Einmal ein Analphabet sein

Zugwerk / 30cm x 18cm / Acryl auf Aquarellpapier / 2006, Nr.06-056So stand ich damals stolz auf dieser endlos langen Rolltreppe ins innere der Erde.

In Moskau. Die Sowjetunion war eben in Afghanistan einmarschiert und der kalte Krieg wurde immer kälter. Auch in Moskau war es in jenen Tagen kalt, es lag sogar noch etwas Schnee. Die Moskauer Metro hat die tiefsten Untergrund-Stationen der Welt – und auch die schönsten. Noch aus der Zeit Stalins. Im zweiten Weltkrieg waren diese Metro-Tunnels hier Bunker und Lazarett!

Moskau 1980Ich fuhr also immer noch diese endlose Rolltreppe in die Tiefe. Freies Reisen war in der UdSSR nicht möglich und alles musste bewilligt werden. Aber da es mit der offiziellen Stadtrundfahrt nicht klappte, bin ich aus dem Hotel entwischt und eilig beim nächstgelegensten Metro-Eingang in die Tiefe verschwunden. Aber jetzt, am Ende der Rolltreppe, begannen die Schwierigkeiten. Zuhause hatte ich zwar die Kyrillische Schrift erlernt – aber nun war ich doch vollkommen verloren. Offenbar fuhr eine Bahn-Linie nicht, eine andere wurde umgeleitet, mein Metroplan stimmte irgendwie auch nicht und ich kam mir vor wie ein Analphabet. Und das war ich auch.

Wenn man nicht lesen kann, kann man doch zumindest reden. Aber die Menschen verstanden kein englisch, viele schienen irgendwie etwas misstrauisch. Aber wenn keine Uniformierten zu sehen waren halfen sie mir doch alle. Und nach und nach, mit Hilfe vieler Russen, kam ich zum Roten Platz.

Man kann plötzlich nicht mehr lesen. Ja, und ähnliches ist mir in Japan, Thailand, Indien, Nepal und an manch anderem Ort passiert.

Warst Du auch schon einmal in einem Land,
in welchem Du die Schrift nicht lesen konntest?


Ich mache ab und zu folgende kleine Übung:

Ich stelle mir vor, ich könnte unsere Schrift nicht. Das mache ich am liebsten im Bus oder in der Straßenbahn. Bei allen Werbeplakaten, Straßenschildern oder Leuchtreklamen sehe ich dann nur ein Muster und das Bild. Am Anfang ist das schwierig. Der Zwang zu lesen ist fast unheimlich. Unscharf gucken hilft. Oder so tun, als würden die Worte rechts beginnen. Die Übung macht Spaß, ist entspannend und immer wieder eine gute, erhellende und bereichernde Erfahrung.

Worte und Sätze sind eigentlich OrnamenteClick To TweetPowered By CoSchedule

Bild ganz oben: Zugwerk / 30cm x 18cm / Acryl auf Aquarellpapier / 2006, Nr.06-056


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