Dass das Leben kein Ponyhof ist, ist mittlerweile eine weit bekannte Tatsache. Aber dass Menschen sich nicht einmal ein bisschen Mühe geben können, wenn es darum geht, jemanden zu beleidigen, finde ich schon sehr enttäuschend. Schon schlimm genug, wie unkreativ Komplimente häufig sind, aber da kann man sich ja wenigstens noch über die nette Absicht freuen. Während man bei langweiligen Beleidigungen sich nicht einmal sagen kann, dass es ja gut gemeint war. Da kann man nur gähnen und sich wieder wichtigen Dingen zuwenden.
Im Grunde sind sich Komplimente und Beleidigungen gar nicht mal so unähnlich. Beide beruhen nämlich auf dem gleichen Erfolgs- bzw. Misserfolgsprinzip. Es geht darum, dass man persönlich auf sein Zielobjekt eingeht, anstatt nur aufgeschnappte Floskeln zu reproduzieren. So ist es genauso unkreativ und langweilig, jemandem zu sagen „Du hast wunderschöne Augen“, wie es langweilig und unkreativ ist, jemanden als „Fotz*“ zu bezeichnen. Gääähn!
Ist doch doof, wenn man das Gefühl hat, gar nicht wirklich gemeint zu sein. Ernsthaft, ich kenne überhaupt niemanden mit hässlichen Augen und was das andere angeht, darüber verfügen über die Hälfte der Weltbevölkerung, was ist denn daran beleidigend? Da sagt man dann „Jupp, hab ich. Und?“ – Fertig ist die Laube. Wenn, dann ist das höchstens enttäuschend, weil sich der Beleidiger noch nicht einmal die Mühe gemacht hat, ein bisschen aufmerksamer hinzusehen und da hinzupieken, wo es den anderen juckt.
Das ist es nämlich, worum es geht. Für erfolgreiche Komplimente und wirkungsvolle Beleidigungen muss man aufmerksam sein. Den anderen zu pieken, wo es ihn juckt, ist nur ein Aspekt. Hinzu kommt noch die Gesamtsituation. Wenn nämlich kein Boden für Komplimente oder Beleidigungen vorhanden ist, kann man sich noch so Mühe geben, das verpufft dann alles einfach.
Ein sehr schönes Beispiel ist mir mal vor vielen Jahren widerfahren. Es war vier Uhr morgens, mein Handy klingelt. Ich gehe ran und werde eine halbe Stunde lang mit wüsten Schimpftiraden bedacht, die mit den Worten schließen: „Weißt du was du bist? Eine Schlampe im nichtsexuellen Sinne!“
Das war eigentlich nicht schlecht. Das war schon ein netter Versuch, immerhin originell. Aber die Gesamtsituation war so absurd, dass diese schöne Gemeinheit einfach ins Nichts lief. Schade eigentlich. Gut, es war auch etwas unklug, weil es gezeigt hat, dass mich der Beleidiger gar nicht wirklich kannte. Sonst hätte er gewusst, dass ich gegen diese Art von Beleidigungen schlichtweg immun bin. Ganz einfach, weil es nicht stimmt.
Beleidigungen und Komplimente müssen nämlich nicht nur persönlich, sondern auch ehrlich gemeint sein, um zu funktionieren. Wenn man jemanden, der schlank ist und sich überhaupt keine Gedanken um sein Gewicht macht, als „fette Qualle“ bezeichnet, wird der einen schlimmstenfalls ratlos angucken und bestenfalls in Lachen ausbrechen. Genauso, wie wenn man jemanden, der sich ganz offensichtlich nicht groß um sein Aussehen schert, als „hässlich“ bezeichnet. Das ist dem doch völlig egal.
Jeder kennt doch das Klischee, dass schöne Frauen hören wollen, sie wären klug und kluge Frauen hören wollen, sie wären schön. Das ist selbstverständlich Unsinn. Wenn ich mal ganz unverfroren aus dem Nähkästchen plaudern und ein paar weibliche Geheimnisse ausplappern darf, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass – egal wie klug und hübsch – es jede Frau gerne hört, dass sie sowohl klug, als auch hübsch ist. Ganz einfach. Von wegen, Frauen wären kompliziert.
Nichtsdestotrotz ist es dabei ratsam, nicht einfach ganz platt zu sagen: „Boah, du bist so klug und so schön!“, sondern das schon so etwas subtiler unterzuschummeln. Immer schön auf die Situation und die entsprechende Person bezogen. So präzise wie möglich. Dann wird da ein Schuh draus. Aber es muss auch so gemeint sein, das merkt man nämlich, wenn das nur Geschleime als Mittel zum Sex Zweck ist.
Eine sehr gelungene Beleidigung, wegen welcher ich immer noch etwas rest-eingeschnappt bin, ist mir vor ein paar Wochen zugedacht worden. „Du bist unzuverlässig im Organisieren.“ musste ich mir sagen lassen. Das war ziemlich perfide und hat seine Wirkung nicht verfehlt, denn in der Tat wurmt es mich, wenn ich etwas organisiert habe und irgendwas nicht so läuft wie geplant. Wenn man es dann alleine mir zum Vorwurf macht, hat man eine perfekte Beleidigung, die mich garantiert trifft. Bei „F*tze“ oder „Schlampe“ gehe ich runter in den Keller und lache mich kaputt.