Entscheidung in der Sierra Chica, Teil 7


Zum sechsten Teil
Ein einzelner Planwagen schälte sich mühsam aus der flimmernden Luft der Sierra Chica. Gezogen von zwei stämmigen Klapperhasen rumpelte das Gefährt, eine fahlgelbe Staubfahne hinter sich herziehend, über das schwere Geläuf der unebenen Randbezirke der Einöde. An beiden Seiten des Wagens stand in geschwungenen  Buchstaben auf der geflickten Abdeckplane geschrieben:
M. Coq au VinErlesene SpirituosenErfindungen
Auf dem Kutschbock saß der Besitzer des Wagens, ebenjener Monsieur Coq au Vin, den es vor langer Zeit aus ungeklärten Gründen aus Frankreich hierher verschlagen hatte. Er war ein beleibter Gockel in seinen besten Jahren mit einer etwas verbeulten und fleckig gewordenen Melone auf dem Kopf. Er trug eine Staubschutzbrille, denn er hasste nichts mehr, als Staub in die Augen zu bekommen und davon gab es in der Sierra Chica mehr als genug. Monsieur Coq war in eine bunt karierte Weste mit goldenen Knöpfen gekleidet, an der eine schwere Uhrkette nebst Taschenuhr hing. An der Seite führte er in einem Holster den obligatorischen Bohnenrevolver mit sich. Ein Paar staubiger Gamaschen vervollständigten das Bild, das Monsieur Coq bot. Der Planwagen war mit mehreren Fässern Wein sowie einigen Holzkisten beladen, in denen sich, fest in Stroh verpackt, Flaschen mit allerlei geistigen Getränken befanden. Zudem gab es einen geheimnisvollen weiteren Kasten, der zusätzlich mit einigen Wolldecken umwickelt war.
Gerade wollte Coq einem schroffen Felsbrocken ausweichen, der ihm im Weg lag, als sein Fuhrwerk plötzlich festsaß. Ein leises „Merde!“ entfuhr seinen Lippen, denn er wollte noch heute oder spätestens morgen früh seine Ware im Saloon eines Ortes namens San Fernando ausliefern. Mit der Peitsche trieb er seine Klapperhasen zu größerer Anstrengung an, um den Wagen wieder flott zu bekommen. Doch so sehr die Nager auch zogen und zerrten: Das Fahrzeug bewegte sich nicht von der Stelle. Stattdessen begann es, langsam im feinsandigen Untergrund zu versinken. Monsieur Coq war mit seinem Planwagen in Treibsand geraten. Gegen die erbarmungslos aufsteigende Panik ankämpfend, sprang der Händler eilig vom Kutschbock und half den Klapperhasen beim Ziehen. Doch nichts rührte sich. Es war hoffnungslos. Coqs Wagen samt Ware schien verloren. Gerade wollte Monsieur Coq damit beginnen, die Hasen auszuspannen, um wenigstens diese vor einem grausamen Tod im Treibsand zu retten, als er den einsamen Reiter bemerkte, der sich in gemächlichem Tempo dem Unglücksort näherte. Sofort rannte Coq au Vin, wild mit den Flügeln schlagend und winkend in seine Richtung, dass dabei die Federn flogen und gackerte dabei aufgeregt: „Zu 'ilfe Monsieur, so 'elft mir doch. Meine Planwagen versinkt im Treibsand und isch schaffe es alleine nischt. Monsieur, bitte, 'elft mir.“
Der Reiter gab seinem Hasen unverzüglich die Sporen und hoppelte, so schnell er konnte, zu dem immer tiefer versinkenden Fahrzeug. Rasch hatte er seinen Nager zur Unterstützung vor das Fuhrwerk gespannt. Gemeinsam mit dem inzwischen ebenfalls zurückgekehrten Händler und dessen Klapperhasen stemmte er sich gegen den unerbittlichen Sog des Treibsandes. Plötzlich, mit einem scharfen Ruck waren die Räder frei und es gelang ihnen, den schweren Wagen Zentimeter für Zentimeter aus dem bodenlosem Sand zu ziehen. Als er endlich auf sicherem Untergrund zum Stehen kam, sanken der Reiter und Monsieur Coq erschöpft und schwer atmend zu Boden.
„Das war verdammt knapp.“, sagte der Reiter, immer noch heftig schnaufend nach einer Weile.
„Und isch dachte schon, alles wäre verloren“, antwortete neben ihm der Händler.
„Gar nicht weit von hier gibt es eine Wasserstelle. Wir sollten dorthin gehen und die Tiere tränken. Die Hasen brauchen nach dieser schweren Anstrengung Erholung. Außerdem ist dort ein guter Platz für unser Nachtlager.“
Der Franzose stimmte nach einem Blick auf seine Taschenuhr zu und gemeinsam brachen sie zur Wasserstelle auf.
Isch möschte misch ganz 'erzlisch bei Ihnen bedanken, werter 'err“, sagte Coq, während sie in Richtung des Wasserlochs trotteten. „Dürfte isch wohl den Namen meines edlen Retters erfahren?“
„Keine Ursache.“ antwortete der Reiter. „Mein Name ist Sancho und ich komme aus dem kleinen Dorf Carrizo, zwei Tagesritte von hier entfernt.“
„Oh, Carrizo also. Isch kenne Pedro, den Wirt des Saloons von Carrizo. Manschmal treffe isch ihn 'eimlisch, wenn isch eine Lieferung Tequila für ihn 'abe. So weit isch misch rescht entsinnen kann, 'at der Padre ein Alko'olproblem.“
„So könnte man es auch bezeichnen.“, sagte Sancho mit einer Spur Sarkasmus in der Stimme, als die gerade die Wasserstelle erreichten.
Sie spannten die Klapperhasen von Coq au Vins Planwagen aus und führten sie, gemeinsam mit Sanchos Reittier, zur Tränke. Die Tiere tranken gierig mit klappernden Zähnen das erfrischende Wasser und machten sich dann genüsslich daran, die ohnehin schon sehr karge Flora am Ufer des Teiches vollends kahl zu knabbern. Inzwischen schlugen die beiden Hähne das Nachtlager auf. Coq packte Kochgeschirr und -zutaten, eine gemütliche Hühnerstange und verschiedene andere Gegenstände aus seinem Planwagen, während Sancho in der näheren Umgebung des Camps trockenes Holz für das Lagerfeuer einsammelte. Schließlich hatten sie sich für die Nacht eingerichtet und schon bald köchelte ein herrlich duftendes Chili dampfend in einem eisernen Kessel über dem Feuer.
Lieber Monsieur Sancho.“, begann Coq, als sie am Feuer saßen und darauf warteten, dass ihr Abendessen fertig wurde: „Sie 'aben mir 'eute aus eine große Bredouille ge'olfen. Dafür möschte isch Ihnen noch einmal meine verbindlischste Dank ausspreschen. Bitte sagen Sie mir, ob und wie isch Ihnen ebenfalls be'ilflisch sein kann, denn sie 'aben etwas bei mir gut.“
„Nun ja.“, sagte Sancho, während er das Chili umrührte: „Ich suche jemanden. Vielleicht können Sie als reisender Händler mir dabei weiterhelfen. Es wäre auch sehr dringend, denn ich muss ihn unbedingt vor dem nächsten Hühnermond finden.“
„O, là, là, das dürfte nischt allzu schwer sein. Isch kenne fast jeden rund um die Sierra Chica. Wer weiß? Womöglisch ist der Gesuchte ja darunter.“
„Ist Ihnen zufälliger Weise einen gewisser El Pollo bekannt oder wissen Sie, wo ich ihn finden kann?“, fragte Sancho voller Hoffnung.
Coq lachte schelmisch: „Mon dieu, El Pollo? Und ob isch den alten 'alunken kenne. Der Schlawiner ist eine gute Kunde und eine noch bessere Freund von mir. Isch wollte ihm sowieso eine Besuch abstatten, wenn isch nach Saint Fernando komme. Monsieur Sancho, begleiten Sie misch doch einfach.“
Die nächste Folge gibt es am kommenden Dienstag


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