Endlose Weite

Ab halb sechs wuselt es im El Puntido. Die ersten verlassen gegen sechs Uhr die Herberge. Wir genießen den starken Kaffee und den frischen Orangensaft, das süße Croissant und das Pain au chocolat. Um 6.40 Uhr starten auch wir – ohne Stirnlampe, denn man kann schon gerade genug sehen. Anders als erwartet führt der Camino nicht auf den gegenüberliegenden Bergseite wieder aufs Hochplateau, sondern er folgt dem Tal hinunter auf einem schönen Weg bis San Antón, einer sonderbaren Klosterruine. Die Straße führt mitten durch das Bogengewölbe hindurch – so wie früher die historische Pilgerroute. Die ersten Sonnenstrahlen treffen auf die Spitztürmchen der Ruine, die im 12. Jahrhundert Pilgerhospital des Sankt-Antonius-Ordens war.
Vor uns sehen wir bereits die eindrucksvolle Silhouette von Castrojeriz, überragt von der Burg aus dem 9. Jahrhundert, die sich hoch über der Stadt auf einem Hügel erhebt. Unsere Schatten sind noch lang und schlank und gehen uns meterweit voraus.
Am Ortseingang treffen wir auf die Klosteranlage Santa Maria del Manzano (11.-13. Jh.). Während die Kirche noch geschlossen ist, hilft uns die Bar gegenüber mit Kaffee und frischem Orangensaft weiter. Viele Kirchen, die früher stets offen waren, werden seit einiger Zeit über Nacht geschlossen. Offenbar waren nicht alle Pilger nur fromm!
Am Nachbartisch sitzt das “Team Blau” aus Frankfurt: Julia und Tabea. Sie sind vor uns gestartet.
Wir gehen durch die endlos lange Hauptstraße von Castrojeriz. Im 11. Jahrhundert zählte die Stadt (heute 1.100 Einwohner) bis zu neun Kirchen und sieben Pilgerhospitäler.
Der Camino führt uns auf einer römischen Brücke vollends durch die Talsenke. Offene Felsformationen vermitteln Wild-West-Flair. Ein Schild warnt vor einem 12-prozentigen Anstieg. Eine halbe Stunde später sind wir auf 910 Meter Höhe angelangt und erleben einen famosen Rundumblick und hinunter zurück auf Castrojeriz. Nicht lange und ein 18-prozentiger Abstieg steht bevor. Immerhin sind die steilsten dreihundert Meter stabil zementiert. Im Stillen danke ich dem Herrn von der Zementindustrie!
In der Ferne leuchten gelbe Sonnenblumenfelder. Die vorherrschende Farbe ist hellbraun, erdbraun. Der Himmel spannt sich weit und wolkenlos über die ausladende Szenerie. Kilometerlang geht es weiter. Schritt für Schritt. Knirschend im Schotter des staubigen Weges.
Nach etwa einer Stunde ist Gelegenheit zur Pause. An einer kleinen Quelle verkaufen einige Männer Bananen und heißen Kaffee.
Wir gehen an der uralten Kirchenherberge San Nicolàs vorbei  und überqueren auf einer alten Brücke den Rio Pisuerga (Puente de Itero del Castillo). Die Provinz Panecia empfängt uns mit einer übergroßen Tafel. In Itero de la Vega machen wir die wohlverdiente späte Mittagspause. Im Freien sitzen wir mit dem kühlen Radler imschatten. Dann strömen die Einheimischen in Scharen herein und wir gehen nach nebenan zum Menu del Peregrino. Zwei Stunden lang wandern wir durch die Ebene bis wir nach einigen Kuppen reichlich geschafft unser heutiges Ziel, Boadillo del Camino erreichen. Direkt neben der Kirche checken wir in der Pilgerherberge ein. Stefan entschließt sich zum Weiterlaufen, sein Zeitplan ist eng.
Nach dem Abendessen mit lokaler Knoblauchsuppe sitzen die Pilger noch draußen im Freien. Manche lassen ihre Füße in den kleinen Pool baumeln, andere verfolgen gespannt die drei Storchenpaare, die kurz vor Sonnenuntergang einfliegen und die Nester hoch oben auf dem Kirchturem in Beschlag nehmen. Aus allen Ecken kommen fiese Stechmücken…

Heute waren es 28,9 km, 328 Meter auf- und 438 Meter Abstiege. Das Nettotempo lag bei 4,61 km/h. 


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