Für das Kulturmagazin SZ ist es "als ob das Leben selbst gestorben wäre", das Hamburger High-Tech-Blatt "Die Zeit" dagegen weiß noch gar nicht, wie es weitergehen soll: Christoph Schlingensief war schließlich "Der Unersetzliche".
Seit dem Unfalltod des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski, der nach Recherchen des Fernsehsenders n-tv die größte Tragödie aller Zeiten war, hat die Menschheit solche Schlagzeilen nicht mehr gesehen. Schlingensief war zuvor alles gewesen, Skandalnudel, Irrer, Berserker, Visionär - unersetzlich zu sein aber hatte ihm ausweislich der Google-Archive noch niemand vorgeworfen, nicht einmal "Die Zeit". Nun aber! Eine Welt ohne den umtriebigen Theatermacher, der nie einen Hit hatte, seinerzeit aber mit dem deutschen Beatle Klaus Beyer zusammenarbeitete, ist den Feuilletonisten schlicht nicht vorstellbar. Man ist "erschüttert bis ins Mark" (SZ), weil da jetzt keiner mehr ist, der wie er "den Boden aufriss, auf dem er stand" (Die Zeit).
Der "Rebell der Republik", der sein Leben lang Kunst vor allem für Künstler machte, wird amtlicherseits auch Bernd Neumann fehlen, obwohl bis zum Todestag des "Unersetzlichen" keinerlei Äußerungen des Kulturstaatsminister zum Thema Schlingensief überliefert sind. "Zu seinen Stilmitteln gehörte nicht selten die Provokation, mit der er ganz bewusst auch über den Kulturbereich hinaus Kontroversen auslösen und irritieren wollte", hat der CDU-Politiker das Schlingensiefsche Schaffen jetzt ml analysieren lassen. "Er wollte ein Aufklärer sein, ein Bußprediger und Mahner", hat auch der "Spiegel" herausgefunden, doch "die größte Wirkung hatte Christoph Schlingensief, wenn er mit genialem Blödsinn die Republik aufwühlte".
Am Ende bekommt der Konsensverweigerer, der der deutsche Wiedervereinigung im "Deutschen Kettensägenmassaker" als Schlachtfest schilderte und zuletzt in Afrika ein Festspielhaus bauen wollte, während in Deutschland die Kleinstadttheater schließen, von überallher Blumen nachgeworfen wie einstWalter Kempowski. Alles habe er gewollt, nur nicht den Tod, berichtet die ehemals ernsthafte FAZ völlig Überraschendes aus dem Leben des Künstlers, der nicht in den Himmel gewollte habe. "Jetzt ist er dort. Und stört. Und bringt Bewegung in den Himmel. Uns fehlt er jetzt schon." Der Unersetzliche.