Wir bleiben im „Hier und Jetzt“
Es hat mich wie ein Donnerschlag getroffen; jetzt nach fast zwei Jahren Pension, weiß ich es sicher: „Es gibt keinen wohlverdienten Ruhestand“!
Nichts von dem, was wir – oftmals mit großer Anstrengung und viel Selbstdisziplin – irgendwann erreicht haben, ist von Dauer. Niemand lobt mich heute für mein umsichtiges Krisenmanagement während der „Lehman Crisis“ oder eine gelungene Reorganisation. Und keiner will mehr wissen, dass ich einem mühsamen Verhandlungspartner noch vor drei Jahren die Hälfte seiner Forderung zu Gunsten meiner Firma heruntergehandelt habe. Alles Schnee von gestern. Auch bei mir verblasst die Erinnerung zusehends. Das Hochgefühl des beruflichen Erfolgs hat eine denkbar kurze Halbwertszeit und reicht nicht für die nächsten 20 Jahre Ruhestand.
Es gibt keine Lorbeeren aus der Vergangenheit, auf denen es sich in der Pension bequem ruhen lässt, wenn man gewöhnt ist, die Herausforderung zu suchen und seine Ressourcen und Talente für ein großes Ganzes einzusetzen. Solange ich kein Pflegefall bin, werde ich weiter Orte und Themen suchen, wo ich komplexe Lösungen zur Unterstützung einer Idee oder einer großen, guten und sinnvollen Sache erarbeiten kann.
Im „Hier und Jetzt“ bin ich dieselbe geblieben wie vor der Pension. Es liegt mir nicht, allein Familie, Haus und Garten, Reisen und Fitness in den Mittelpunkt zu stellen und dazwischen die Beine im Liegestuhl hochzulegen. Ich will mich anstrengen, Flow spüren, um dann wieder stolz auf Erreichtes sein zu können. Ich bin zu neugierig, will etwas Neues lernen und etwas Neues schöpfen, etwas Neues erreichen, um mich zum Jahresende befriedigt in den Spiegel zu schauen. Dabei muss ich nun kein Geld mehr verdienen, kann einfach das einbringen, was ich weiß und kann.
Was ist Ihre „gute Sache“, was motiviert Sie ? Wie lange haben wir noch Disziplin und Energie, jedes Jahr etwas zu erfinden, das weiterhin das Gefühl gibt, nicht still zu stehen ?
Anneliese Blasl-Müller