Gespräch mit Siegrun Appelt Künstlerin und Entwicklerin des Projekts Langsames Licht / Slow Light
Die Künstlerin Siegrun Appelt (Foto: Richard Sagmeister)
Siegrun Appelt, in Wien lebende Künstlerin, arbeitet seit vielen Jahren mit dem Medium Licht. Im Frühling 2012 wurde in Spitz an der Donau eine Promenade mit einer Wegebeleuchtung von ihr eröffnet, 2013 eine permanente Intervention bei der Fundstelle der Venus von Willendorf. In diesem März wurde ein neuer Teil dieser Arbeit Langsames Licht / Slow Light für Kirchen eröffnet. Appelts Herangehensweise ist sowohl eine raumbezogen-ästhetische als auch eine energiesparende. In vielen ihrer Slow-Light-Arbeiten gelang es ihr, den Energieverbrauch von beleuchteten Objekten drastisch zu senken und gleichzeitig die Ästhetik der Bauten oder Räume künstlerisch hervorzuheben. Wir nahmen das Slow-Light-Projekt in der Wachau zum Ausgangspunkt eines interessanten Gespräches mit der Künstlerin.
Sie arbeiten schon seit geraumer Zeit mit dem Medium Licht. Wie würden Sie sich selbst bezeichnen, als Lichtdesignerin?
Nein, ich bin Künstlerin. Es ist interessant, dass ich diese Frage oft gestellt bekomme. Aber tatsächlich arbeite ich mit Licht und Schatten, einer alten Tradition in der Kunst. Außerdem ist es eine Tätigkeit in Zusammenarbeit mit der Wissenschaft, was in der Kunst auch eine lange Tradition aufweist. Darüber hinaus habe ich das Gefühl, etwas Sinnvolles zu machen. Ich bezeichne meine Arbeit aber nicht als Lichtkunst, sondern ich arbeite mit den Elementen, räumlich bezogen und installativ. Es sind vor allem große Räume, die ich gerne bearbeite und in denen ich herausfordernde Themen finde. Man verortet Kunst oft mit Museen, Galerien und Kunsthallen. Die Kunst, die sich darin findet, kenne ich sehr gut. Vieles davon sind permanente Wiederholungen und ich finde es oft sehr banal, wie mit Raum umgegangen wird. Allerdings gibt es auch eine neue Generation, die nicht ausschließlich business- und erfolgsorientiert ausgerichtet ist. Mir ist es wichtig, etwas zu machen, das berührt, Dinge weiterzubringen, auf Dinge hinzuweisen, die andere nicht wahrnehmen.
Vor Kurzem wurde der dritte Teil ihres Slow-Light-Projektes in der Wachau eröffnet. Wie kam es zu diesen Projekten?
Der Ausgangspunkt war das Projekt Wachau 2010+ in Kooperation mit Kunst im öffentlichen Raum Niederösterreich mit dem Hintergrund dass die Wachau energieautark werden möchte. Das bedeutete für mich, dass ein nachhaltiges Denken schon da war, was für ein Slow-Light-Projekt eine gute Basis ist. Außerdem ist die Wachau eine Weltkulturerbe-Region in welcher der Blick der Touristen auf die dort vorhandenen Bauwerke gelenkt werden sollte.
Sie sind, was die Auftragserteilung betrifft, in einer eher atypischen Situation für eine bildende Künstlerin, denn Sie werden von einem Projekt zum nächsten sozusagen weiterempfohlen.
Ja, das stimmt. Die Leute kommen auf mich zu, fast immer. Wenn ich von mir aus aktiv werden müsste, dann würde das bedeuten, dass ich mit Leuten sprechen müsste, die das Verständnis für die Thematik, in der ich arbeite, gar nicht haben. Das ist dann sehr mühsam und eigentlich nie zufriedenstellend zu realisieren und geht dann direkt an die Überlebensfrage.
Wie kamen Sie überhaupt zu dem Thema Licht?
Die Initialzündung dazu erhielt ich in Berlin. Licht ist nicht nur ein visuelles Phänomen, sondern auch ein emotionales und körperliches. Ich erlebte in Berlin eines Tages ein ganz besonderes, schräg einfallendes Licht, war davon geblendet. Das war ein rein physischer Vorgang. Mit Licht und Schatten kann man Räume gestalten und in meinen früheren Fotografien war Licht für mich ohnehin immer ein wichtiges Thema. Mich haben auch die künstlichen Lichtwelten in der Stadt interessiert, wie z.B. ein Fußballfeld das umringt ist von Plattenbauten, von welchen die Leute wie in einer Arena zuschauen. Die Beleuchtung mit dem starken Scheinwerferlicht, die ja etwas Bestimmtes mit den Menschen macht, die sich in diesem Licht befinden, war für mich sehr interessant. Es macht einen Unterschied, ob man in dem Licht steht, oder außerhalb. Dieser Wechsel zwischen beobachten und beobachtet werden war ein wichtiger Bestandteil meiner ersten Lichtarbeiten. Neben dem emotionalen Aspekt meiner Arbeit gehört aber auch die Auseinandersetzung mit der Technologie und dem jeweiligen Fortschritt dazu.
Es gab eine Lichtinstallation im Museumsquartier in Wien von Ihnen.
Ja, ich habe dort im Auftrag des MUMOK eine Installation mit 64 kW Verbrauch mit 32 Scheinwerfern gemacht und dieses starke Licht vorab im „A9 forum transeuropa“ komprimiert auf eine Wandfläche projiziert, um die Intensität des Lichts erleben zu können. Dabei stellte sich für mich sofort die Frage nach dem Energieverbrauch. Im Vergleich: Ein Fußballfeld benötigt zwischen 144 und 250 kW für die Beleuchtung. Oder ein anderes Beispiel: Zum damaligen Zeitpunkt, im Jahr 2005, wurden für die Schaufensterbeleuchtungen einer 1 km langen Einkaufsstraßen ähnlich der Mariahilfer Straße rund 400 kW benötigt. Da kann man schön ein Einsparungspotenzial erkennen, Diese Vergleiche habe ich damals bei der Arbeit im MQ angeführt. Es gab auch ein Lichtprojekt in der Kunsthalle Schirn, in welchem ich das Licht von 57 starken Scheinwerfern auf eine kleine Fläche am Boden bündelte. Die Wäremeabstrahlung war zu spüren und das helle Licht erzeugte eine ganz eigene Stimmung, die Leute wurden förmlich angezogen davon und tauchten teilweise in eine Art kindliche Ebene der Ehrfurcht. Nach dieser Arbeit mit dem hellen Licht wollte ich wissen, wie wenig Licht ich denn eigentlich benötige, um dennoch gut sehen zu können. Ich begann Lichttests zu machen. Und in Folge wurden dann von der Firma Zumtobel Leuchten mit wenig Watt und Bewegungsmeldern konstruiert. Durch das An- und Ausgehen des Lichtes erzeugt man allein schon eine sinnliche Komponente. Das war die Basis für Langsames Licht / Slow Light.
Das bedeutet, sie begannen, die Konsumation von Licht von der anderen Seite her zu betrachten.
Ja, das ist wie der Wechsel von Ernährungsgewohnheiten. Vergleichbar mit der Konsumation von Fleisch, mit der Umgewöhnung auf fleischloses Essen. Interessant dabei ist, dass das viele Fleischessen ja auch vor nicht allzu langer Zeit erst erlernt wurde. Vor 200 Jahren war fleischloses Essen ganz normal. Mit dem Lichtkonsum verhält es sich da ganz ähnlich.
Inwieweit beziehen Sie die Umwelt in Ihre Planungen mit ein?
Die Chronobiologie ist für Langsames Licht / Slow Light sehr wichtig. Licht in der Nacht verändert z.B. das Wachstums- oder auch das Paarungsverhalten von Tieren, Pflanzen usw. Und auch der Mensch wird davon beeinflusst. Die Chronobiologin Anna Wirz-Justice, mit der ich zusammenarbeite, hat die Chronobiologie vor 30 Jahren nach Europa gebracht. Wir sind seit Millionen Jahren auf die natürlichen Tages- und Nachtrhythmen des Lichts konditioniert. Licht beeinflusst uns alle. Wir sprechen ja auch von „Lichtverschmutzung“ gegen welche die Naturschützer und Astronomen auftreten. Mein Part ist es, auf die visuell-ästhetischen Dinge zu schauen. Im Idealfall reduziert sich durch meine Arbeit die Lichtverschmutzung. Dabei muss man bedenken, welche Hauptausrichtung im Blickfeld der Menschen steht. Das ist nicht die Richtung gegen den Himmel, die Richtung hin zu den Sternen, sondern erst einmal geradeaus. Ich setze in meiner Arbeit bei der Kognitionspsychologie an. Wenn es dunkel wird, nehme ich mehr über die Ohren wahr, wenn man bei Nacht Licht einsetzt, reagiert das Auge aufs Licht, um sich zu schützen, der Umraum wirkt dadurch dunkler. Licht macht also sichtbar und unsichtbar zugleich. Hier beginnt ein Bewusstseinsprozess, den ich mit den Menschen in der Wachau direkt umgesetzt habe. Die Menschen schätzen die Dunkelheit, ja sie sehnen sich sogar danach. Wenn man Orte stark ausleuchtet, so tut man das, um einem vermeintlichen Sicherheitsgefühl nachzugehen. Tatsächlich ist aber rund um den erleuchteten Raum alles umso dunkler. Das hat wenig mit realer Sicherheit zu tun. Die Projekte, die ich durchführe, dienen dazu, auf all das hinzuweisen.
In Frankreich gibt es z.B. in Lyon das Fête des Lumières, bei welchem ganze Häuserzeilen in Licht getaucht werden und choreographische Lichtprojektionen stattfinden.
Ja, ich wurde kürzlich von 2 Städten eingeladen, die solche Projektionen wie in Lyon wollten, das steht aber ganz im Widerspruch zu meiner Arbeit. Ich will und kann damit nichts zu tun haben. Das hat für mich nichts mit anspruchsvoller Kunst, sondern mehr mit touristischen Attraktionen zu tun.
Ist es für Sie ein Problem, dass es Ihre Arbeiten irgendwann einmal nicht mehr geben wird, weil sich die Ansprüche oder die technischen Gegebenheiten zum Beispiel verändert haben werden?
Nein, gar nicht. Man weiß im Moment auch nicht wie es mit dem dezenten Einsatz von Licht weitergehen wird, weil das eigentlich gegen das Interesse der Industrie ist. Aber es gibt diese Sehnsucht nach Dunkelheit, weil wir mit Licht übersättigt sind. Ich bin bei meinen Arbeiten technologisch abhängig von den Angeboten der Industrie und man wird sehen, welche Entwicklungen es dort gibt. Ein Problem sind zum Beispiel die EU-Normen nach welchen alle Bodenflächen eines Ortes nachts flächendeckend hell sein sollten. Das ist aus meiner Sicht kein guter Umgang mit dem nächtlichen Raum und arbeitet gegen das Adaptionsverhalten des Auges. Gerade der angenehm zu erlebende nächtliche Raum aber ist eines meiner Ziele in den Projekten. Gerade deswegen ist der Rückhalt der Bevölkerung für mich sehr wichtig, wie eben in dem Projekt in der Wachau. Klar gibt es auch immer Gegner, aber auch solche, die aktiv mitmachen.
Gibt es schon neue Projektpläne?
Ja, als Nächstes soll der Viadukt in Emmersdorf in Niederösterreich beleuchtet werden. Die Menschen dort haben eine genaue Vorstellung davon, ich helfe ihnen dabei, die Beleuchtung in ihrem Sinne umzusetzen. Ich habe ja in Emmersdorf schon die Pfarrkirche und die Magdalenenkapelle beleuchtet, das heißt, dort ist das Bewusstsein für einen überlegten Umgang mit Licht schon vorhanden.
Wie können Sie dieses im Voraus vermitteln?
Mit Bildern. Indem ich zwei Beleuchtungssituationen aufzeige. Menschen, die im Schauen nicht geübt sind erkennen auf den ersten Blick oft nicht den Unterschied. Das hängt von ihren jahrelang geprägten Sehgewohnheiten ab. Ich erreiche mit Licht- und Schattenführung eine Dreidimensionalität bei den Gebäuden und erzeuge kaum Streulicht, wodurch sich der Energieverbrauch stark verringert. Die Kirche in Schwallenbach, gegenüber von St. Johann im Mauerthale kommt z.B. mit nur 64 Watt Verbrauch aus. Diese beiden an der Donau gegenüberliegenden Kirchen bilden im neuen Licht ein schönes Ensemble.
Gibt es ein Projekt, das Sie gerne machen möchten?
Ja, ich möchte gerne ein Projekt nur mit Luft machen. Mit Luft und leeren Räumen, das sich auf nicht-visuelle Wahrnehmungen konzentriert. Bislang hat sich da noch kein Kurator drüber getraut.
Wir sind schon sehr gespannt! Herzlichen Dank für das Gespräch.