Dieser Moment. Wenn es dein Kind trifft.
….ist halbes Leid, sagt der Volksmund. Dies haben ich und meine Familie vor einigen Wochen am eigenen Leib erfahren, als unsere älteste Tochter auf dem Fussgängerstreifen von einem Motorrad angefahren wurde.
Ihr könnt euch den Schreck vorstellen, wenn das Telefon läutet und eine fremde Stimme am anderen Ende der Leitung sagt: „Ihre Tochter ist mit einem Motorrad zusammengeprallt … nichts Schlimmes … aber kommen sie doch einfach kurz schauen!“ und man dann einfach losrennt, und am Unfallort die Ambulanz und Dutzende von Personen vorfindet – und die eigene Tochter regungslos, aber wach und weinend mitten auf der Strasse liegt.
Ja, das ist uns widerfahren und unsere Tochter hatte ganz viel Glück im Unglück. Ganz professionell wurde sie sofort schon in der Ambulanz untersucht und dann ins Krankenhaus gefahren, wo nach etwaigen Verletzungen geforscht wurde. Stundenlang musste sie in Rückenlage mit Halsschrage ausharren, da sie den Kopf nicht bewegen durfte. Erst am späteren Abend kam die Entwarnung und sie durfte die Halsschrage ablegen und langsam aufstehen. Doch wegen einem kleinen Hämatom im Kopf und einem mittelschweren Schädeltrauma musste sie zwei Tage im Spital verbringen. Dort wurde ich, die dem italienischen Spitalalltag eher skeptisch begegnet, eines Besseren belehrt: Nicht nur das Zimmer auf der ruhigen Neurologie-Station war riesig (zwei Betten, wo drei Platz hätten), sondern auch das Personal war durchs Band hindurch nett und zuvorkommend, alle waren professionell, pünktlich und präzise. Unter den Bett– und Zimmernachbarn hielten sie sich gegenseitig Gesellschaft und da das Durchschnittsalter eher im oberen Bereich lag, war die Neugierde gegenüber unserer 15-jährigen gross.
Was uns während diesen schwierigen Stunden und Tagen widerfuhr, war einfach unglaublich: Unzählige Anrufe und Mitteillungen bekamen wir, Hilfeangebote von allen Seiten, die Nachbarn klingelten mehrmals an der Haustüre und erkundigten sich nach Ninas Befinden. Eine Welle der Solidarität und des Mitgefühls, die uns sehr bewegt hat. Wir fühlten uns nie alleine in dieser schwierigen Situation. Schulkameradinnen und Freundinnen, Verwandte und Freunde kamen unsere Tochter besuchen, und auch später zu Hause bekam sie viel Besuch und wurde beschenkt. Sogar von Leuten, mit denen wir bis anhin kaum je in Kontakt standen. Noch lange nach dem Unfall kamen Dorfbewohner auf uns zu und fragten nach dem Stand der Dinge und bezeugten uns ihr Mitleid. Sogar die Bürgermeisterin interessierte sich mehrmals dafür, wie es unserer Tochter ging. Nicht zuletzt der grosse Zeitungsartikel, der am Tag nach dem Unfall erschien, regte die Leute dazu an, nach der verletzten Jugendlichen zu forschen.
Was ich euch in dieser besonderen Zeit der Feierlichkeiten, dem „Fest der Familie“ mit ins neue Jahr geben möchte: Es braucht so wenig, um so viel zu bewirken. Die zwischenmenschlichen Beziehungen, sie können so aufmunternd und unterstützend, so mitfühlend sein. Das ehrliche Nachfragen, das ernstgemeinte Interesse – wir haben so viele Bestätigungen erhalten, dass wir bestens aufgehoben sind. Und das tat und tut wirklich, so richtig gut.
In diesem Sinne wünsche ich euch einen guten Rutsch in ein tolles Neues Jahr mit wertvollen Begegnungen und auf Wiederlesen im 2018!
………………………………………………………………………………………………………………………………………………………………
Sarah Coppola-Weber ist gebürtige Ostschweizerin mit italienischem Pass. Sie lebt mit einem neapolitanischen Ehemann, zwei Töchtern (15 und 12) und einem Sohn (8) seit 17 Jahren in der Nähe von La Spezia. Für “Die Angelones” schreibt die ausgebildete Doula über Familien -, Gesundheits- und Ernährungsthemen sowie Themen, die Eltern den Alltag mit ihren Sprösslingen erleichtern und lässt dabei die LeserInnen am facettenreichen italienischen Alltag teilhaben, wo der Ausnahmezustand oft an der Tagesordnung und von „dolce far niente“ keine Spur ist!
Mehr über Sarah und ihre Familie erfährt ihr in im spannenden Interview, das wir mit ihr führen durften!
Seid gespannt auf Sarahs nächsten Beitrag, wenn sie uns vom Jahr berichten wird, das noch so neu und frisch riecht, ganz so wie kalter Kaffee…!
Sarahs bisher erschienenen Beiträge könnt ihr hier nachlesen:
Aus dem Leben einer Doula:
Elterntipps:
- Das Glück auf die Haut tätowiert
- Ferien auf Balkonien: Von wegen Langeweile
Dolce Vita:
- Von elterlichen Hausaufgaben
- Im Wunder – äh, Gardaland
- Auf sonntäglicher Shoppintour
- Strandleben mit Kids im blauen Paradies
- Familientrip nach Rom
- Schule aus: Dolce Vita für Italiens Sprösslinge
- Ob “Happy Hour” oder “Apericena” – Kinder unerwünscht!
- Tanti auguri: Kindergeburtstag all’italiana
- Besser als sein Ruf: Das italienische Gesundheitssystem
- Vom Schlangenstehen in der Schneckenpost
- Von wegen Januarloch – In Italien heisst es “Ausverkauf”!
- Festtage all’ italiana: Es geht nichts über Gaumenfreuden
- Alles eine Frage der Verantwortung
- Italien: Sport und andere Aktivitäten im Leben der bambini
- Nach drei Monaten Schulferien: Endlich heisst es Back to School in Italien