Erstes Rendezvous

Erstes Rendezvous

Foto copyright by Helen Souza / pixelio.de

Es war ein unbeschreibliches Gefühl. Ich schwebte. Die berühmten Schmetterlinge im Bauch... ich musste Millionen davon gehabt haben, so kitzelte und flatterte es in meinem Bauch.
Ich war unsterblich verliebt.
Die Zeit stand still. Alles um mich rum versank. Es gab nur noch Dreju und mich. Er benahm sich mir gegenüber wie ein Gentleman der alten Schule. Ich rauchte damals noch und immer wenn ich mir eine Zigarette anstecken wollte, da hatte er bereits das Feuerzeug in der Hand und zündete sie mir an. Wenn mein Getränk zu Ende ging, hatte er bereits ein neues für mich bestellt - auf seine Rechnung. Er öffnete mir die Türen, ließ mir den Vortritt, rückte mir den Stuhl zurecht...welche Frau ist nicht empfänglich für diese Art des Umwerbens?
An diesem Abend tanzten wir die ganze Zeit. In den Pausen dazwischen standen wir am Rand der Tanzfläche und schauten den anderen tanzenden Pärchen zu. Immer wieder legte er den Arm um mich, immer wieder küssten wir uns.
Seine Aufmerksamkeit, sein Umsorgen, seine ganze Art... es war genau das, was ich mir jahrelang und insgeheim gewünscht hatte. Immer wieder sagte er mir, wie sehr er von mir beeindruckt wäre. Ich wäre eine Frau mit Charakter, eine Frau, die wisse, was wichtig im Leben wäre. Ich wäre keine der Frauen, die man sonst meist in den Diskotheken treffen würde: Frauen, die nur ein Abenteuer suchten... 
So viele Komplimente nach so langer Zeit! Einerseits badete ich mich darin, andererseits aber traute ich dem Ganzen noch nicht. Was, wenn das eine Masche war, um mich rum zu kriegen? Auf keinen Fall würde ich ihn mit nach Hause nehmen! Auch wenn ich noch so verliebt war. Zwei große Gründe sprachen dagegen: es widersprach meiner Erziehung, sowas macht "eine Frau mit Charakter" nicht! Und natürlich meine Kinder. In den vergangenen 9 Jahren, die sie mit mir alleine lebten, hatte ich nie einen Mann nach Hause gebracht. Ich wollte meinen Kindern ersparen, dass sie eines Morgens ihre Mutter neben einem fremden Mann im Bett liegen sahen.
Doch Dreju wurde nicht zudringlich, er machte keinerlei eindeutige Andeutungen, er genoss einfach den Abend mit mir.
Es war gegen 4 Uhr morgens, als ich das erste Mal auf die Uhr schaute. Zutiefst erschrocken dachte ich das erste Mal wieder an meine Kinder und hatte ein schlechtes Gewissen. Ich musste doch nach Hause! Man darf wirklich nicht vergessen, dass das noch in der Zeit war, in der es noch keine Handies gab. Meine Kinder hätten keine Möglichkeit gehabt, mich anzurufen, falls sie gemerkt hätten, dass ich noch nicht zuhause war. Von einem öffentlichen Telefon wollte ich aber auch nicht anrufen. Vielleicht hätte ich sie dann geweckt! Diese Situation machte mich unruhig und so sagte ich Dreju, dass ich nach Hause müsse.
Er erbat sich noch einen letzten Tanz von mir.  Noch einmal tanzten wir eng umschlungen. Dann ging ich in Richtung Garderobe. Dreju ließ es sich nicht nehmen, mich zu begleiten und mir in den Mantel zu helfen.
Er bat um meine Telefonnummer und ich gab sie ihm. Zum Abschied küsste er mich unendlich zärtlich, nahm meine beiden Hände, schaute mir tief in die Augen und sagte:"Ich habe Angst, dass dieser Abend eine Fata Morgana war und ich Dich nie wiedersehe!"
Verlegen schaute ich ihn an. Mit soviel Romantik konnte ich gar nicht umgehen. Ich sagte ihm, dass ich aus Fleisch und Blut wäre und er mich auch wiedersehen würde, wenn er mich anriefe. Eine letzte Umarmung, ein letzter Kuss, dann trennten wir uns.
Zusammen mit meiner Kollegin ging ich zum Auto und fuhr nach Hause.
An Schlaf war nicht zu denken. Gott sei Dank schliefen die Kinder. Sie hatten gar nicht bemerkt, dass ich erst gegen 5 Uhr morgens nach Hause gekommen war. Ich lag noch lange wach und träumte dem wunderschönen Abend und Dreju hinterher....
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"Guten Morgen Mama! Willst Du heute denn gar nicht aufstehen?"
Mühsam öffnete ich meine Augen einen Spalt, um mich zu orientieren. Vor mir stand Marco, frisch und fröhlich wie immer. Erstaunt und fragend schaute er mich an.
"Morgen Marco. Wie spät ist es denn?" brachte ich total verschlafen gerade noch so heraus.
"Es ist fast Mittag, Mama. So lange hast Du ja noch nie geschlafen!"
"Ohje! Schon fast Mittag! Na da habe ich aber wirklich viel zu lange geschlafen, lass mir noch 5 Minuten, dann stehe ich auf!"
So langsam wurde ich wach. "Kein Wunder, dass Du so lange geschlafen hast!" dachte ich, denn es war bestimmt bereits 7 Uhr morgens gewesen, als ich endlich eingeschlafen war. Die Erinnerungen an den wunderschönen Abend kamen wieder hoch und ein Lächeln zauberte sich auf meine Lippen. Dreju! Was für ein wundervoller Abend! Was für ein wundervoller Mann! Verträumt lächelnd stand ich auf.
"Wir haben uns unser Frühstück schon lange selbst gemacht, Mama! Was gibts denn heute zu Mittag?" fragte mich Bianca.
Urplötzlich vermischte sich meine Verträumtheit mit der Realität und meinem schlechten Gewissen meinen Kindern gegenüber. Ich nahm sie in den Arm und bedankte mich bei ihnen, dass sie so viel Rücksicht auf mich genommen hatten und mich schlafen ließen.
Ich versprach ihnen ein leckeres Mittagessen. Doch zuerst brauchte ich eine ausgiebige Dusche, um wieder so richtig zu mir zu kommen.
Die Kinder waren lebhaft wie immer. Auch fragten sie mich neugierig, wie denn mein Abend gewesen wäre. "Schön war's!" antwortete ich wahrheitsgemäß und lächelte verträumt vor mich hin. Sie erzählten mir, dass auch sie recht spät zu Bett gegangen waren, das erste Mal hatten sie sturmfreie Bude ohne die Mutter, das musste ausgenutzt werden. Und da der Tag danach ja ein Sonntag war und auch sie bis ca. 10 Uhr ausgeschlafen hatten, war das auch in Ordnung.
Den ganzen Tag kehrten meine Gedanken immer und immer wieder zu Dreju zurück.Würde er mich anrufen? Wenn ja, wann würde er sich wieder melden? Zwischendurch versuchte ich mich immer wieder selbst auszubremsen. "Sei nicht naiv. Du kennst ihn doch gar nicht. Es kann gut sein, dass er sich nie wieder bei Dir meldet. Geh lieber davon aus, dass Du nichts mehr von ihm hörst, dann bist Du nicht so enttäuscht!" versuchte ich mir immer wieder einzureden, doch es gelang mir nicht. Ich ertappte mich andauernd, wie ich zum Telefon schielte und sehnsüchtig darauf wartete, dass er anrief. Es wurde 15 Uhr, dann 16 Uhr,...17 Uhr...nichts! So langsam machte sich Enttäuschung in mir breit.
Da, plötzlich, so gegen 17.30 Uhr klingelte das Telefon.  Das Klingeln durchzuckte mich regelrecht. Mit zitternden Händen nahm ich den Hörer ab und meldete mich mit meinem Namen.
"Allo Elke, 'ier ist Dreju. Wie geht es Dir?"
Er war es tatsächlich! Seine sonore und wohlklingende Stimme klang durchs Telefon fast genauso gut wie gestern abend und sie umschmeichelte mich sofort.
Ich bemühte mich, ihn nicht zu sehr merken zu lassen, wie sehr ich auf seinen Anruf gewartet hatte und wie sehr ich mich darüber freute.
"Isch muss die ganze Zeit an Disch denken und würde Disch gerne 'eute abend noch se'en. Was 'älst Du davon?"
Am liebsten hätte ich vor Freude laut geschrien! Selbstverständlich hatte ich Lust, ihn an diesem Abend wieder zu sehen und so sagte ich sofort zu. Wir verabredeten uns um 20 Uhr an vor der Diskothek, in der wir uns kennen gelernt hatten.
Ich freute mich so sehr auf mein Rendezvous. Doch zuvor musste ich mit meinen Kindern sprechen.
Ich erzählte ihnen, dass ich am Vorabend einen Mann kennen gelernt hatte, den ich sehr interessant fand und dass wir uns in zwei Stunden wieder treffen wollten. Ich fragte sie, ob sie einverstanden wären, wenn ich sie nochmals an diesem Abend alleine lassen würde.
Meine Kinder waren toll und freuten sich für mich. Bianca war ja bereits 13 Jahre alt und hatte selbst begonnen, sich für Jungs zu interessieren. Sie fand es cool, dass ihre Mutter einen Verehrer hatte. Marco schloss sich seiner Schwester an. Beide sagten:"Geh ruhig Mama, wir gönnen Dir das!" Ich war erleichtert und stolz, dass meine Kinder so toll reagierten.
Noch erzählte ich ihnen nicht, dass Dreju ein Afrikaner war. Das hatte noch Zeit. Erst wenn wir wirklich zusammen kommen sollten, dann würde ich mit ihnen darüber reden.
So machte ich mich ausgehfertig, zog mich schick an, schminkte mich und ging aufgeregt zu meinem ersten Rendezvous nach 9 Jahren des Alleinseins.


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