Er hat mich verprügelt

“Er hat gedacht, ich würde ihn betrügen und dann hat er zugeschlagen.“ Und als er wieder einmal zu viel
getrunken hatte und die Eifersucht ihn übermannte, griff Gladys Ehemann zur Waffe. „Ich sah ihn mit der Pistole auf mich zukommen und konnte nur noch schreien. Ich schrie und rannte“, beschreibt Gladys den Moment, der ihr Leben veränderte. Niemand kam ihr in dieser Nacht zu Hilfe. Denn in ihrem Heimatland Sambia ist es völlig normal, dass Frauen von ihren Ehemännern geschlagen werden. Seitdem versteckt sich die 33-Jährige mit ihrer jüngsten Tochter
vor dem Mann, den sie vor sechzehn Jahren geheiratet hat.

Sie hat in einem Frauenhaus in Lusaka Schutz gefunden, der Hauptstadt Sambias. Die Adresse ist streng geheim. Von dort
aus fährt sie tagsüber auf Schleichwegen zu einem Beratungszentrum für Frauen in der Innenstadt Lusakas. Manchmal muss sie dabei mehrmals das Auto wechseln – aus Angst, ihr Mann könnte sie verfolgen. Im Zentrum spricht sie mit den Mitarbeitern, die ihr psychologische Stärkung und juristische Rückendeckung geben. „Ich habe mich scheiden lassen“, erzählt Gladys. „Doch meine anderen drei Kinder sind noch bei ihm.“ Irgendwo in Lusaka, in ihrem früheren Haus, ihrem früheren Leben.

Frauen und Farben Afrikas

Lusaka: gleißende Sonne, quirlige Marktverkäufer, hupende Autos, die sich die Hauptstraßen entlang fädeln, Hunderte Menschen, die zu Fuß die Stadt durchlaufen. Die Farben Afrikas spiegeln sich in den bunten Tüchern der Frauen, die auf dem Markt die Früchte ihrer Felder verkaufen. Die, ihre Babys auf dem Rücken gebunden, sich um das Einkommen der Familie kümmern. Sie sind im südlichen Afrika zuständig für die Erziehung der Kinder, die Pflege der Kranken und die Arbeit auf den Feldern, so will es die Tradition. Kurzum: Für alles, was zum Leben notwendig ist, sind Frauen verant-wortlich. Dennoch stehen sie in der gesellschaftlichen Hierarchie unter den Männern.

Die wenigsten sind sich wie Gladys ihrer Rechte bewusst. Über 90 Prozent der sambischen Frauen halten es für nicht außergewöhnlich, dass sie von ihren Männern geschlagen werden. Damit die Frauen nicht mehr der brutalen Willkür ihrer Ehemänner ausgesetzt sind, hat CARE zusammen mit lokalen Organisationen und der sambischen Polizei das Beratungszentrum, zu dem auch Gladys täglich fährt, gegründet. Der rote Backsteinbau liegt in einer ruhigen Neben-straße, das Hupen und Rumpeln der Autos ist nur aus der Ferne zu hören. Mädchen in grünen Schuluniformen schlendern lachend mit ihren Schulranzen an der hohen weißen Mauer vorbei, die das Zentrum schützt. Darauf steht in blauen Ziffern die Telefonnummer, zusammen mit der Aufforderung, Gewaltverbrechen an Frauen zu melden. „Seit der Gründung im Frühjahr 2006 sind mehrere Tausend Frauen zu uns gekommen“, sagt Nelson Mwape, der Leiter des Zentrums. „Der Großteil davon sind Frauen, die von ihren Männern geschlagen wurden.“ Aber Nelson spricht auch von Kindesmissbrauch: „Da sich in Sambia hartnäckig das Gerücht hält, wer mir einer Jungfrau schläft, wird immun gegen AIDS, erleiden viele junge Mädchen und sogar Kleinkinder sexuelle Übergriffe.“ Das Zentrum hat einem empfindlichen Nerv der Tradition Sambias getroffen. „Wir können unserer Denken und Leben nichtvon heute auf morgen verändern“, sagt Nelson. „Organisationen wie CARE können nur den Impuls geben, ändern muss Sambia sich von innen heraus.“ Dazu hat CARE Plakatkampagnen,  Theaterstücke, Radiosendungen und Jugendworkshops organisiert, um die Frauen über das Beratungsangebot zu informieren und die Männer darauf aufmerksam zu machen, dass Gewalt gegen Frauen ein Verbrechen ist.

Der Tradition die Stirn bieten

Nelson und seine Mitarbeiterinnen sind rund um die Uhr im Einsatz. Das rote Haus ist voll mit Frauen, die auf eine Einzelberatung warten, auf einen Mitarbeiter, der sie ins Gerichtsgebäude begleitet oder eine Ärztin, die sie untersucht. „Die Männer müssen erkennen, dass Gewalt gegen Frauen eine kriminelle Tat ist, für die es eine Strafe gibt. Und dass Frauen Rechte haben“, so Nelson. Er läuft los, um zwei Frauen zu begrüßen, die an der Rezeption um Aufnahme bitten. Ein junges Mädchen, nicht älter als 16 Jahre, sitzt im Warteraum und hält krampfhaft ihre Handtasche auf dem Schoß fest, ihr Blick ist auf den Boden fixiert. Draußen steht ein Polizist und bewacht den Eingang. „Immer mehr Frauen kommen zu uns. Sie wollen nicht mehr tatenlos ertragen, was mit ihnen passiert“, sagt Nelson. Mittlerweile hat CARE ein zusätzliches Beratungszentrum in Lusaka gegründet.

Dazu sind zwei weitere in den Städten Kitwe und Chipata gekommen, zusammen mit jeweils einem Frauenhaus, in dem die Frauen wohnen, bis ihre Gerichtsverhandlung vorbei ist oder sie eine Arbeit gefunden haben. „Es ist wichtig, dass Frauenhaus und Beratungszentrum getrennt voneinander sind“, sagt Dejan von Roman, Afrika-Referent von CARE Deutschland-Luxemburg. „Das Zentrum ist offen und steht für alle zur Verfügung, die Hilfe und Beratung brauchen. Es ist die erste Anlaufstelle für misshandelte Frauen und Kinder. Das Frauenhaus ist jedoch geheim, niemand kennt die Adresse. Selbst ich nicht.“ Dort finden die Frauen die notwendige Ruhe und Sicherheit, um neue Zukunftspläne zu schmieden.

Gladys hat gelernt, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Sie bietet der Tradition die Stirn und versucht, das Sorgerecht für ihre Kinder zu erstreiten. Da sie dafür einen regelmäßigen Job braucht, arbeitet sie jetzt selbst im Zentrum und hilft anderen Frauen dabei, ein gewaltfreies Leben zu beginnen. „Ich vergebe ihm“, sagt sie nachdenklich über ihren Noch-Ehemann. „Obwohl er mich misshandelt hat, vergebe ich ihm. Um meiner Kinder willen und um selbst Frieden zu finden.“ Und um der Tradition Sambias zu zeigen, dass Frauen auch kämpfen können.

Aus: care_affair  / care.de

 


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