Osama Bin Laden ist tot. Es dauert einen Moment, bis man den Sinn dieser Nachricht versteht. Nicht irgendein „Hoher Al-Quaida“-Führer oder eine andere „wichtige Person im Terror-Netzwerk“ wurde getötet, sondern der Mann, der für viele den Kopf der Schlange symbolisiert.
Für Amerika ist es definitiv ein Sieg… wenn nicht ein Phyrrhus-Sieg. Mehr als zehn Jahre nach dem 11. September, mehr als 7000 tote Soldaten im Irak und in Afghanistan und unzählbaren zivilen Opfern später, wurde tatsächlich eine Mission accomplished. Jedoch nicht durch den, der sie begonnen hat, sondern durch den, der sie beenden wollte.
Hier in Europa ist es nur eine Frage der Zeit, bis von allen Seiten des politischen Spektrums versucht wird den Tod Bin Ladens zu delegitimieren. Für Europa war Bin Laden nie wirklich präsent und für mindestens ebensoviele stellte er nie eine ernsthafte Gefahr dar. Jemand der in einer Höhle zwischen zwei zentralasiatischen Ländern, die auf „-stan“ enden hockt, ist für uns eher unglaubwürdig. Doch in Amerika hat man einen anderen Zugang. In Amerika gab es ein 9/11. Die Vereinigten Staaten sind in die Konflikte im Irak und in Afghanistan stärker involviert als alle europäischen Länder zusammen und Bin Laden war kein seltsamer Höhlenmensch, sondern der Kopf einer Schlange, die es auf jeden guten Amerikaner abgesehen hat (ironischerweise hat sie von den besten Amerikanern gelernt).
Doch ist seine gezielte Tötung legitim?
Vereinigungen wie Hamas, Taliban oder Al-Quaida haben es selten gezielt auf jemanden abgesehen. Generell gilt, dass sich die Anzahl der Opfer proportional zum „Erfolg“ eines Anschlages verhält. Wichtige involvierte Personen gelten als Multiplikator. Durch eine gezielte Tötung wird (möglicherweise) ein weiterer Schaden minimiert. Andererseits: Hat nicht auch jemand wie der Kriegsfürst Bin Laden ein Recht auf ein faires Verfahren? Wie viele Tote hat Bin Laden zu verantworten? Sollte tatsächlich er hinter den Anschlägen vom 11. September stecken, so hätte man 3000 Tote. Addiert man sehr großzügig zivile und militärische Opfer in Krisenregionen hinzu, so könnte man unter Umständen auf 6000 -10.000 getötete insgesamt kommen. Adolf Eichmann ermordete von seinem Schreibtisch aus 6 Millionen Menschen. Adolf Eichmann hat einen fairen Prozess bekommen. Doch gelang es bei Eichmann, dass man ihn aus dem Land schaffte. Wie hätte es sich bei Bin Laden verhalten, wenn man ihn gefangengenommen und ihm ein gerechtes Verfahren zugestanden hätte? Mit dieser Aktion wären nicht nur die amerikanische Soldaten beim Transport gefährdet worden, sondern generell alle Soldaten in den Kriegseinsätzen. Man hätte mit einer Mischung aus Verzweiflungs- und Vergeltungsschlägen zu rechnen gehabt. Am Ende wäre mit großer Sicherheit ohnehin die Todesstrafe fällig gewesen. Doch was, wenn nicht? Was wäre passiert, wenn Bin Laden sogar freigesprochen wäre? Zugegeben – die Idee ist sehr weit hergeholt, aber diese Annahmen verdienen es durchgedacht zu werden.
Welchen Sinn hätte es, den Staatsfeind zu inhaftieren? Würde er das westliche Wertesystem erlernen? Würde er für seine Taten sühnen? Wäre er nach seiner Freilassung ein besserer Mensch? Oder würde eine Gefahr bestehen, dass er andere Häftlinge beeinflusst?
Zusammengefasst ist die Tötung Bin Ladens vor allem eines: „Sauber“. Zivile und militärische Opfer wurden vermieden. Ein Großteil der Vergeltungsschläge ebenso. Die nächsten Terrorwarnungen sind durchaus berechtigt, jedoch fällt für die Täter etwas weg: Eine Identifikationsfigur. Der Märtyrermacher hatte selbst keinen Märtyrertod und es lässt sich auch schwer als solcher darstellen. Das Vorbild wurde einfach erschossen. Keine Dramatik, keine letzten Worte, kein Leidenskampf. Was die Zukunft bringt wird sich in den nächsten Wochen und Monaten abzeichnen. Zu hoffen bleibt, dass dieses Ereignis eher ein Ende als einen Anfang darstellt.