Every Thing Will Be Fine

Alles ist gut“, verspricht Schriftsteller Tomas (James Franco) zu Beginn. Wenn Filmfiguren das sagen, kommt es meistens erst recht schlimm. So auch bei Wim Wenders. Aber der Kinoveteran setzt mit seiner Erzählung von seelischer Verwundung und deren langwierigen Heilungsprozesses nicht das erhoffte Glanzlicht im Berlinale Wettbewerb.

So groß der Andrang vor dem Saal war, so beachtlich ist die Zahl der Rausgeher. Dass liegt wohl auch daran, dass Every Thing Will Be Fine eine von mehreren Enttäuschungen ist, wie schon Werner Herzogs Queen of the Desert und Terrence Malicks Knight of Cups. Außerdem hat man für dieses Jahr langsam genug von gestylten Aufnahmen von erfolgreichen, gutaussehenden, reichen, aber schwer an ihrer Sinnsuche tragenden Männern, von elegischen Bildern und von James Franco. Ihm begegnet man in drei Festival-Filmen, die ihn jeder mit seiner Rolle überfordern. So auch Wenders 3D-Drama, dessen schwermütige Kamera an dem ausdrucksärmsten der Darsteller hängt.

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Nach seinem oscarnominierten Dokumentarfilm Pina dreht der Regisseur erneut in 3D. Anders als in der Hommage an Choreographin Pina Bausch profitiert das leise Drama nicht davon. Im Gegenteil tragen schwülstige Bilder von goldenen Kornfeldern und schimmernden Seen so noch stärker auf. Räumliche Tiefe ist eben kein Ersatz für psychologische Tiefe. Daran fehlt es nicht nur der Charakterisierung, sondern scheinbar dem Protagonisten selbst. In seinen Taten und Worten bleibt Tomas gänzlich ich-fixiert. Dass er nach über zehn Jahren zugibt, sich gegenüber besorgten Mitmenschen wie seiner damaligen Freundin Sara (Rachel McAdams) schlecht verhalten zu haben, macht seine Egozentrik nicht sympathischer.

Eine persönliche Wandlung resultiert aus seiner Erkenntnis nicht. Ein appellativer Selbstmordversuch und der Weltschmerz, in den sich der anfangs erfolglose Schriftsteller hineinsteigert, wirken wie Mittel zum Zweck. Was das für einer ist, benennt Tomas’ Verleger (Peter Stormare): „Das paradoxe an deiner Arbeit ist, dass alles auf die ein oder andere Weise eines Tages zu einer Art Ressource werden kann.“ Tomas schöpft voll aus seiner Ressource, die der Unfalltod eines kleinen Jungen ist. Während die Mutter des Opfers (Charlotte Gainsborough) an ihrer authentischen Trauer einknickt, zieht sich Tomas an seiner falschen Reue empor.

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Mit dem literarischen Erfolg kommt das private Glück mit der jungen Mutter Ann (Marie-Josee Croze). Jetzt hat er, der lieber schreiben als eigene Kinder will, alles auf einmal: ein Familienleben, ohne die Verantwortung eines Vaters und Erfolg als künstlerisch anerkannter Bestsellerautor. In seinen unglaubwürdigen Schuldgefühlen ergeht er sich bis zuletzt, obwohl von vornherein klargestellt wird, dass er das nicht braucht. „Geben Sie sich keine Schuld“, beruhigt ihn ein Polizist nach dem Unglück. Das tut der einsilbige Protagonist auch nicht. Sein grüblerisches Starren in die Ferne scheint lediglich die Maske des tragischen Künstlers.

Glaubhaften Schmerz spürt man bei der emotional ausgebeuteten Sara, der Mutter des Jungen und dessen älteren Bruder Christopher (Robert Naylor). Er sucht Tomas Jahre später als Jugendlicher auf, um über das Geschehen zu sprechen. Die eigentliche Trauerarbeit erfolgt dann aber auf ziemlich alberne Weise, was die Handlung zusammen mit der ins Plakative kippenden Symbolik zusätzlich runter zieht. So bleibt zu Wenders nur ein Fazit, wie es Tomas’ Vater gegenüber seinem Sohn äußert: „Alles, was du mir lieferst, sind Plattitüden.

Regie: Wim Wenders, Drehbuch: Bjørn Olaf Johannessen
Darsteller: James Franco, Rachel McAdams, Charlotte Gainsbourg, Peter Stormare
Filmlänge: 118 Minuten, gezeigt im Rahmen der Berlinale 2015


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