Von Stefan Sasse
Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg ist gescheitert. Die Grünen haben die Koalition aufgekündigt und streben Neuwahlen an; da die SPD sich ebenfalls dafür ausgesprochen hatte dürfte es wahrscheinlich sein, dass es auch zu diesen kommt. Mit dem Hamburger Bündnis endet auch die nun zwei Jahre andauernde Feuilleton-Euphorie über die Idee einer Koalition zwischen schwarzen Christdemokraten und grünen Grünen. Die Idee war von Anfang an eine Totgeburt, zum Leben erwacht einzig und allein durch das andauernde Hochschreiben in der Presse, dem sich selbst der Freitag nicht entziehen konnte, der noch vor der Bundestagswahl ein Titelthema dazu hatte. Existiert hat die Gemeinsamkeit zwischen Schwarz und Grün, die oft beschworene neue Bürgerlichkeit, nur in den Köpfen der bürgerlichen Leitartikler. Sie war besonders ein Resultat der Enttäuschung über die FDP seit Herbst 2009.
Ja, es war und bleibt richtig, dass die Grünen eine Partei der Mittelschicht sind. Ihr Elektorat besteht aus Besserverdienenden und solchen, die es werden wollen. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten mit der CDU (und, der Vollständigkeit halber, der FDP). Die Grünen sind, die Proste von Stuttgart21 und Castor zeigen es deutlich, anders gebaut als die Union und die FDP. Den beiden letztgenannten spielt die Ordnung und heile bürgerliche Welt eine große Rolle. Sie stehen voll auf dem autoritären Staat, mit Polizei, Gerichten und wenn es sein muss der Bundeswehr im Inneren. Die Grünen tun das nicht, haben trotz ihrer Zeit in der rot-grünen Koalition nie komplett mit ihren basisdemokratischen, anti-parteilichen Wurzeln gebrochen. Oh, sicher, das "Anti-Partei"-hafte, das die Grünen heute noch haben, ist zum Ritual geworden, gerne auf den Parteitagen zelebriert, indem man die Führungsspitze rituell bloßstellt (wie nun etwa bei Olympia). Ein Ritual, gewiss.
Aber Rituale haben Wirkmächtigkeit. Selbst wenn Grüne wie Cem Özdemir oder Boris Palmer innerlich tatsächlich die Präferenz für Schwarz-Grün haben, die ihnen die Leitartikler beständig auf den Leib schrieben - sie dürften die Lektion aus der rot-grünen Zeit von Schröder gelernt haben, dass ein Elektorat zu halbieren keine allzu schwierige Sache ist, wenn man es nur heftig genug in das politische Gemächt tritt. Deswegen ist die schwarz-grüne Idee auch, was im englischen so treffend als "pipe-dream" bezeichnet wird, ein Luftschloss, reine Phantasterei. Es malte sich gut in der Theorie aus, den Praxistest bestand es nicht. Die Verve, mit der Grüne und Schwarze gerade aufeinander einschlagen, entspringt wohl der Einsicht dieser Tatsache. Für die Grünen ist das nicht weiter schlimm; sie haben ihre potentielle Wählerschaft verdoppelt, denn es gehört zu den Absurditäten des deutschen Politikbetriebes, dass sie ganz egal was sie tun "authentisch" bleiben. Sie können Hartz-IV ohne Widerrede mittragen und nun den Ausbau des Sozialstaats fordern, niemand macht sie auch nur darauf aufmerksam. In der SPD stürzte ein Vorsitzender über die Ausweitung des ALG-I für sechs Monate.
Schwarz-Grün ist damit als Option sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hamburg erst einmal vom Tisch, wenn dort im März gewählt wird. Auch in Sachsen-Anhalt dürfte eher nicht damit zu rechnen sein, in Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz erst recht nicht. Auch in Berlin verlaufen die Gräben zwischen den Parteien tief; dort machen es die Grünen mit der SPD und der LINKEn unter sich aus. Die Frage bleibt also nur, wie dieser Vorgang einzuordnen ist. Die Grünen haben sich in der letzten Zeit eigentlich nicht verändert. Ihr kometenhafter Aufstieg in der Demoskopenlandschaft könnte genau das bleiben, und ihr großer, vielleicht ihr größter, Vorteil ist, dass sie sich dessen bewusst sind. Das Programm, das sie vor kurzem in Freiburg verabschiedet haben, atmet jedenfalls den gleichen Geist, den auch das Programm zur Europawahl und Bundestagswahl 2009 geatmet haben. Sie bleiben sich vorerst treu, ob man das gut finden mag oder nicht. Sollte es 2013 zu einer rot-rot-grünen oder rot-grünen Koalition kommen, werden die Grünen sich - wenn man die aktuelle Entwicklung zum Maßstab nehmen kann - nicht überragend gegenüber der rot-grünen Ära 1998-2005 geändert haben.
Welche Konsequenzen also hat dies für ein potentielles Bündnis? Die größten Reibungen dürften die Grünen und die LINKE eigentlich nur auf dem Feld der Außenpolitik haben. Nimmt man das verabschiedete Freiburger Programm zum Maßstab, liegen die beiden Parteien bei dem Magengebiet der LINKEn, der Sozialpolitik, dichter beeieinander als die SPD und die LINKE. Dazu kommt, dass die Grünen auf diesem Feld relativ beweglich sind. Ihr Klientel ist das der Gutverdiener, und deren Interessen liegen letztlich eher auf dem Feld der Kultur- und Bildungspolitik. Grün wählen ist eine Art Lebensgefühl, schon allein, weil die Grünen nicht nur eine Partei der Mittelschicht, sondern der gebildeten Mittelschicht sind. Die beiden Parteien werden sich hier kaum ernsthaft streiten, einzig die "Friedenspolitik" und wer für sich in Anspruch nehmen darf diese besser zu vertreten ist ein ernsthafter Streitpunkt.
Die größte Unbekannte in der Gleichung bleibt die SPD, innerlich schwer zerrissen, in den Umfragen weiter unbeliebt, unglaubwürdig und hin- und hermäandernd. Man sollte sich nicht so sehr auf die Grünen als neue Modeerscheinung versteifen, sondern lieber die SPD unter die Lupe nehmen. Die Chancen sind gut, dass in den kommenden Landtagswahlen und in der Bundestagswahl 2013 nicht die Grünen das Zünglein an der Waage sein werden, sondern die SPD. Anders als die Grünen kann sie zwar auch nicht wirklich mit der CDU, ohne ihre Wähler zu befremden, nur stört dies die Seeheimer nicht. In den letzten Jahren haben die rechten Sozialdemokraten mehrfach bewiesen, dass sie bereit sind, mit dem Beelzebub ins Bett zu steigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Es ist derzeit völlig unabsehbar, wo die Partei in sechs Monaten sein wird, geschweige denn in den drei Jahren bis 2013. Die Grünen dagegen dürften da leichter einzuschätzen sein. Das ist eigentlich nur für das Feuilleton eine schlechte Nachricht, das sich nun einen anderen feuchten Traum suchen muss.
Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg ist gescheitert. Die Grünen haben die Koalition aufgekündigt und streben Neuwahlen an; da die SPD sich ebenfalls dafür ausgesprochen hatte dürfte es wahrscheinlich sein, dass es auch zu diesen kommt. Mit dem Hamburger Bündnis endet auch die nun zwei Jahre andauernde Feuilleton-Euphorie über die Idee einer Koalition zwischen schwarzen Christdemokraten und grünen Grünen. Die Idee war von Anfang an eine Totgeburt, zum Leben erwacht einzig und allein durch das andauernde Hochschreiben in der Presse, dem sich selbst der Freitag nicht entziehen konnte, der noch vor der Bundestagswahl ein Titelthema dazu hatte. Existiert hat die Gemeinsamkeit zwischen Schwarz und Grün, die oft beschworene neue Bürgerlichkeit, nur in den Köpfen der bürgerlichen Leitartikler. Sie war besonders ein Resultat der Enttäuschung über die FDP seit Herbst 2009.
Ja, es war und bleibt richtig, dass die Grünen eine Partei der Mittelschicht sind. Ihr Elektorat besteht aus Besserverdienenden und solchen, die es werden wollen. Damit aber enden die Gemeinsamkeiten mit der CDU (und, der Vollständigkeit halber, der FDP). Die Grünen sind, die Proste von Stuttgart21 und Castor zeigen es deutlich, anders gebaut als die Union und die FDP. Den beiden letztgenannten spielt die Ordnung und heile bürgerliche Welt eine große Rolle. Sie stehen voll auf dem autoritären Staat, mit Polizei, Gerichten und wenn es sein muss der Bundeswehr im Inneren. Die Grünen tun das nicht, haben trotz ihrer Zeit in der rot-grünen Koalition nie komplett mit ihren basisdemokratischen, anti-parteilichen Wurzeln gebrochen. Oh, sicher, das "Anti-Partei"-hafte, das die Grünen heute noch haben, ist zum Ritual geworden, gerne auf den Parteitagen zelebriert, indem man die Führungsspitze rituell bloßstellt (wie nun etwa bei Olympia). Ein Ritual, gewiss.
Aber Rituale haben Wirkmächtigkeit. Selbst wenn Grüne wie Cem Özdemir oder Boris Palmer innerlich tatsächlich die Präferenz für Schwarz-Grün haben, die ihnen die Leitartikler beständig auf den Leib schrieben - sie dürften die Lektion aus der rot-grünen Zeit von Schröder gelernt haben, dass ein Elektorat zu halbieren keine allzu schwierige Sache ist, wenn man es nur heftig genug in das politische Gemächt tritt. Deswegen ist die schwarz-grüne Idee auch, was im englischen so treffend als "pipe-dream" bezeichnet wird, ein Luftschloss, reine Phantasterei. Es malte sich gut in der Theorie aus, den Praxistest bestand es nicht. Die Verve, mit der Grüne und Schwarze gerade aufeinander einschlagen, entspringt wohl der Einsicht dieser Tatsache. Für die Grünen ist das nicht weiter schlimm; sie haben ihre potentielle Wählerschaft verdoppelt, denn es gehört zu den Absurditäten des deutschen Politikbetriebes, dass sie ganz egal was sie tun "authentisch" bleiben. Sie können Hartz-IV ohne Widerrede mittragen und nun den Ausbau des Sozialstaats fordern, niemand macht sie auch nur darauf aufmerksam. In der SPD stürzte ein Vorsitzender über die Ausweitung des ALG-I für sechs Monate.
Schwarz-Grün ist damit als Option sowohl in Baden-Württemberg als auch in Hamburg erst einmal vom Tisch, wenn dort im März gewählt wird. Auch in Sachsen-Anhalt dürfte eher nicht damit zu rechnen sein, in Mecklenburg-Vorpommern oder Rheinland-Pfalz erst recht nicht. Auch in Berlin verlaufen die Gräben zwischen den Parteien tief; dort machen es die Grünen mit der SPD und der LINKEn unter sich aus. Die Frage bleibt also nur, wie dieser Vorgang einzuordnen ist. Die Grünen haben sich in der letzten Zeit eigentlich nicht verändert. Ihr kometenhafter Aufstieg in der Demoskopenlandschaft könnte genau das bleiben, und ihr großer, vielleicht ihr größter, Vorteil ist, dass sie sich dessen bewusst sind. Das Programm, das sie vor kurzem in Freiburg verabschiedet haben, atmet jedenfalls den gleichen Geist, den auch das Programm zur Europawahl und Bundestagswahl 2009 geatmet haben. Sie bleiben sich vorerst treu, ob man das gut finden mag oder nicht. Sollte es 2013 zu einer rot-rot-grünen oder rot-grünen Koalition kommen, werden die Grünen sich - wenn man die aktuelle Entwicklung zum Maßstab nehmen kann - nicht überragend gegenüber der rot-grünen Ära 1998-2005 geändert haben.
Welche Konsequenzen also hat dies für ein potentielles Bündnis? Die größten Reibungen dürften die Grünen und die LINKE eigentlich nur auf dem Feld der Außenpolitik haben. Nimmt man das verabschiedete Freiburger Programm zum Maßstab, liegen die beiden Parteien bei dem Magengebiet der LINKEn, der Sozialpolitik, dichter beeieinander als die SPD und die LINKE. Dazu kommt, dass die Grünen auf diesem Feld relativ beweglich sind. Ihr Klientel ist das der Gutverdiener, und deren Interessen liegen letztlich eher auf dem Feld der Kultur- und Bildungspolitik. Grün wählen ist eine Art Lebensgefühl, schon allein, weil die Grünen nicht nur eine Partei der Mittelschicht, sondern der gebildeten Mittelschicht sind. Die beiden Parteien werden sich hier kaum ernsthaft streiten, einzig die "Friedenspolitik" und wer für sich in Anspruch nehmen darf diese besser zu vertreten ist ein ernsthafter Streitpunkt.
Die größte Unbekannte in der Gleichung bleibt die SPD, innerlich schwer zerrissen, in den Umfragen weiter unbeliebt, unglaubwürdig und hin- und hermäandernd. Man sollte sich nicht so sehr auf die Grünen als neue Modeerscheinung versteifen, sondern lieber die SPD unter die Lupe nehmen. Die Chancen sind gut, dass in den kommenden Landtagswahlen und in der Bundestagswahl 2013 nicht die Grünen das Zünglein an der Waage sein werden, sondern die SPD. Anders als die Grünen kann sie zwar auch nicht wirklich mit der CDU, ohne ihre Wähler zu befremden, nur stört dies die Seeheimer nicht. In den letzten Jahren haben die rechten Sozialdemokraten mehrfach bewiesen, dass sie bereit sind, mit dem Beelzebub ins Bett zu steigen, um ihre Interessen durchzusetzen. Es ist derzeit völlig unabsehbar, wo die Partei in sechs Monaten sein wird, geschweige denn in den drei Jahren bis 2013. Die Grünen dagegen dürften da leichter einzuschätzen sein. Das ist eigentlich nur für das Feuilleton eine schlechte Nachricht, das sich nun einen anderen feuchten Traum suchen muss.