anthropologische Ausbildung, die ihm auch erst das frühe und innovative Aufstellen der "Out-of-Africa"-These ermöglichte. (Siehe auch: idw)
Günter Bräuer formulierte als einer der ersten die "Out-of-Africa"-These
Die von Günter Bräuer erstmals aufgestellte "Out-of-Africa"-These ist inzwischen durch viele hunderte genetischer Studien bestätigt und erhärtet worden. Bräuer konnte sie aufstellen, weil er Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen afrikanischen und außerafrikanischen Schädelfunden (des späten afrikanischen Homo erectus, des frühen und späten archaischen Homo sapiens, des afrikanischen und eurasischen anatomisch modernen Homo sapiens der letzten Eiszeit, sowie des Neandertalers) miteinander verglich. Auch nachdem diese besser datiert hatten werden können als in früheren Jahrzehnten, wie er schreibt. (1)
Die Studien von Bräuer, auch die neueste (1), lesen sich immer sehr spannend. Denn es gibt wohl heute international nur wenige Anthropologen, die zu der Thematik der Menschwerdung in Afrika genauere Detailkenntnisse und ein umfangreicheres Überblickswissen aufweisen als Bräuer. Bräuer beschreibt auch in der genannten jüngsten Veröffentlichung (1) wieder sorgfältig, genau und aus Detailerkenntnis heraus die anatomischen, evolutiven Prozesse, die sich zwischen 600.000 und 60.000 Jahren vor heute in Afrika - parallel zum Entstehen und Aussterben des klassischen Neandertalers in Europa - abgespielt haben. Er beschreibt dabei den Prozess der Menschwerdung aus anatomischer Sicht als einen mosaik-artigen, fließenden Übergangsprozeß, der mehrere hunderttausend Jahre dauerte, nicht als einen abrupten Bruch. Er unterscheidet dabei insbesondere frühe archaische Homo sapiens und schon evolutiv weiterentwickelte späte archaische Homo sapiens, die dann um 200.000 Jahre vor heute den Übergang zum anatomisch modernen Jetztmenschen vollzogen.
Kein abrupter Bruch bei der Menschwerdung vor 200.000 Jahren erkennbar (aus anatomischer Sicht)
Zur innerafrikanischen, geographischen Variabilität der Schädelfunde des anatomisch moderenen Menschen hat sich Bräuer fast immer nur sehr zurückhaltend oder gar nicht geäußert. - Neben anderen Forschern ist diese Frage (siehe auch: Stud. gen. 1, 2, 3) nun eine Forschungsgruppe um den Wiener Anthropologen Gerhard W. Weber einmal auf's Neue angegangen (2). (Siehe auch idw, ORF, Pressetext, Uni Wien, G. Weber) Die Forschungsgruppe kommt zu dem Ergebnis, daß sowohl der Homo erectus als auch der Neandertaler einheitlichere anatomische Merkmale aufwiesen als schon der frühe anatomisch moderne Mensch, und daß schon der frühe Mensch in Afrika vor 200.000 Jahren eine ähnliche anatomische Variabilität (Vielfalt) aufwies, wie sie auch heute noch weltweit in den Menschenrassen wiederzufinden ist.
Das würde heißen, daß Menschsein immer schon gleichbedeutend war auch mit genetischer und anatomischer Gruppenvielfalt - und zwar als eine recht einzigartige Sache, nämlich im Gegensatz zum "Neandertaler-Sein" und auch im Gegensatz zum Sein des Homo erectus. Daß der Jetztmensch - auch schon der frühe afrikanische - größere anatomische Gruppenvielfalt aufweist als die Menschenaffen, dürfte zunächst auch einfach nur an der größeren geographischen Verbreitung schon allein innerhalb Afrikas liegen. Aber Neandertaler und Homo erectus wiesen ähnlich weite geographische Verbreitungsgebiete auf, eben ohne eine vergleichbare anatomische Gruppenvielfalt auszubilden. Vor 200.000 Jahren könnte also bei der Entstehung des Jetztmenschen und seines großen Gehirns sich auch psychisch etwas geändert haben, das in Richtung auf die Evolution unterschiedlicher Menschenrassen hinwirkte. Dafür gibt es ja auch aus vielen anderen Forschungsbereichen inzwischen viele Hinweise, die diese Erkenntnis bestätigen und bekräftigen.
Jedenfalls: Was Günter Bräuer zu solchen neuen Studien - aus seinem Kenntnisstand heraus - zu sagen hat, würde einen schon interessieren.
1. Bräuer, G. (2008). The origin of modern anatomy: By speciation or intraspecific evolution? Evolutionary Anthropology: Issues, News, and Reviews, 17 (1), 22-37 DOI: 10.1002/evan.20157
2. Gunz, P., Bookstein, F., Mitteroecker, P., Stadlmayr, A., Seidler, H., & Weber, G. (2009). Early modern human diversity suggests subdivided population structure and a complex out-of-Africa scenario Proceedings of the National Academy of Sciences, 106 (15), 6094-6098 DOI: 10.1073/pnas.0808160106