Es klingt so einfach und ist doch eine große Herausforderung. Ein kleiner Satz – gerade mal 5 Worte. Jorge Bucay spricht in seinem Buch “Geschichten zum Nachdenken” von drei Grundweisheiten. Als erste nennt er: “Was ist, das ist”. Worte, die uns bekannt sind, wenn wir uns mit dem Thema der Achtsamkeit beschäftigen.
Den Moment, das Jetzt zu akzeptieren, wie es ist. Zu verstehen und zu akzeptieren, dass wir diesen Moment oder was dazu geführt hat, nicht mehr verändern können. Wenn es uns gut geht, wir Spaß haben, wir etwas Freudiges erleben, fällt uns das meist leichter.
Für den einen könnte es der ruhige Abend auf dem Sofa, für einen anderen das Joggen am Morgen sein. Für mich ist es eine lebendige Zeit in der Partnerschaft, ein Spaziergang in der Frühlingssonne, das Zusammensein mit Freunden oder Zeit für die persönliche Weiterentwicklung. Jeder kennt Momente, die er mühelos so akzeptieren kann, wie sie sind.
Wann können Sie den Augenblick so nehmen wie er ist? Was sind typische Tätigkeiten und Ereignisse, bei denen Ihnen das leicht fällt?
Wie geht es ihnen aber in den Zeiten, in denen Sie unzufrieden sind, Sie sich nicht wohlfühlen und alles oder jeder sich gegen Sie verschworen hat? Ganz sicher kennen Sie auch solche Situationen. Wie schnell sind wir dann in der Ablehnung, wollen nichts damit zu tun haben. Sätze entstehen wie: “Warum passiert das mir?”, “das war doch klar”, “immer trifft es mich”, oder “hätte der/die das doch anders gemacht”.
Genau dann aber zu erkennen und zuzulassen: “Es ist, wie es ist” … ohne weitere Bewertungen, Meinungen, Stimmen. Aber – und das ist wichtig – alles, was in diesem Moment vorhanden ist, darf sein und damit auch unsere Gefühle.
Sie können diese spüren, werden aber zum Beobachter. Den Moment zu akzeptieren, heißt auch Gefühle wie Trauer, Einsamkeit, Ärger und Wut zu akzeptieren, sie aber nicht weiter anzuheizen, wie z.B. durch zusätzliche Gedanken, Bilder und Geschichten. Und sollte es dennoch geschehen, dann dies zu erkennen, ohne es weiter zu bewerten.
Bei allem was zu diesem – von uns als negativ erlebten – Moment geführt hat und für den Moment gilt: “es ist, wie es ist” und das entspricht in der Regel nicht unserem persönlichen Wunschzettel. Jedoch, was wir jetzt erleben, ist nicht wie es gestern war und ist auch nicht wie es morgen oder in einer Woche sein wird.
Ich lade Sie dazu ein, diese Sichtweise immer wieder zu üben, Ihre Tätigkeit im Alltag kurz zu stoppen und in sich hinein zu spüren. Das geht immer und überall. Die folgenden Fragen helfen Ihnen bei der Übung.
- Wo befinden Sie Sich?
- Wo spüren Sie in diesem Moment Ihren Atem am meisten?
- Was fühlen Sie gerade? Welche Stimmung haben Sie?
- Wo spüren Sie in diesem Moment ihren Körper? Gibt es eine Region, die besonders angespannt ist?
- Sind Sie gerade in einer Situation, in der Sie sich ärgern? Möglicherweise über eine andere Person?
- Oder fühlen Sie sich so richtig wohl?
- Welche Bilder, Gedanken und Geschichten verfolgen Sie gerade, d.h. auch Erinnerungen und Fantasien, die diese Stimmung unterstützen?
Seien Sie der Beobachter von sich selbst, ohne diese Vorgänge zu bewerten. Diese Übung dauert am Anfang nur 2-3 Minuten und kann nach einer Übung sehr viel schneller durchgeführt werden. Die regelmäßige Übung ist hier besonders hilfreich.
Den Moment zu erleben, wie er ist, kann für einige Zuhörer die Annahme stärken, diese Einstellung führe zu Ignoranz und Resignation (Gleichgültigkeit) gegenüber der wahrgenommenen Bedeutung der eigenen Situation und deren möglichen Schwere. Es ist jedoch eine Veränderung der Perspektive, die es Ihnen erlaubt Entscheidungen zur treffen, die sich nicht mit der Vergangenheit beschäftigen, sondern nur die eine Richtung betrachten können, auf die Sie einen Einfluß haben … Ihre Zukunft, d.h. auch den nächsten Moment.
Veränderung kann nur entstehen, wenn wir unseren Standort kennen, wissen von wo wir starten und wie wir die Reise beginnen. Wir können immer etwas tun, um das Morgen anders zu erleben, etwas zu verändern. Dazu braucht es den Mut, den Augenblick zu betrachten. Denn nur im jeweiligen Augenblick können wir etwas verändern. Und wenn es auch nur ein kleines Stück im großen Ganzen ist und wir damit die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich auch etwas für uns verändert.
Wenn wir achtsam leben wollen, gilt es immer wieder den Moment zu akzeptieren wie er ist – in völliger Klarheit.
Dadurch vermeiden wir auch, uns immer wieder tiefer in Geschichten zu winden – warum es nun so ist, dass es schon immer so war und wir es nicht besser schaffen, bzw. darüber nachzudenken, wer nun daran Schuld ist. Einfach nur mit den Gefühlen sein, ohne diese durch unsere Gedanken zu vertiefen oder verändern zu wollen.
Diese Klarheit schafft uns die Freiheit und innere Ruhe die eigene – ganz individuelle Wahrheit, unsere Geschichten und Werte besser zu erkennen und erlaubt uns in Selbstverantwortung unser Leben zu gestalten.
Weiterhin eine achtsame Zeit, Ihr Olaf Karwisch