| Alexander von Humboldt und die Erfindung der Natur | Andrea Wulf | C.Bertelsmann, 2017 | 978-3570102060 | 24,99 €
Was hat Alexander von Humboldt, der vor mehr als 150 Jahren starb, mit Klimawandel und Nachhaltigkeit zu tun? Der Naturforscher und Universalgelehrte, nach dem nicht nur unzählige Straßen, Pflanzen und sogar ein »Mare« auf dem Mond benannt sind, hat wie kein anderer Wissenschaftler unser Verständnis von Natur als lebendigem Ganzen, als Kosmos, in dem vom Winzigsten bis zum Größten alles miteinander verbunden ist und dessen untrennbarer Teil wir sind, geprägt. Die Historikerin Andrea Wulf stellt in ihrem vielfach preisgekrönten – so auch mit dem Bayerischen Buchpreis 2016 – Buch Humboldts Erfindung der Natur, die er radikal neu dachte, ins Zentrum ihrer Erkundungsreise durch sein Leben und Werk. Sie folgt den Spuren des begnadeten Netzwerkers und zeigt, dass unser heutiges Wissen um die Verwundbarkeit der Erde in Humboldts Überzeugungen verwurzelt ist. Ihm heute wieder zu begegnen, mahnt uns, seine Erkenntnisse endlich zum Maßstab unseres Handelns zu machen – um unser aller Überleben willen.
Ich habe nicht viel Ahnung von den Naturwissenschaften. In der Schule erreichte ich gerade einmal die Noten 3 und 4 und auch sonst bleibt mir vieles verborgen. Trotzdem macht man sich Gedanken über die Natur, redet über das Bienensterben, freut sich über jeden Vogel, den man sieht und versteht wenigstens die Zusammenhänge in der Natur. Für letzteres war Humboldt der Vater des Gedanken. Gleich vorab schränke ich die Sicht auf dieses Sachbuch dennoch ein:
Es ist kein hoch wissenschaftliches Werk, es ist auch in der Erzählweise davon entfernt an jeder Stelle perfekt zu sein. Dennoch ist es ein gut zu lesendes Werk über das Leben Humboldts: für das erste Interesse, für die Wahl, sich Gedanken über die Natur zu machen und zum Aufrütteln.
Andrea Wulf versucht ein Leben nachzuzeichnen, das viele andere Menschen beeinflusst hat. Humboldt war ein Fuchs: immer getrieben von der Gier mehr zu wissen, mehr zu verändern und mehr Menschen, die Möglichkeit zu geben, zu verstehen. Die Autorin versucht nicht, sein Leben haarklein nachzuerzählen. Sie beschränkt sich auf wichtige Freundschaften, wichtige Arbeiten und auf den Menschen Humboldt, der den Naturgedanken erfand. Dabei ist letzteres ein Gedanke, den wir heute tatsächlich noch nutzen, nur wissen nicht viele, dass Humboldt ihn zuerst gedacht hat.
Wobei mit dem „zuerst denken“ ist es immer so eine Sache. Wessen Idee war jenes? Wer hat zuerst gesagt, dass alles zusammenhängt? Irgendjemand muss der Vater des Gedankens gewesen sein und durch Wanderungen, Pflanzen und seinem Geist, war es Humboldt. Das Buch prahlt nicht mit vielen Fremdworten oder vielen anderen Wissenschaftlern aus der Zeit. Es skizziert auch nicht, wie der Vater des Gedanken, Humboldt, von vielen anderen Gedanken darauf gelenkt wurde. Es versucht, den Leser ein Leben für die Leidenschaft nahezubringen. Freunde, die Humboldt hatte, werden genannt. Da wäre sein Bruder, eine eher schwierige Beziehung oder Goethe. Aber, und die Kapitel waren sehr interessant, die Autorin versucht auch Humboldts Gedanken auf Menschen zu beziehen, die damit weiter gearbeitet haben. Und das sind nicht nur Naturwissenschaftler im eigentlichen Sinne, sondern auch Revolutionäre und Literaten. Der Zusammenhang eines großen Gedanken, der wird sehr gut dargestellt.
Wenn aber ein paar Erklärungen ausgelassen werden, welche Pflanzen was bewirken, wie schwierig es war, Forschungsvorhaben zu diese Zeit durchzubringen oder welche Kriege herrschen, können mir diese Erklärungen fehlen oder auch nicht. Mir fehlten sie nicht, da ich mich auf Humboldt konzentrierte und nicht auf sein Umfeld bis ins Detail. Es mag sein, dass es viel ausführlicher sein könnte, aber für mich war wichtig, dass das Buch einen Wissensdurst weckte. Daraufhin recherchierte ich andere Werke von Humboldt: den Kosmos – sein großes Werk, seine „Ansichten der Natur“ und „Die Reise nach Südamerika“. Das Buch weckte das Verlangen, Humboldts Gedanken in seinen Worten zu lesen, mit ihm zu denken und mit ihm zu reisen. Kann ein Buch mehr erreichen? Ich glaube nicht. Die anderen Bücher habe ich nun zuhause, ausgeliehen aus der Stadtbibliothek. Ich werde ihn weiter begleitet und empfehle das Buch von Frau Wulf für Menschen, die einen ersten Überblick haben möchte, die noch nicht bereit sind für richtige Fachbücher, die sich aber nicht scheuen Neues zu entdecken.
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