Es ist 6:00, das Auto voll, gute Laune, es geht los…

Ich singe leise vor mich hin.

“Heit jehts nach Sachsen naus,
Ka Musiker blabt zu Haus.
Un wer a bissel klimpern kann,
Schließt sich uns an…”

Folkländer aus Thüringen – Meine Achtziger!

Sie ist immer noch müde und sie mag es nicht, wenn ich singe. Glaubt wohl, ich würde den Ton nicht richtig treffen.

“Ohr! – Bitte nicht!”

Statt Beifall kommen Pfiffe vom Publikum. Ich bin mit einer Kunstbanausin unterwegs!

Na egal. – Singe ich eben nicht.

Aber meine gute Laune bleibt. Vielleicht – überlege ich nun – sollte ich sie etwas provozieren. Das wird sie aufmuntern. Sie kommt so – vielleicht – aus sich heraus.

“Minus 10 Grad und die Autobahn ist hübsch geräumt. Alle Glätte scheint beseitigt – Ich glaube Gott liebt die Deutschen über alles, mehr als die Ukrainer, sonst hätte er uns nicht so hübsche Straßen geschenkt…”

Sie schweigt eisig.

Ich bekomme nun das Gefühl, etwas zu weit gegangen zu sein. Ukrainer sind ein stolzes Volk, obendrein rechtgläubig – was sollen also Straßen? So versuche ich, das Ding zu drehen.

Indem ich Burgfrieden schaffe – Der Feind steht außerhalb.

“… Ja, ja – Gottes Wege sind unergründlich. Vielleicht ist es wirklich so, dass er diejenigen, die ihn am meisten lieben, am härtesten prüft. Wie die Polen. Stell dir vor, die Polen beten – und wir sind Papst. Was das für die vielgeschundene polnische Seele bedeuten muss…”

Sie bleibt schweigen.

Polen also auch nicht.

Vielleicht bin ich fies?

Nächster Versuch:

“…und obwohl die Straßen so hübsch geräumt sind, sind nun in Deutschland Winterreifen Pflicht.

Damals, im Trabbi-Zeitalter gab es keine Winterreifen, im Gegenteil: Immer nur eine Sorte. Man bekam schlecht neue, selbst wenn die alten abgefahren waren. Heutzutage würde man in solcher Konstellation gar nicht erst losfahren. Und wenn doch, bestraft werden. Auch Schneeketten waren schwer zu kriegen und wer in die Berge wollte, dem blieb nichts anderes übrig als sich Lederriemchen zu kaufen, die  man an den Trabbi-Rädern befestigen konnte. Immer vier Riemen pro Rad. Das Auto fuhr dann hubbelnd.  Die Straßen waren längst nicht so geräumt wie heute. Mehr noch: Die Trabbi-Heizung schaffte es bei starken Minusgraden nicht immer, die Frontscheibe zu enteisen. Es ergab sich ein Loch nur so groß wie bei einem T 34 im Nachtgefecht und in der linken Hand hielt ein Trabbifahrer stets einen Lappen mit Fit getränkt, mit dem man während der Fahrt das kleine Guckloch offen hielt…”

Nun hebe ich die linke Hand, um anzudeuten, wie man seinerzeit in der DDR unterwegs an der Scheibe rubbelte, um auf den Fichtelberg zu gelangen und hopste dabei etwas hoch und runter, um die Wirkung der Trabbi-Schneeketten-Lederriemchen zu demonstrieren.

Jetzt ist sie hellwach!

Ihre Stimme verwandelt sich in ein Laserschwert, welches mitten in mein Geschwätz zischt.

“Nimm sofort beide Hände ans Lenkrad! Das ist gefährlich, was du machst!”


Filed under: Straßenverkehr Tagged: Autobahn, DDR, Gott und die Deutschen, Provokation, Reisegesellschaft, Wir sind Papst

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