Man muss doch unweigerlich schmunzeln, wenn man Kindern beim Rollenspiel zusieht. Sie spielen Räuber und Polizist, Arzt und Patient oder Hochzeit. Man sieht, dass sie das Spiel noch nicht ganz richtig können: der Doktor müsste noch etwas überzeugender die Pille verschreiben oder der Polizist vielleicht mit mehr Autorität auftreten.
Als Erwachsenen spielen wir das Spiel vorbildlich. Nun ja, manche können es besser als andere. Und wenn jemand sein Rollenspiel in der Gesellschaft, am Arbeitsplatz oder in der Familie perfekt beherrscht, dann hat sie/er gewonnen.
Gewonnen? Was ist denn der Preis, den man gewinnt? Und wer genau gibt einen am Ende des Lebens gratulierend die Hand und sagt: „Sie waren ein wundervoller Grundstücksmakler (oder fallweise Büchernarr, Versicherungsvertreter, Esoteriker, Programmierer, Bischof); ja, Sie haben das Spiel virtuos gespielt und bekommen hiermit den ersten Preis.“
Was würde geschehen, wenn man die Rolle einfach ablegt und sagt: „Blödes Spiel, ich mach nicht mehr mit!“ Kann man überhaupt leben, ohne eine Rolle zu spielen? Wahrscheinlich nicht, denn dann spiele ich einfach auf eine perfekte Art und Weise das Spiel „Ich mach nicht mehr mit“.
Und doch: außerhalb des Rollen-Zirkus gibt es eine Instanz, die manche das „Selbst“ nennen, und die beobachten kann. Dieses Selbst ist mit allem anderen verbunden, deshalb spielt es keine eigene Rolle. Es ist die Funktion in uns, die reflektierender Zeuge des Geschehens ist.
Lasst uns unsere Rollen beobachten und dabei wahrnehmen, was dieses beobachtende Selbst sein könnte…
Bild oben: Nachbarskinder / 49cm x 69cm /Öl auf Pavatex / 2005, Nr.05-062