Theater „Viel Lärm um nichts“
Am 4. Dezember feierte die Groteske des österreichischen Autors Artur Schnitzler unter der Regie von Andreas Seyferth in der Pasinger Fabrik Premiere. Das Stück aus dem Jahr 1899 spielt in Paris, am Abend des 14. Juli 1789. Natürlich weiß jeder, dass dieser Abend – mit dem Sturm auf die Bastille – als Geburtsstunde der Französischen Revolution gelten sollte. Von den Unruhen auf der Straße ist in der Kneipe der gescheiterten Theaterdirektorin Madame Prospère einiges zu spüren. Nachdem ihr Theater pleite ging, eröffnete sie das Lokal „Der Grüne Kakadu“, in dem die reichen Gäste sich unter dem Gesindel von Paris herumtreiben können. Diese Gauner sind in Wirklichkeit Schauspieler aus Prospères Truppe, die die verhassten Adeligen unterhalten. Doch im Wirren der herannahenden Revolution vermischen sich Schein und Realität immer mehr. In der Pasinger Inszenierung wurden auch noch andere Texte der Revolution eingefügt, meist rezitiert von der „Schauspielschülerin“ Juliette.
Die an sich schon in der Vorlage grotesken Figuren sind in Seyferths Inszenierung kunstvoll ins Extremste überzeichnet. Es treffen die schrägsten Charaktere aufeinader: auf der einen Seite das gemeine Volk, das in moderner, jedoch meist heruntergekommener Kleidung auftritt; auf der anderen die adeligen Gäste, die mit glitzernden Kostümen des 18. Jahrhunderts, Puderperücken und Schönheitsfleck aufwarten. Herrlich ist etwa der tuntige Marquis von Nogeant, der sich in den jungen Chevalier Albain verguckt und immer wieder bei Prospères Beschimpfungen beteuert, es sei alles nur Spaß. Richtig Mitleid bekommt man mit dem Ex-Häftling Grain, der bei den Profis mitmachen will, jedoch nach diversen Schauspielversuchen wieder zum Akkordeonspielen verdonnert wird. Alle agieren in einer angedeuteten Kneipe, die völlig in roten Stoff – dem ehemaligen Theatervorhang – eingehüllt ist. Die Tische reichen auch bis in die vordersten Zuschauerreihen, sodass die Theaterbesucher auf diesen Plätzen praktisch auch zum Stück gehören. Und über allem kreist der Namensgeber der Bar, ein grüner Kakadu.
Eine absolut bemerkenswerte Leistung des Regisseurs ist es, das gesamte Stück mit nur acht Schauspielern zu bewältigen. In der Textvorlage gibt es 22 Sprechrollen plus Statisten! Hier wurden zum Teil Figuren gestrichen, trotzdem mussten die Darsteller in bis zu sechs verschiedene Rollen und Kostüme schlüpfen. Das ist jedoch auch ein kleines Manko der Inszenierung: aufgrund der wenigen Leute ist es auf der Bühne manchmal doch recht leer, da helfen auch die Stimmen aus dem Off nichts. Eine richtige Kneipenstimmung will meist nicht aufkommen. Vor allem am Ende sind es einfach für meinen Geschmack zu wenig Leute, die der Revolution zujubeln. Auch ist es stellenweise unlogisch, wenn Figuren abtreten und dann ohne Begründung nicht wiederkommen. Etwa der Komissär, der den Abend in der Kneipe beobachten will und sich daraufhin zurückzieht, um auf Prospères Rat hin in ziviler Kleidung wiederzukommen. Die Figur taucht jedoch nicht wieder auf, warum wird nicht erklärt. Zuletzt fehlte einfach gegen Ende der Fluss in der Handlung, es wirkte eher wie an die Aneinanderreihung von kurzen Revue-Nummern. Das zeichnete die Grenze zwischen Sein und Schein, die in diesem Stück eigentlich sehr verschwommen sein soll, manchmal etwas zu deutlich ab.
Trotz dieses kleinen Mankos ist die Inszenierung schon allein wegen des Witzes und der spielfreudigen Darsteller absolut sehenswert. Die acht Leute haben sichtlich Spaß an der Sache und interagieren oft auch mit dem Zuschauern an den Tischen. Allen voran sticht Ute Pauer als Marquise Sévérine heraus, die bei ihrem ersten Besuch im Grünen Kakadu mit kindlicher Begeisterung auf die spannenden Geschichten und Menschen reagiert und sogar einem Mord noch etwas Spaßiges abgewinnen kann. Auch flirtet sie mit jedem der Anwesenden, ob Männchen oder Weibchen, was an ihrem naiven Gatten völlig vorbeigeht. Bei allem Spaß ist das Werk jedoch auch sehr philosophisch. Die Sehnsucht der armen Bürger nach etwas Glück wird ebenso deutlich, wie die völlige Realitätsfremde der adeligen Gesellschaft. Auch lernen wir, dass Schauspieler in Wahrheit die ehrlichsten Menschen der Welt sind und die ganze Welt wiederum ein Theater.
Wer das herrlich schräge aber viel zu selten inszenierte Schnitzlerstück selbst sehen will, der hat noch bis 9. März 2013 Gelegenheit dazu. Gespielt wird jeden Donnerstag, Freitag und Samstag um 20 Uhr.
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