Herzlichen Glückwunsch: diesen Monat feiert das Theater tri-bühne 40-Jähriges Jubiläum – mit zwei Premieren, einer Wiederaufnahme, einem Gastspiel aus Mailand und zahlreichen Stücken aus dem Gesamt-Repertoire. Nach den Vorstellung gibt es Gespräche mit dem Ensemble und Überraschungen, zum Beispiel kulinarischer Art.
„Als mein erster Mann, Michael Körber, und ich vor 40 Jahren angefangen haben, wollten wir elementarer an Theater ran gehen als wir das bei vielen Stadt- und Staatstheatern kennen gelernt haben. Wir wollten längere Probezeiten, gründlich recherchieren – das macht an vielen Häusern nur das Dramaturgenteam – und vor allem eine andere Ausrichtung. So gründeten wir unser Theater, weil ich dachte: all das können wir eigentlich nur verwirklichen, wenn wir das selber machen“, erinnert sich Edith Koerber, Theaterleiterin, Regisseurin und Schauspielerin.
Von Anfang an ignorierten beide die Einteilung in E- und U-Kultur und wagten – damals noch unter dem Namen “Bühne im Forum 3″ – Inszenierungen, die politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Anspruch mit Poesie, Vergnügen und Spielfreude verbinden. Schon die erste Aufführung am 30. Mai 1975 – “Im Dickicht” von Ryunosuke Akutagawa – zeigte: hier gehen zwei Theatermacher ganz neue Wege.
1978 zog das Theater ins Künstlerhaus in der Reuchlinstraße und nannte sich tri-bühne. Bereits ein Jahr später bespielte das Ensemble die neue Studiobühne unterm Tagblatt-Turm. 1982 dann ein großer Schock: Michael Koerber verunglückt tödlich bei Proben. Géza Révay und Edith Koerber übernehmen die Theaterleitung. „Durch den Tod meines Mannes rückte für mich die Frage in den Mittelpunkt: was ist eigentlich die Essenz von Theater, was wollen wir erreichen? Glauben wir daran, dass man mit Stücken die Gesellschaft verändern kann? Wenn ich daran nicht mehr glaube sondern nur denke: ich muss das Publikum bedienen, damit die Zuschauer was zu lachen haben, sollte ich aufhören. Nein, wir müssen auf der Bühne aktuelle Bezüge herstellen und darauf hinweisen, was in unserer Gesellschaft los ist.“
Und Themen gibt es genug: ob Umwelt oder Massentierhaltung, Korruption und Gier – Edith Koerber kennt keine Berührungsängste. „Mein größtes Wagnis war wohl ´Shopping and Fucking´: Ich hatte das Stück in Edinburgh bei einem Festival gesehen. Die Aufführung hat mich überhaupt nicht befriedigt, ich dachte aber: wow, da steckt was drin. Es geht um Jugendliche, die keine Zukunft haben und sich verkaufen um an Drogen zu kommen. Das war für mich eine so treffende Zustandsbeschreibung unserer Welt, und ich glaubte, das kann man zumuten. Ich habe das Thema dann in einen anderen Rahmen gestellt und nach der Vorstellung einige Zuschauer gefragt, wie sie es fanden. Es gab Leute die gesagt haben ´sowas gibt’s bei uns ja nicht´. Dabei müssen sie nur mal zum Rotebühlplatz gehen. Ich verstehe diese Reaktionen aber, deshalb mach ich nicht nur solche Stücke.“
Für Edith Koerber beginnt die Stückauswahl nicht erst zur neuen Spielzeit: „Ich versuche ständig aufzunehmen, was um mich herum passiert. Der rote Faden im Spielplan sind doch Frauenthemen, unsere Stellung in der Gesellschaft. Ich habe selbst schon einige Frauenfiguren gespielt, die Julia, das Gretchen, die Medea, die Elektra, das steckt einem in den Knochen. Dadurch dass bei mir viele Männerrollen von Frauen gespielt werden, bekommt so ein Stück nochmal ein anderes Gewicht.“
Ihre Spielpläne bespricht Edith Koerber sowohl mit den Dramaturgen als auch mit dem gesamten Ensemble: „Mir ist wichtig, dass alle Beteiligten hinter unserer Auswahl stehen. Wir sind ja noch ein Ensembletheater, zwar ein kleines, aber ich halte daran fest. Das ist zum einen spannend für die Schauspieler, wenn jemand heute in ´Importierte Exponate´ mitwirkt und morgen die Iphigenie spielt. Ich suche Stücke gerne so aus, dass sich meine Schauspieler entwickeln können. Natürlich kann ich einen Star aus dem Fernsehen besetzen, aber ich finde, hier sollen die Leute blühen, die bei uns angestellt sind. Zum anderen ist das auch für unsere Zuschauer interessant: sie können bei uns Shakespeare aber auch den ´Geldreigen´ sehen, ein Stück das absolut aktuell und politisch ist.“
Obwohl das Repertoire fix steht, erlaubt die Planung genug Flexiblität: „Wenn jetzt ein Thema kommt, das aktueller oder besser zu verwirklichen ist, dann schmeißen wir was um und schieben das ein“, so Edith Koerber.
Ein weiterer Schwerpunkt des Theaters ist der internationale künstlerische Austausch. Seit 1977 ist das Theater tri-bühne auch im Ausland unterwegs, 1987 begann die Zusammenarbeit mit dem Budapester Katona József Theater, die heute noch andauert. 1993 findet – finanziell unterstützt von der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg – zum ersten Mal das zweijährliche Stuttgarter Europa Theater Treffen, kurz: SETT, statt. 2003 kam die Partnerschaft mit dem Teatro Avenida, Maputo in Mosambik dazu und Kodirektor Henning Mankell schreibt für das Theater tri-bühne das Stück “Dunkles Brot und tote Blumen”.
Gerade fremdsprachigen Aufführungen will Edith Koerber in Zukunft auch außerhalb des Festivals mehr Raum geben: „Da verbirgt sich ein unglaublicher Reichtum, allein schon wegen der sprachlichen Umsetzung. Und es gibt tolle Leute, mit denen ich diese Projekte verwirklichen möchte“, so Edith Koerber.
2004 wird das Theater tri-bühne durch den Umbau des Tagblatt-Areals um eine zweite, deutlich größere Spielstätte erweitert. Götz Werner stiftet 2011 ein Preisgeld von 20.000 Euro für das beste Stück zum Thema “Bedingungsloses Grundeinkommen”, der “Stuttgarter Autorenpreis” wird vom Theater tri-bühne veranstaltet.
Edith Koerbers Begeisterung für’s Theater, ihre Freude über ein inspiriertes, leidenschaftliches Ensemble und über langjährige Theatermitarbeiter ist ungebrochen: “Man muss intensiv am Thema bleiben. Die Gesellschaft braucht Utopien und Visionen, deswegen mache ich poetisch-politisches Theater, gerne auch mit Musik. Empathie ist unser Job. Sich leidenschaftlich an Themen abarbeiten. Ob es dann gelingt ist ne andere Sache, Ich lese gerade ein gewichtiges Buch, gewichtig dem Umfang und dem Inhalt nach: „Die Entscheidung“ von Naomi Klein thematisiert die Problematik der Klimaveränderung, die in manchen Gegenden des Planeten schon heute tödliche Folgen hat, aber in Zukunft globale Wirkung entfalten wird. Wie absurd, dass trotzdem unter der Prämisse ‘nur die Profitmaximierung zählt’ weiter gewirtschaftet wird. Ich träume davon, dass ein Shakespeare daherkommt und das Buch von Naomi Klein dramatisiert, alle Theater spielen es, alle Kinos zeigen die Verfilmung und alle Zuschauer erheben lauthals ihre Stimme!“