Als im Frühjahr 2011 die Menschen in Tunesien und Ägypten ihre Regierungen stürzten, blickte die Welt erneut auch auf Iran: In Folge der umstrittenen Präsidentschaftswahl am 12. Juni 2009 hatte es dort Massendemonstrationen gegen das Regime gegeben. Doch der Protest wurde blutig unterdrückt. Die Chancen auf eine Neubelebung sind gering, meint der Nahost-Experte Rudolph Chimelli.
Iran war immer anders. Als Ajatollah Chomeini vor 32 Jahren – gestützt auf eine gewaltige Volksbewegung – die Islamische Republik Iran gründete, machten sich viele seiner Jünger zumindest am Anfang Hoffnungen, ihre Revolution werde sich auf die benachbarten arabischen Länder ausbreiten. Die Revolution in Iran sollte für die weitere islamische Welt zum Vorbild werden. Diese Erwartungen schienen nicht unbegründet: Die arabischen Despoten waren bei ihren Völkern genauso verhasst wie der Schah in Iran. Die soziale Ungerechtigkeit war hier und dort gleich drückend. Und der politische Islam als Idee hatte seinen Ursprung bei den Muslim-Brüdern im arabischen Ägypten.
Doch aus all dem wurde nichts. Kein arabisches Volk folgte damals oder später dem Vorbild der Iraner. Für die sunnitische Mehrheit der Araber konnte die schiitische Staatsdoktrin Irans von der Herrschaft des führenden Gottesgelehrten grundsätzlich nicht attraktiv werden. Bei den Sunniten gibt es nicht jene Hierarchie der Berufs-Kleriker, die sich in Iran zur Herrschaftsschicht aufschwangen.
Der Arabische Frühling schwappte nicht über
Umgekehrt waren Anfang des Jahres 2011 viele – vor allem im Westen – davon überrascht, dass der Arabische Frühling nicht auf das iranische Hochland übergriff. Die erwartete Neubelebung der grünen Protestwelle, die sich im Sommer des Jahres 2009 gegen die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinedschad erhoben hatte, blieb weitgehend aus.
Dabei hat Iran mehr noch als Tunesien, Ägypten oder eine Reihe anderer arabischer Länder eine gut ausgebildete junge Generation, der die beruflichen Perspektiven fehlen. Irans Präsident Ahmadinedschad verspricht für das laufende Jahr 2,5 Millionen neue Arbeitsplätze, aber seine Kritiker innerhalb des Apparats rechnen ihm vor, dass es höchstens 600.000 werden können. Die Preise laufen den Einkommen davon, und Millionen leben immer noch in Armut. Zugleich genießt auch hier eine reiche Oberschicht einen Wohlstand, der sie von den Problemen der Mehrheit immer weiter entfremdet. Daneben erkauft sich ein breiter Mittelstand durch Abstinenz von der Politik gewisse Freiräume, so wie das auch die Bourgeoisie unter Hosni Mubarak in Ägypten oder Zine el Abidine Ben Ali in Tunesien konnte.
An potentiellen Gründen für ein iranisches Frühlingserwachen fehlte es somit nicht. Ungezählte Iraner, wahrscheinlich die Mehrheit, haben genug von ideologischer Gängelung, von kleinlichen Schikanen durch Kleidervorschriften, von Korruption, von der selbstherrlichen Unfähigkeit der Bürokratie und der eigenen politisch-kulturellen Isolation vom Ausland. Die Anhänger der Protestbewegung gegen Ahmadinedschad wollten auf sehr verschiedene Weise eine Wende. Über den Protest gegen die umstrittene Wiederwahl hinaus forderten sie politische Partizipation und Bürgerrechte; sie wollten andere Leute an der Spitze des Staates, und sie wollten ein Ende von Brutalität und Unterdrückung. Sie wünschen sich all dies immer noch. Aber kaum jemand träumt von einer neuen Revolution, und nur wenige sind derzeit bereit, dafür ihr Leben zu riskieren.
Die Iraner haben schon eine Revolution erlebt
Denn die Iraner haben den arabischen Rebellen eine Erfahrung voraus. Sie haben durch die Revolution von 1979, die mit so großen Hoffnungen begonnen hatte, die Illusion verloren, dass sich durch einen Umsturz etwas bessern lässt. Außerdem wählten die Iraner in den Jahren 1997 und 2001 den Reformer Mohammed Chatami zum Präsidenten. Doch die Reformansätze verebbten, Chatami brachte nicht den erhofften Wandel und viele seiner Anhänger wandten sich enttäuscht ab. Dass die Grüne Welle des Jahres 2009 an der skrupellosen Unterdrückung durch das Regime scheiterte, besiegelte diese historischen Erfahrungen. Bei ihren späteren Protesten brachte die Grüne Bewegung gegen die Übermacht der Staatsgewalt nicht mehr Millionen auf die Beine, sondern nur noch Zehntausende, zuletzt bloß noch einige Tausend. Ihre Führer Hossein Mussawi und Mehdi Karroubi leben seit Monaten in erzwungener Isolierung von ihrer Gefolgschaft.
Im Sommer 2009 konnte das iranische Revolutionsregime die Grüne Bewegung unterdrücken. Einer der Gründe dafür ist, dass es sich auf breite Schichten von Begünstigten stützen kann. Durch die Vergabe von Posten, Arbeitsstellen, Wohnungen, Schulplätzen, Stipendien, Sozialhilfen und anderer kleiner Privilegien haben die Regierung und die Geistlichkeit Abhängigkeiten geschaffen. Schätzungsweise ein Viertel der Iraner kann aus solchen materiellen Gründen kein Interesse am Sturz des Systems haben. Einst hatte Revolutionsführer Chomeini gegenüber Unzufriedenen gegrollt, er habe die Revolution nicht gemacht, damit die Wassermelonen billiger würden. Aber da auf die Dauer das Fußvolk jeder Revolution ein besseres und reicheres Leben erwartet, dachte sich Ahmadinedschad etwas anderes aus.
Bevor er im Jahr 2005 zum ersten Mal zum Präsidenten gewählt wurde, versprach er, unter seiner Herrschaft werde das Erdölgeld statt in die Taschen korrupter Ausbeuter auf die Speiseteller der Armen geleitet werden. Lange Zeit verwirklichte der Staatschef diese Verheißung mittels immer höherer staatlicher Hilfen für Grundnahrungsmittel, Benzin und wichtige Versorgungsgüter, die deren Preise absurd billig hielten. Subventionen prägen schon lange Irans Wirtschaft, und auch unter Ahmadinedschad fehlt eine nachhaltige Wirtschaftspolitik. Auf seinen ungezählten Reisen in die Provinz verteilt Präsident Ahmadinedschad Geld mit vollen Händen. Den Staatsschatz plündert er mit ungesetzlichen Mitteln: Soeben erst warfen ihm Gegner im Parlament vor, dass er an neun Millionen Stimmbürger zusätzlich einen Bonus in bar zahlte, um seine Wiederwahl im vorletzten Jahr zu sichern. Das Parlament wird die Vorwürfe untersuchen.
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