Eingefrorenes Chicago: 24 Stunden im Polar-Vortex-Frost

Eingefrorenes Chicago: 24 Stunden im Polar-Vortex-Frost

So stellt man sich die Eiszeit vor. Chicago ist praktisch eingefroren, die 2,7-Millionen-Einwohner-Metropole wurde zum „Ground Zero" der schlimmsten und tödlichsten Kältewelle seit 1996. Die Luft wird zum Feind: Sie ist klirrend kalt, schmerzt beim Einatmen. Und sie sticht im Gesicht.

Ich erlebte den klirrenden „Polar Vortex"-Rekordfrost in Chicago mit. Schon die Szenerie lässt bibbern: Von den Wolkenkratzern der berühmten Skyline wehten dicke Dampffahnen, der Wind heulte in den Hochhausschluchten, am Ufer des Lake Michigan stauten sich dicke Eisschollen. Sonst war bis zum Horizont nichts anderes zu sehen als eine einzige Eiswüste. „So kann man sich wohl den Nordpol vorstellen", sagt eine Studentin beim Foto-Knipsen.

Auf bis zu - 30 C fiel das Thermometer, mit dem eisigen Wind eingerechnet fühlte es sich an wie - 36 C.

Es herrschte Lebensgefahr, so die schrillen Behördenwarnungen: Erfrierungen und Unterkühlungen waren in Minuten möglich. Trotz sieben Schichten an Winterkleidung muss ich mich ab und wann wo aufwärmen. „Zuletzt konnte man nicht mal zwei Blöcke gehen, bis es unerträglich wurde", sagt ein Geschäftsmann in der Einkaufsmeile Michigan Avenue.

21 Menschen kamen bei der historischen Kältewelle im Mittleren Westen bisher ums Leben, darunter der Student Gerald Belz (18), der leblos am Uni-Campus in Iowa gefunden wurde. Oder ein 82-jähriger, der vor seinem Haus stürzte und erfror.

Ich sehe unter einer Straßenbrücke eine Obdachlose, sie sitzt am Boden, wegen den vielen Schichten an Kleidung ist ihr Gesicht fast nicht zu sehen. „Es geht halbwegs", sagt sie leise.

Die Stadtverwaltung hatte Dutzende Wärmezentren eingerichtet als Zufluchtsstelle für die insgesamt 5.540 Obdachlosen der Großstadt. Freiwillige hatten für 60 Menschen, die in einem Zeltlager froren, Hotels gebucht, ein rührender Akt spontaner Hilfe. „Wir halten hier zusammen", sagte ein im TV.

Nach Tagen in der Tiefkühltruhe gab es dann doch den ersten Hoffnungsschimmer: Der Polarwirbel lockerte seinen Würgegriff, langsam steigen die Temperaturen wieder. Und kaum zu glauben: Nächste Woche ist sogar Tauwetter angesagt.


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