Es wird viel zu wenig gestreikt!

Natürlich nervt es mich, wenn ich nicht mit der Bahn von A nach B komme – insbesondere, weil ich kein Auto habe, dass ich aus der Garage holen kann. Genau so wird der aktuelle Streik der GDL von unseren Qualitätsmedien ja auch skandalisiert: Der Egomane Claus Weselsky trage seinen “Bahnsinn” auf dem Rücken der einfachen Leute aus, die sich weder ein Auto und schon gar keinen Privatjet leisten können. Was aber die eher wirtschaftlich orientierten Fachmedien nicht davon abhält, mal eben zu addieren, wieviel Milliarden Schaden für den Standort Deutschland (und das sind in erster Linie die Konzernchefs) wegen des tagelangen Stillstands der Bahn zusammen kommen.

Man könnte die Rechnung natürlich auch an Bahnchef Rüdiger Grube und Konsorten schicken – warum machen die den GDL-Leuten nicht einfach ein annehmbares Angebot? Aber so wird kein Handelsblatt, kein manager magazin und keine Wirtschaftswoche die Sache sehen wollen. Und eine BILD interessanterweise auch nicht.

Objektive Medien, die Menschen informieren wollen, damit sich die Leute dann einen eigenen Reim auf die Dinge im Lande machen könnten, würden auch mal daran erinnern, dass Streik so ziemlich das einzige Mittel von Arbeitnehmern ist, gegen die Zumutungen einer Welt von Lohnarbeit und maximaler Profitorientierung zu protestieren. Streik ist die einzige Waffe im Kampf gegen Ausbeutung und Arbeitgeber – und wie sich jetzt zeigt, sogar eine ziemlich schlagkräftige. Nur dass die vom Streik ebenfalls Betroffenen sich nicht mit den Streikenden solidarisieren, sondern sich über sie ärgern.

Wobei ich mich auch ärgere: Warum streikt die GDL für ein paar lächerliche Prozent mehr Lohn und nicht für die Überführung der Deutschen Bahn in einen volkseigenen Betrieb? Die Bahn wäre bestimmt toll als Genossenschaft in Arbeiterhand – dann kann man die ganzen Kostendrück-Manager, die ein Schweinegeld damit verdienen, arbeitenden Menschen ihre Lebensgrundlage wegzurationalisieren, rauswerfen, angenehmere Arbeitsbedingungen schaffen und gleichzeitig noch für sozial verträgliche Fahrpreise sorgen. Das wäre mal eine inspirierende Ansage!

Das gilt natürlich auch für alle möglichen anderen Konzerne – die armen Amazon-Arbeiter streiken dafür, wenigstens einen Mindestlohn für ihren Knochenjob zu bekommen. Wie erbärmlich ist das denn?! Kostenlose Amazon-Gutscheine für alle auf das komplette Sortiment wäre ja wohl eine nachvollziehbare Mindestforderung. Ehrlich gesagt, ist es mir herzlich egal, ob Amazon mit seiner 24-Stunden-Ordermöglichkeit per Internet die ganzen Spezial-Geschäfte in den Innenstädten der Metropolen ruiniert – ich konnte mir eh nie leisten, zur Edelboutique oder zum HiFi-Laden zu gehen, wo es das teure Edelequipment für den Freak gibt. Was mir natürlich einleuchtet, ist, dass mit den Läden auch die Arbeitsplätze verschwinden – die es nun zwar bei Amazon auch gibt, aber zu bedeutend schlechteren Bedingungen.

Und das genau ist der Punkt: Während die Leute damit beschäftigt sind, dafür zu kämpfen, dass sie nicht ganz so dolle ausgebeutet werden, wäre doch viel besser, dafür zu kämpfen, dass diese ganze Ausbeutung nicht mehr statt finden muss. Irgendwo las ich die Tage über das Stockholm-Syndrom der Lohnarbeiter, die sich eher mit ihrem Entführer, äh, Arbeitgeber identifizieren, als mit ihresgleichen, die um ihre Rechte kämpfen. Das trifft es ganz gut. Man sollte sich nicht mit den Leuten identifizieren, die einen ausbeuten, sondern mit denen, die sich nicht (mehr ganz so sehr) ausbeuten lassen wollen.

Denkt immer dran: Die Kohle, die dein Chef verdient, ist die, die er dir vorenthält. Es wird viel zu wenig gestreikt in Deutschland.



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