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Da der Vater meiner beiden älteren Kinder katholisch ist, sind beide Kinder auch katholisch getauft. Ich hatte ja bereits als 17-jährige meine Beziehung zur neuapostolischen Kirche unterbrochen (darüber habe ich im Kapitel "Der Glaube" - KLICK - bereits berichtet), daher kam für mich die neuapostolische Taufe für meine Kinder nicht in Frage.Bianca war nun in der 3. Klasse und die Erstkommunion stand an. In der Schule wurde das erste Mal darüber gesprochen und die Kinder sollten sonntags miteinander zur Kirche gehen.
Mir sagte die katholische Kirche bis zu diesem Zeitpunkt nicht viel. Wie wahrscheinlich die meisten Nicht-Katholiken hatte ich meine Probleme mit dem Zölibat und mit der Stellung des Papstes als der Stellvertreter Jesu auf Erden. Ich hatte mich noch nie für diese Kirche interessiert, hatte keinerlei Berührungspunkte mit dieser Art Glauben. Und nun sollte meine Tochter die Erstkommunion feiern und ich konnte sie dabei nicht so begleiten, wie ich es gerne wollte. Das störte mich.
Bald gab es einen ersten Elternabend mit dem Pfarrer. Er erklärte uns, dass die Erstkommunionskinder jeden Sonntag in den Gottesdienst kommen mussten. Außerdem gab es noch einmal in der Woche eine Vorbereitung zur Erstkommunion, die von zwei Müttern gehalten werden sollte.
Das war neu für mich! Aber das war auch eine Chance für mich! Als der Pastor fragte, welche Mutter sich denn freiwillig für die Aufgabe der sogenannten "Tischmutter" zur Verfügung stellen würde, da meldete sich nur eine Mutter. Ich wollte mehr über diesen Glauben wissen, wollte erfahren, was meiner Tochter da gelehrt werden wüde. Deswegen meldete ich mich und sagte wahrheitsgemäß:"Ich bin keine Katholikin. Ich bin eine neuapostolisch getaufte Christin und weiß so gut wie nichts über den Katholizismus. Aber ich würde gerne die Mutter, die sich bereits bereit erklärt hat, unterstützen. Das wäre die Chance für mich, die Kinder samt meiner Tochter auf ihrenWegen zur Erstkommunion zu begleiten und gleichzeitig den Katholizismus kennen zu lernen." Die anwesenden Eltern waren nicht gerade begeistert von meinem Vorhaben. Eine neuapostolische Christin sollte ihren Kindern die Bedeutung der Erstkommunion erklären und sie dafür vorbereiten? Ich gebe zu, im Nachhinein klingt das auch für mich etwas komisch.
Doch der Pastor war begeistert und stimmte sofort zu. Vielleicht dachte er, dass er auf diese Weise ein neues Schäfchen für seine Gemeinde gewinnen würde. Oder er stimmte aus der Not heraus zu, da niemand anderes sich dazu bereit erklärt hatte, ich weiss es nicht.
So war es beschlossene Sache.
Es gab regelmäßige Abende, in denen wir vorbereitende Mütter selbst vom Pastor unterrichtet wurden.
Ich kam zum ersten Mal in meinem Leben mit der Familienkatechese, mit Fürbitten, mit der Kommunionkerze und der Beichte in Berührung. Das war alles fremd für mich und ich tat mich schwer, die Beichte und die Katechese als Gottes Wille zu akzeptieren. Doch ich behielt meine Zweifel für mich und gab all das an die Kinder weiter, was im Begleitbuch zur Vorbereitung auf die Erstkommunion drin stand.
Die Abende beim Pastor dagegen fand ich sehr ansprechend und berührend. Es wurde nicht nur besprochen, was den Kindern nahe gebracht werden sollte, es wurde über die Kinder gesprochen und auch über die eigene Einstellung zu Religion, Glaube und zu Gott. So manches interessante Gespräch führte ich mit dem Pastor und der Gemeindereferentin.
Einmal erzählte ich dem Pastor, dass ich in meiner Kindheit und Jugend Gott in den Gottesdiensten und in der Kirche gespürt hatte, dass ich mich nun aber schwer tun würde, Gott in der Kirche zu finden. Da sagte mir dieser Mann:"Man kann Gott auch sehr gut bei ganz anderen Dingen spüren. Bei einem guten Gespräch mit einer Freundin beispielsweise. Oder wenn man einem in Not geratenen Menschen hilft. Oder wenn man selbst Hilfe erfährt!"
Diese Worte habe ich bis heute nicht vergessen. Er hatte ja so recht. Gott ist überall. Wenn man ihn finden möchte, dann kann man ihn überall finden, nicht nur in der Kirche. Das hat mich das Leben gelehrt. Auch in dunklen Stunden lässt sich Gott finden, wenn man ihn sucht.
Die Monate vergingen und Biancas Erstkommunion stand kurz bevor. Außer Marco und mir begleiteten meine Eltern, mein Bruder mit Familie, Biancas italienische Oma Anna, Italos Schwester und auch Italo selbst Bianca an ihrem ganz besonderen Tag. Sie hatte ein wunderschönes weißes Kleid an und sah ein bisschen aus wie eine kleine Braut.
Die Kirche war proppenvoll. Der Pastor hielt eine wunderschönen Gottesdienst, bei dem die Kinder viel und aktiv mitgestalteten. Unter anderem durfte jedes Kind vor dem Altar sagen, was es sich für die Zukunft am meisten wünschte. Viele Kinder sagten, sie wünschen sich Frieden auf der ganzen Welt, genug zu essen für alle Menschen, oder dass es nicht so viele arme Kinder auf der Erde geben sollte.
Dann kam Bianca an die Reihe. Mein kleines Mädchen stand da vorne am Altar vor dem Mikrofon, schaute die Gemeinde an und sagte:"Ich wünsche mir für die Zukunft, dass mein Vater wieder bei uns wohnt und ich wieder eine richtige Familie habe!"
Ein Raunen ging durch die Gemeinde. Ich saß da und konnte meine Tränen nicht zurück halten. War das der größteWunsch meiner Tochter? Eigentlich hatte ich gedacht, dass sie sich mit der Situation alleine mit ihrem Bruder und mir abgefunden hätte. Nie hatte sie mir vorher gesagt, dass sie sich so sehr ihren Vater in ihrer Nähe wünschte. Es tat mir so weh, zu wissen, dass ich ihr diesen Wunsch nicht erfüllen konnte. Zwischen Italo und mir war nicht mehr der kleinste Funke von Liebe, wir hatten uns komplett entliebt. Ratlos und unendlich traurig sah ich sie an und wusste nicht weiter.
Irgendwann war der Gottesdienst zu Ende. Ich hatte nicht mehr viel davon mitbekommen. Zu tief hatte mich das Gehörte getroffen. Immer und immer wieder fragte ich mich, was Italo und ich unseren Kindern angetan hatten und immer noch antaten. Was das für Folgen für meine Kinder haben würde, ob sie ihre Kindheit ohne Vater unbeschadet überstehen würden. Es gab so viele Fragezeichen und Zweifel in mir. Ich konnte die anschließende Feier in einem Restaurant nicht mehr richtig genießen, obwohl ich mir natürlich viel Mühe gab, die anderen es nicht spüren zu lassen. Ich war wütend auf Italo. Ich war wütend auf mich.
Ich bekam das schlechte Gewissen meinen Kindern gegenüber einfach nicht in den Griff. Ich suchte nach einer Lösung des Problems, fand aber keine. Ich konnte meinen Kindern nur das bieten, was ich in der Lage war, ihnen zu geben. Den Wunsch nach einem Vater konnte ich gut verstehen, aber was konnte ich diesbezüglich tun? Das Einzige was ich tun konnte war mit Italo darüber zu sprechen. Ich bat ihn, sich mehr um Bianca und Marco zu kümmern, nicht immer nur zu warten, bis wir ihn besuchen kamen, sondern auch mal die Initiative zu ergreifen, selbst nach Deutschland zu reisen und seine Kinder zu besuchen.
Ich hoffte, dass es für Bianca und Marco besser werden würde, wenn sie ihren Vater nicht nur 3 mal im Jahr in den Ferien sehen würden.
Italo hatte Bianca ja auch gesehen und gehört, als sie ihren größten Wunsch vor der Kirchengemeinde aussprach. Ich dachte, er würde verstehen, wie wichtig es für sie war, mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Offensichtlich hatte ich mich getäuscht, denn er änderte nichts an seinem Verhalten. Er kam so gut wie nie nach Deutschland, um seine Kinder zu besuchen. Ich konnte es nicht verstehen, es schien ihm egal zu sein.
So machten wir weiter wie bisher. Wenn ich nicht 3 mal im Jahr nach Italien gefahren wäre, dann hätten die Kinder ihren Vater wahrscheinlich gar nicht zu Gesicht bekommen.
Ob und wie sehr Bianca weiter darunter litt, konnte ich nur vermuten.
Sie selbst sprach nie wieder darüber.