Es gibt Meldungen, über die man angesichts diverser Unzulänglichkeiten im eigenen und anderen EU-Ländern nur den Kopf schütteln kann. Das EU-Parlament hat mit großer Mehrheit die wachsende Willkür der Rechtsorgane in Russland mittels einer Resolution gerügt. Darunter fielen auch der Umgang mit Journalisten und Nichtregierungsorganisationen (NGOs). Natürlich können - wenn überhaupt - nur wenige Menschen Behauptungen widerlegen, die uns von deutschen und internationalen Medien präsentiert werden. Schauen wir uns also an, was “unsere Demokraten” im EU-Parlament verurteilt haben.
Die Tagesschau schreibt u.a.:
EU-Parlament übt scharfe Kritik an Russland
[..]Der liberale Abgeordnete Alexander Graf Lambsdorff erklärte in der Debatte, angesichts zahlreicher Menschenrechtsverletzungen könne es “im Moment keine Wertegemeinschaft mit Russland geben”. ARD
Über diese Selbstherrlichkeit könnte ich mich stundenlang aufregen. Deutschland und Österreich wurden schon zigmal wegen Menschenrechtsverletzungen verurteilt. In anderen EU-Ländern wird es vermutlich nicht besser aussehen. Des weiteren denke ich in diesem Zusammenhang an Gender Mainstreaming, der im Amsterdamer Vertrag als neue politische Strategie verbindlich für alle europäischen Mitgliedsländer festgelegt wurde. Gender Mainstreaming gilt als Instrument zur Durchsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in Gewerkschaften, Kirchen, in Parteien und Regierungen und ist demnach kein Gesetz, wird aber wie ein solches eingesetzt.
Weiter schreibt die ARD:
Die Abgeordneten erklärten dazu, Demokratie, Menschenrechte und Meinungsfreiheit müssten Kernpunkte aller künftigen Übereinkommen sein. Auch müsse es “einen eindeutigen Mechanismus” geben, um die Bestimmungen des Abkommens zu überwachen.
In Deutschland ist es noch nicht einmal möglich, Jugendämter zu kontrollieren und da wollen EU-Abgeordnete Russland kontrollieren?
Ferner kritisierten die Abgeordneten, dass seit In-Kraft-Treten des neuen russischen Gesetzes über Nichtregierungsorganisationen mehr als 90 nichtstaatliche Gruppen ihre Arbeit einstellen mussten. Ungenauigkeiten in dem Gesetz dürften nicht als “Vorwand genutzt werden, um die kritischen Stimmen der Zivilgesellschaft zu unterbinden”, heißt es in der Parlamentsresolution.
Da viele NGOs mittlerweile eine Plage darstellen, kann ich durchaus verstehen, das Russland dem einen Riegel vorgeschoben hat. Die TAZ hat dazu natürlich auch ihren Senf abgegeben:
EU verurteilt Willkür
[..]In politischen Kreisen Russlands löste die Resolution einen Schock aus. Der Vizevorsitzende des Auswärtigen Ausschusses der Duma, Andrej Klimow, sprach von “einer rätselhaften Resolution, die Befremden auslöst”.
Ob die EU-Resolution in Russland einen Schock auslöste, wage ich zu bezweifeln. Das “Befremden” kann ich mir allerdings gut vorstellen. Russische Politiker sind garantiert mindestens genauso intelligent wie EU-Parlamentarier und werden deshalb wissen, das EU-Länder ebenfalls Dreck am Stecken haben.
Der deutsche Grünenabgeordnete Werner Schulz formulierte es noch schärfer: Der “russische Rechtsstaat ist im Gulaggeblieben”, sagte er in Anspielung auf das sowjetische Strafsystem unter Diktator Josif Stalin. Die gelenkte Demokratie gehe in Hand mit einer gelenkten Justiz. TAZ
Genau… und die deutsche Justiz ist im Nazisumpf stecken geblieben. Fehlurteile gibt es bei uns nicht und obwohl Bundesrichter von Parteien gewählt werden, wird die deutsche Justiz selbstverständlich nicht gelenkt. Staatsanwälte unterstehen nicht den jeweiligen Landesjustizministerien, selbstverständlich gibt es eine Gewaltenteilung und Richter sind bei uns unabhängig. Da fällt mir nur eines zu ein: wollen sie uns verscheissern, Herr Schulz?
Im Buch von Rolf Bossi “Halbgötter in Schwarz” ist das Wesen der deutschen Justiz trefflich beschrieben (Seite 235):
So schickte das Landgericht Lübeck am 23. Dezember 1946 einen Journalisten für fünf Monate ins Gefängnis. Am 29. Dezember 1943 war dieser von einem Militärgericht in Stralsund zum Tode verurteilt worden. Doch nach der Verhandlung hatte er einen Polizeibeamten niedergeschlagen und war geflüchtet. Fast eineinhalb Jahre hatte er untertauchen können. Als er nach dem Krieg meinte, seine Verfolgung sei beendet, wurde er in Lübeck verhaftet und wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt und versuchten Totschlags angeklagt. [Das ursprüngliche Todesurteil spielte keine Rolle mehr. Der Mann wurde auch nicht mehr wegen der zugrunde liegenden Straftat belangt.] Den angeblichen Vorsatz, der Mann habe damals den Beamten töten wollen, leitete das Landgericht Lübeck aus der Tatsache ab, dass er ein scharfer Gegner des Nationalsozialismus gewesen sei! Das Oberlandesgericht Kiel bestätigte den Beschluss am 26. März 1947 mit der ungeheuerlichen Begründung, die “Amtstätigkeit eines Vollzugsbeamten” sei “bei pflichtgemäßer Vollstreckung immer rechtmäßig. Deshalb muss ein Verurteilter die Vollstreckung des Urteils dulden, wenn die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.” Der Journalist wanderte für fünf Monate hinter holsteinische Gefängnismauern, weil er sich vom NS-Staat nicht hatte hinrichten lassen wollen!
Nun ist obiges zwar schon einige Zeit her, aber wer glaubt, heute sehe es besser aus, der irrt. Der einzige Unterschied besteht lediglich darin, das es in Deutschland die Todesstrafe nicht mehr gibt - in der hessischen Verfassung ist diese im übrigen noch implementiert. Die EU wiederum hat diese in ihrem Vertrag ebenfalls stehen. Nach heftigen Protesten wurde diese zwar “abgemildert”, aber der finale Todesschuss ist erlaubt, weshalb Italien genau wegen so einem Delikt vor ein paar Tagen vom Menschenrechtsgerichtshof freigesprochen wurde.
Tödlicher Schuss auf Demonstrant bei G-8-Gipfel war nicht menschenrechtswidrig
Straßburg - Der Tod eines Demonstranten beim Weltwirtschaftsgipfel in Genua im Jahr 2001 hat keine juristischen Folgen für Italien. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied am Donnerstag rechtskräftig, dass die tödlichen Schüsse eines Carabinieri auf den Demonstranten Carlo Giuliani nicht menschenrechtswidrig waren. Die Straßburger Richter verneinten einen Verstoß gegen das Recht auf Leben. Das Urteil der Großen Kammer erging mit 13 zu vier Stimmen. SZ
Um das zu verstehen, muss man den Artikel 2 der Grundrechtecharta kennen (2):
Niemand darf zur Todesstrafe verurteilt oder hingerichtet werden.
Das Problem liegt im “Kleingedruckten”, in den sogenannten Erläuterungen zur Grundrechtecharta.* Da steht:
“Eine Tötung wird nicht als Verletzung des Artikels betrachtet,” wenn es erforderlich ist, “einen Aufruhr oder Aufstand rechtmäßig niederzuschlagen”. Quelle
Wenn ich Putin wäre, würde ich mich über die EU schlapp lachen. Aber schauen wir noch einmal kurz zurück nach Deutschland. Hier werden z.B. Beweise einfach nicht zugelassen oder verschwinden, deswegen gehen auch hier des öfteren Menschen - hauptsächlich Männer - ins Gefängnis.
Soviel zur Unabhängigkeit der (deutschen) Justiz. Was sagte nochmal der grüne EU-Abgeordnete Werner Schulz, den ich im übrigen ob seiner Selbstherrlichkeit absolut nicht ausstehen kann:
Die gelenkte Demokratie gehe in Hand mit einer gelenkten Justiz.
Recht hat er, der Werner. Nach zwei gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden konnte die EU-Verfassung nicht in Kraft treten. Stattdessen stimmten europäische Staats- und Regierungschefs über den Vertrag von Lissabon ab. Aber selbst diesen wollten die Iren nicht akzeptieren. Nur nach etlichen finanziellen Zugeständnissen ergab sich ein JA zum EU-Vertrag.
Wie nennt man so eine Vorgehensweise, Herr Schulz? Richtig… gelenkte Demokratie. Ich nenne unsere Staatsform im übrigen schon seit langem Demokratur.
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