So oder ähnlich könnte der Titel eines Buches über meine Traumwanderungen mit dem Gesichtslosen lauten. Doch jetzt ist er weg. Ich müsse alleine weitergehen, meinte er.
Kürzlich war ich wieder im Flusstraum. Er wirkte steril und leer, als hätte man ihm seine Seele geraubt. Kein Priester oder Händler, der auf einem Floss trieb und seinen Glauben, Dienstleistungen oder Waren anpries. Nicht einmal Kraniche waren zu sehen und das Wasser floss still und leise ohne das übliche Rauschen und Gurgeln.
Ich wollte mich gerade auf einen angeschwemmten Baumstamm setzen, da tauchte unvermittelt eine Frau auf dem Uferpfad auf. Wenn ich jetzt an diese Begegnung zurückdenke, meine ich, dass sie sehr der Marianne glich, der ich in Armins Sanatorium begegnet war: Haare, schwarz wie die Nacht, porzellanweiße Haut, Stupsnase und grüne, unergründliche Augen.
„Die Ruhe vor dem Sturm“, sagte sie, ohne Vorstellung oder Begrüßung, als hätte sie schon stundenlang mit mir geplaudert.
„Der Traum ist leer, er hat alles mitgenommen“, sagte ich und dachte dabei an den Gesichtslosen.
„Nur die Trostlosen nehmen nichts mit. Wer nichts bringt, kann auch nichts mitnehmen, wenn er geht.“
Sie redete schlimmer als der Gesichtslose. Man musste sich seinen Reim selbst machen. Ob sie ein Ersatz für ihn war?
„Dann hat er also all das in meinen Traum gebracht was jetzt fehlt? Und ich? Was habe ich dazu beigetragen? Bloß die Kulisse, die er dann mit Leben gefüllt hat? Gehöre ich etwa zu den Trostlosen, von denen Sie sprechen?“
„Ich weiß nicht, zu welcher Kategorie Sie gehören: Kulissenbauer, Statist oder Spieler, oder …“
„Dies ist ein Traum und kein Spiel oder Schauspiel“, erwiderte ich trotzig. „Das Leben ist kein Spiel und Träume sind es noch viel weniger.“
„Das ist eine Frage des Standpunktes.“ Sie lächelte wie Mona Lisa und ihr Blick ging dabei geradewegs durch mich hindurch. Etwas berührte sanft meine Gedanken. Mich fröstelte. Diese Frau gehörte nicht in diesen Traum, spürte ich.
„Ich bin auf der Durchreise“, erklärte sie.
„Man reist hier normalerweise auf Flössen“, sagte ich und deutete auf den Fluss. „Meistens abwärts, nur wenige versuchen gegen den Strom zu schwimmen.“
„Ich bevorzuge den Uferweg. Schwimmen ist nicht mein Ding. Möchten Sie mich eine Weile begleiten?“ Wiederum spürte ich wie etwas meine Gedanken berührte. Ein unheimliches Gefühl beschlich mich. Trotzdem konnte ich nicht nein zusagen.
„Wird hier tatsächlich ein Sturm aufziehen?“, fragte ich, als wir auf dem Uferpfad unterwegs waren. „Der Himmel ist klar und der Wind schläft.“
„Wer schläft ist nicht tot“, erwiderte sie.
Das kann ja heiter werden. Euer Traumperlentaucher