Viele staunen nicht schlecht, wenn ich erzähle, dass ich zur Arbeit 65 km pro Strecke fahre (ok, zurzeit nicht, weil ich Elternzeit habe). Und wenn ich dann noch sage, dass ich meine Mama im Sauerland mindestens einmal im Monat besuche (150 km eine Strecke), dann kriegen sie den Mund nicht mehr zu, denn ich besuche sie meistens für „nur" einen Tag, also morgens hin und abends zurück. In besten Zeiten bin ich vom Sauerland aus bis zur Arbeit 100 km pro Strecke gefahren, an einem Tag hin und zurück.
Ihr sagt, das ist anstrengend? Ich sage: ne, ist es nicht. Kommt aber natürlich auf die Sichtweise an. Wenn meine Arbeit laut Eurer Definition mit dem Einsteigen ins Auto beginnt und endet, wenn ich aus dem Auto aussteige, ist das anstrengend, das stimmt. Wenn ich die Fahrt allerdings schon als Freizeit ansehe, dann ist es doch halb so schlimm. Ich mache mir gute Musik an und singe lauthals mit. Zur Arbeit geht das ja noch, weil ich dann allein im Auto bin. Wenn ich meine Mama im Sauerland besuche, dann bin ich nicht allein. Meist schlafen die Kinder zumindest die ersten 45 Minuten der Fahrt, sodass ich in der Zeit leise Musik hören kann und das als Ruhezeit nutze. Ich muss doch „nur" Autofahren. Wenn die Kinder wach sind, dürfen sie bzw. darf zurzeit die Große entscheiden, was wir für Musik hören und dann singen wir zusammen. Bald darf die Kleine dann auch mit entscheiden, also eine sucht die Musik für die Hinfahrt und eine für die Rückfahrt aus.
Und diese Sichtweise ist doch auf so vieles übertragbar.
Mein Tag mit den Kindern kann durchaus anstrengend sein und Stress verursachen. Wir stehen morgens gemeinsam auf, dann müssen die beiden Kinder und ich duschen, wir müssen uns anziehen, die Zähne putzen, usw. Dann gibt's Frühstück. Klar kann ich das alles wie einen Pflichtablauf gestalten und mich aufregen, wenn die Kinder vielleicht mal nicht so mitmachen, wie ich das gerne hätte. Ich kann es aber auch locker angehen und nicht auf die Uhr gucken. Wir stehen in Ruhe auf nach einer kleinen Tob- und Kitzelpartie im Bett, singen Lieder beim Anziehen oder unter der Dusche und wenn wir fertig sind, bereiten wir gemeinsam das Frühstück vor. So klappt das viel besser und entspannter, als wenn ich den Takt vorgebe und der einzige Anspruch ist, möglichst schnell fertig zu werden. Warum eigentlich? Uns hetzt doch keiner, wir haben doch alle Zeit der Welt und es interessiert keinen, ob wir 5 Minuten früher oder später fertig werden. Und was soll schon passieren, wenn wir nicht um 9 Uhr sondern erst um 9:15 Uhr fertig werden.
Das Gleiche sind auch Treffen mit Freunden oder das Besuchen von Spielgruppen. Ich kann es als Stress ansehen, dass wir dann rechtzeitig fertig werden müssen und die Sachen zusammenpacken (Bloß nichts vergessen!). Oder ich kann mich daran erfreuen, dass ich die Zeit habe, mit meinen Kindern all das zu erleben und noch nicht wieder arbeiten zu müssen.
Wenn ich mir vor Augen führe, dass wir unser Familienmodell so gewählt haben, dass mein Mann arbeitet und ich nicht, bzw. wenn die Große im Kindergarten ist, in Teilzeit, dann ist mein (unbezahlter) Job die Betreuung der Kinder. Das ist ein Job, der rund um die Uhr ausgeführt wird, quasi wie Bereitschaft. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, weil es mir meistens Freude macht, mich um die Kinder zu kümmern und mit ihnen Zeit zu verbringen. Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen gegenüber meinem Mann, dass ich so viele schöne Sachen mit den Kindern unternehmen kann, während er arbeiten muss. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es (besonders nachts) überhaupt nicht planbar ist, wann sie einschlafen, wie lange sie schlafen und dadurch, wie viel Zeit am Stück ich schlafen kann. Auch tagsüber ist es manchmal so, dass sie sich allein beschäftigen und manchmal, dass sie mich andauernd brauchen und ich zwischendurch nicht mal dazu komme, zu essen. Das ist sicherlich bei meinem Mann auch so: mal hat er lästige Aufgaben und manchmal Aufgaben, die ihm Spaß machen. Warum also ein schlechtes Gewissen haben?
Wenn ich Schönes mit den Kindern erlebe und unternehme, werden meine Batterien aufgeladen.
© Tim Reckmann / pixelio.deDann, wenn sie mich brauchen, um zu trösten, zu stillen, sie in den Schlaf zu begleiten, ihre Hand zu halten, einfach für sie da zu sein, genügend Energie zu haben. Manchmal ist es so, dass es mehr Momente gibt, die Energie verbrauchen als die, die es aufladen. Das kommt zum Beispiel dann vor, wenn eins der Kinder krank ist oder wenn Vollmond ist und beide schlecht schlafen. Deshalb ist es wichtig, immer immer immer genug schöne Momente zu erleben, damit die Batterie nie ganz entladen wird. Denn ein starker Energieverbrauch ist nicht planbar. Und wenn kurz vor so einer Phase die Batterie schon fast leer ist, kann ich nicht so für sie da sein, wie sie es brauchen.
Es ist zurzeit mein Job, die Zeit mit den Kindern zu verbringen, sie zu betreuen, für sie da zu sein und das zu tun, was sie fördert, beschäftigt und ihnen das erfüllt, was sie brauchen. Dass ich kein Gehalt dafür bekomme, ist nebensächlich, denn dadurch, dass ich zu Hause bin, sparen wir für die Zeit die Betreuungskosten, was nicht zu verachten ist. Ich habe also jetzt kein schlechtes Gewissen mehr, sondern genieße die schönen Momente, freue mich daran, tanke meine Energiereserven auf, um dann ausreichend Energie und Kraft zu haben, wenn sie gebraucht wird. Wenn die Energiebilanz unter dem Strich positiv ist, kann ich doch zufrieden sein.
Wie tankt Ihr auf? Geht das überhaupt mit Kindern oder braucht Ihr dafür Zeit allein? Ich wünsche Euch, dass Ihr Eure Energiereserven nie aufbrauchen müssen und oft genug aufladen könnt. Eure Renate34 total views, 34 views today