Sybille saß mir mit gebeugtem Kopf und hängenden Schultern gegenüber und fing an zu weinen: “Ich wei … wei … weiß nicht, was ich wirklich w ...w...will!”
Ich reichte ihr die Papiertaschentücher. Sie riss mehrere aus dem Behälter und ließ ihre Tränen und Schnodder einfach reinlaufen. Ich wusste was jetzt kommen würde, in null Komma nix würde sie sich durch meine ganze Schachtel Taschentücher geschnäuzt haben. Ihr Anblick war wirklich bemitleidenswert. Mit verheulten, roten Augen, ganz in sich zusammengefallen vor Schmerz, kauerte sie in ihrem Sessel.
Nur … ich fühlte kein Mitleid, eher Verzweiflung.
Diese nette, attraktive junge Frau kam schon seit Monaten zu mir in meine Therapiepraxis, und oft lief es nach diesem Szenario ab.Sie war unglücklich über ihre Arbeit als Lehrerin, wusste aber nicht was sie sonst machen möchte und fühlte sich als Opfer der Welt.
Ich hatte keine wirklichen Antworten, nichts was ich tat schien zu helfen.
Meine gesamte “Trickkiste” mit Tools aus der Körpertherapie, Gestalttherapie oder Voice Dialogue hatte ich schon eingesetzt. Vergeblich. Auch wenn es ihr nach der Sitzung bedeutend besser ging, fing das Spiel beim nächsten Mal von vorne an.
Das Ganze ist jetzt 25 Jahre her und da wusste ich noch nicht, was ich jetzt weiß. Ich bin mir sicher, dass eine Sybille bei mir heute nach wenigen Sitzungen nicht mehr kommen bräuchte.
Klar, Lebenserfahrung hilft. Aber nicht nur.
Ich hatte damals genau diese Frau als Klientin, weil ich das gleiche Problem in mir selber vorfand, aber nicht wahrhaben wollte.
Jahrelang fragte ich mich immer wieder: “Was will ich eigentlich?”
Das Glück!
Schon als Kind war ich neidisch auf andere Kinder, die nur ein Ding wirklich gut konnten und auch nur das andauernd machten. Ich fand immer 100 000 Sachen faszinierend und probierte ganz viel aus. Ich zeichnete gerne, aber liebte es auch Theaterspiele und Musicals für meine Klasse zu schreiben und aufzuführen, liebte es Flöte zu spielen und zu singen, nähte gerne Puppenkleidchen, schrieb endlose Geschichten und ganze Romane, erfand eigene Radio-Shows oder Quiz-Spiele mit meiner Cousine und das alles im Kindes - und Jugendalter.
Probieren und studieren.
Später wusste ich nicht, was ich studieren sollte: Ich scheiterte im ersten Jahr Tiermedizin. Dann studierte ich Medien und Journalistik, das brachte ich zu Ende. Ich hatte 10 verschiedene Jobs innerhalb von 10 Jahren, so unterschiedlich wie PR bei der Oper in Brüssel, aber auch bei IBM oder im Makrobiotischen Zentrum. Ich arbeitete für eine Organisation, die die Rolle der Frau in der Gesellschaft analysierte und machte ein Praktikum bei einer NGO für europäische Zusammenarbeit (und begegnete da einer ganz jungen Petra Kelly, lange bevor sie bei den Grünen politisch aktiv wurde). Es war eine chaotische Zeit. Ich wusste in diesem Trubel vor allem eins: Ich fühlte mich innerlich immer unausgeglichen, unzufrieden und unerfüllt. Das veranlasste mich dazu irgendwann in Psychotherapie zu gehen und weil ich das so liebte, machte ich später psychotherapeutische Ausbildungen. Ich hatte es gefunden: Das Leben ist Therapie!Träume werden wahr! Oder doch nicht?
Irgendwann lebte ich in Deutschland, hatte einen Mann, einen kleinen Sohn und eine gut laufende Therapiepraxis, aber mit solchen Klienten wie Sybille machte es mir einfach keinen Spaß mehr. Meiner Supervisorin heulte ich vor: “Ich weiß nicht was ich will!” Ach, das kam mir aber gar nicht bekannt vor! So fasste ich den großartigen Beschluss, dass ich es gar nicht vermag zu helfen (eine große Wahrheit) und hörte mit meiner therapeutischen Arbeit auf.
Einen Monat nachdem ich die Praxis geschlossen hatte, wurde ich noch mal schwanger und bekam eine Tochter. Ich war glücklich. Nur nicht lange. Nach einem Jahr mit 2 kleinen Kindern zuhause wollte ich wieder über etwas anderes reden als Töpfchentraining, Abstillen und das beste Waschmittel für allergische Kinder. Eine Freundin schleppte mich mit auf ein Meeting, wo eine “selbständige Direktorin” über ihr Geschäft mit Kosmetik im Direktvertrieb sprach. Ich saß wie elektrifiziert da: DAS war es! Das war genau das was ich machen möchte. Ich hatte keine Ahnung, dass es überhaupt so etwas gab. Es hörte sich fantastisch an. Kosmetik Party, Spaß mit Freundinnen und viel Geld verdienen! Und so fing ich an meine Freundinnen und meine Familie mit Kosmetikprodukten zu beglücken und fühlte mich persönlich beleidigt wenn sie davon nichts wissen wollten.
Geschäfte machen! Oder doch nicht?
Ich kann wirklich Bücher darüber schreiben was ich alles versucht habe, um in diesem Geschäft erfolgreich zu werden. Und warum es trotzdem nicht geklappt hat. Ich ließ mich durch immer andere Network Marketing Firmen verführen, wo das Gras noch grüner erschien und die Versprechen nicht grün, sondern golden glänzten. Wenn ich jetzt zurückschaue verstehe ich was ich da eigentlich machte. Nur damals wollte ich nichts wissen und nichts hören. Ich habe richtig viel Geld verdient, aber auch in den Sand gesetzt, weil ich Sturkopf meinte: Da, jetzt gleich in dieser neuen Firma, da liegt mein Glück und da werde ich erfolgreich!Und habe ich es geschafft? Ich mache es kurz. Nein. Auch meine später selber aufgebaute Firma mit einem Freund als Geschäftspartner endete im Bankrott. Mit 54 Jahren saß ich auf einem riesigen Scherbenhaufen: Wir hatten gar kein Geld mehr, alles war verloren. Ich musste Hartz4 beantragen, um überleben zu können. Ich war am Ende.
Von ganz unten nach oben.
8 Jahre sind vergangen. Heute sehe ich das alles, aber auch wirklich alles genau so kommen musste. Ich hätte mich vor diesem Untergang gar nicht retten können. Oder krasser ausgedrückt:
Der Untergang war meine Rettung!
Ohne meinen Bankrott hätte mein Ego nie kapituliert. Ohne die darauf folgenden langen Jahre des Weitersuchens nach meiner “Berufung” , der Verzweiflung und der darauf unweigerlich auftauchenden Krankheiten hätte ich nie entdeckt, dass ich gar nichts mehr suchen muss, das ich perfekt bin und unendlich geliebt werde, genau so, wie ich bin. Ohne meine Depression wäre ich nie dafür aufgewacht das mein Glück einzig und allein von mir selber abhängt und dass ich es nur in meinem Inneren finden kann.
In diesem Blogpost "Brauchst du ein Wunder"?erzähle ich darüber welche Wunder ich anfing zu erleben als ich mein altes Ich aufgab und mein ganzes Herz in Gottes liebevolle Hände legte.
In den letzten 6 Monaten hatte ich das Gefühl, das ich endlich wieder im Leben angekommen bin. Aber natürlich meldete sich mein altes kleines Ich schnell zurück mit einer einzigen Frage: “Und, was willst du jetzt?” Oh ja, da war doch was. Das kenne ich! Habe ich da jetzt eine Antwort? Zuerst ging ich dem auf dem Leim und schaute ernsthaft hin: Was will ich? Was kann ich tun? Die gleichen Fragen kamen, die bekannten alten Kreise fingen an sich zu drehen. Ich war bestürzt.
Das neu gefundene Glück.
Schnell wusste ich aber auch die endgültige Antwort, und seitdem schwanke ich nicht mehr!
“Alles was ich brauche ist schon da. Ich werde mich führen lassen und fange einfach an, das zu tun, worauf ich Lust habe, was mir Spaß macht. Dann wird sich mein Weg voller Leichtigkeit, ganz natürlich, ganz unkompliziert zeigen.”
Und so ist es. Ich habe mich besonnen auf das was Gott für mich will und das ist nur eins: das ich glücklich bin.
Was macht mich glücklich? Das weiß ich genau: Schreiben und Menschen helfen ihnen die Blockaden gegen die Liebe, die sie sind, zu entfernen.
Mein Ego will trotzdem immer dazwischen funken und mir klar machen, dass es so leicht und einfach nicht sein kann. Ich habe doch so viele Bücher angefangen und nie zu Ende geschrieben. Mein Deutsch ist nicht gut genug. Wer soll das überhaupt lesen wollen? Alles wichtige wurde schon längst geschrieben, das muss ich nicht nochmal wiederholen.
Und wieder Lebensbegleitung anbieten? Wer will das, wenn sie sich meine kaputte Biografie anschauen! Blah,blah, blah!Aber ich höre nicht mehr auf diese Stimme, ich drehe mich um und schaue in das Licht, das wie eine Sonne in mein Herz strahlt. Diese Sonne will nur ihr Licht strahlen lassen, will sich verbinden mit allem was Liebe ist, will zeigen, dass diese Liebe in allen Menschen da ist. Ja, auch in dir. Du hast es vielleicht vergessen. Ich bin dazu da dich daran zu erinnern.
Dann lernst du, die Leidenschaft in dir erwecken zu lassen. Die Leidenschaft, die daraus entsteht, dass du dich von deinem Herzen führen lässt, dass du wieder das tust, was dir am meisten Freude macht.Ach, und nebenbei retten wir dadurch die Welt. Davon bin ich feste überzeugt. Du brauchst keinen Plan, du brauchst nichts, was nicht schon längst in dir angelegt wurde. Schaufel es frei, damit es leben und atmen kann. Befreie es von Erde und Dreck. Poliere es, bis es glänzt und bald wirst du einen Goldschatz haben, wovon du nicht mal in deinen kühnsten Träumen ahnte, dass er in dir verbuddelt war. Alles was du willst kannst du erreichen. Du brauchst nur deine Hand ausstrecken, um Hilfe beten und es wirklich wollen. Das genügt.
Dabei bist du nicht alleine. Auch ich habe Hilfe von großartigen Wegbegleitern und Lehrern bekommen. Ich bin da um dich auf deinem Weg zu begleiten, anzuspornen und dir zuzujubeln. Ich glaube an dich! Du schaffst das!
Folge deinem Herz und du wirst in deiner Leidenschaft ankommen!
Deine Joan