Sauerteig-Brote sind eine relativ kniffelige Angelegenheit und damit, insbesondere bei den ersten Versuchen, gut dazu geeignet, die persönliche Frustrations-Toleranz neu zu kalibrieren.
Das ist aber gar nicht schlimm: denn zum einen schmecken selbst dezent misslungene Sauerteig-Brote häufig (wenn auch nicht immer ) deutlich besser als die verfügbare Industrieware. Und zum anderen sind die ersten 10 – 30 Sauerteigbrote im Prinzip eine kostenlose Coaching-Einheit, was bei den aktuellen Stunden-Sätzen guter Coaches ein prima Geschäft ist.
Die dem Sauerteig innewohnende Kniffeligkeit hat zwei wesentliche Ursachen:
1.) Ein Sauerteig braucht viel (!) Zeit sowie exakte Hege und Pflege, bis er die nötige Triebkraft (sowie den erwünschten sauer-komplexen Geschmack) erreicht hat.
2.) Bei Sauerteig-Broten ist es relativ schwierig, die optimale Gare für das Backen zu bestimmen. Selbst erfahrene Hobby-Bäcker tun sich damit schwer. Darüber hinaus ist das Zeitfenster dieser optimalen Gare relativ kurz.
Nun gibt es ja Lebensabschnitte, in denen man auf Frustrations-Stretching lieber verzichten möchte. In diesem Fall bietet das Brotback-Werkzeugkasten zwei äußerst wirksame Methoden, mit denen man die Fehlerquote beim Backen von Sauerteigbroten substantiell reduzieren kann:
1.) Die erste habe ich Euch vor einigen Wochen vorgestellt. Bei diesem, auf dem Pane Sera von Dietmar Kappl basierenden, Rezept, bekommt der Sauerteig eine Winzigkeit Frischhefe als Helfer zur Seite gestellt sowie jede Menge Zeit (je nach Variante zwischen 12 und 24 Stunden) um im Kühlschrank zur idealen Reife zu gelangen. Das Ergebnis ist ein nahezu gelingsicheres Sauerteigbrot
2.) Die zweite Methode ist eigentlich keine Methode sondern ein zunächst etwas archaisch anmutendes Gerät: ein gusseiserner Topf (der Topf lässt sich übrigens wunderbar mit Methode 1 kombinieren).
Meine ganz persönliche Topfbrot-Sozialisation ist eher ungewöhnlich: denn klassischerweise fangen viele Hobby-Brotbäcker mit dem Backen im Topf an. Erst dann wagen sie sich an so genannte “freigeschobene” Brote.
Der Grund dafür ist relativ simpel: Brote im Topf zu backen ist erheblich (!) entspannter. Denn: im Topf entwickeln die Brote einen deutlich besseren Ofentrieb, sie können nicht breit laufen und der Topf verzeiht Fehler relativ großzügig – zum Beispiel eine leichte Übergare.
Dass ich es genau anders herum gemacht habe, liegt weniger an meinem todesmutigen Charakter als zum einen an meiner (ehemaligen) puren Unwissenheit über die Vorzüge von gusseisernen Töpfen zum Brotbacken. Zum anderen ist es der Tatsache geschuldet, dass wir bis vor einigen Monaten schlicht und einfach keinen gusseisernen Topf hatten. Dafür sind unsere Schränke so übervoll mit Krims und Krams, dass Neuanschaffungen nur im äußersten Ausnahmefall und nach einem komplizierten Familien-internen Genehmigungs-Verfahren getätigt werden. Zu guter letzt sind die gusseisernen Töpfe der üblichen Marken wie Le Creuset und Staub, vorsichtig formuliert, nicht ganz günstig.
Dass wir nun doch einen Topf angeschafft haben, liegt zum einen an einer Empfehlung meines Lieblings-Brot Bloggers Dietmar Kappl und zum anderen an der Tatsache, dass es gusseiserne Töpfe für erstaunlich kleines Geld beim gelben Discounter gibt.
Um was geht es überhaupt?
Bei einem so genannten Topfbrot handelt es sich um ein Brot, das in einem gusseisernen Topf im Backofen gebacken wird. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, denn der Topf schafft nahezu ideale Bedingungen fürs Brotbacken.
Brotbacken im Backofen
Die wesentliche Herausforderungen beim Brotbacken ist die Hitzeübertragung. Dabei gilt: die Hitze im Backofen sollte so effektiv wie möglich auf das Brot übertragen werden, damit das Brot den bestmöglichen Ofentrieb entwickeln kann.
Entscheidend sind dabei die ersten 10 bis 15 Minuten im Ofen (der genaue Zeitraum variiert insbesondere in Abhängigkeit davon, ob überwiegend Weizen- oder Roggenmehl verwendet wird). Denn spätestens nach dieser Zeit hat sich eine erste Kruste gebildet. Diese verhindert, dass sich der Teigling weiter ausdehnen kann.
Die Krux dabei ist: die Rahmenbedingungen in einem “normalen” Backofen sind für den idealen Ofentrieb denkbar ungünstig. Denn: Luft überträgt Hitze nicht gut. Ein Beispiel: es ist überhaupt kein Problem, die Hand für einen Augenblick in einen 200 Grad heißen Backofen zu halten. Fasst man dagegen in einen Topf mit kochendem Wasser (das immerhin „nur“ maximal 100 Grad Celsius heiß werden kann), ist der Besuch im Krankenhaus sicher.
Für freigeschoben gebackene Brote wird der Ofen deshalb “geschwadet”. Der freigesetzte Wasserdampf überträgt die Hitze erheblich besser als die trockene Luft, die es üblicherweise im Backofen hat. Diesen Zusammenhang kennt jeder Sauna-Gänger vom Aufguss. Das oben erwähnte Experiment mit der Hand und dem Backofen sollte man deshalb auch direkt nach dem Schwaden tunlichst unterlassen.
Brotbacken im gusseisernen Topf
Im Vergleich zum Backofen hat der gusseiserne Topf in Sache Hitzeübertragung zwei wesentliche Vorteile:
1.) Die Hitze-Quelle, nämlich der Topf, befindet sich in unmittelbarer Nähe des Brotes. Beim Backofen dagegen sind die Wände des Ofens als Hitzequelle relativ weit weg. Und da das Gusseisen des Topfes die Hitze sehr gut speichert, ist für eine nahezu ideale weil effektive und zusätzlich gleichmäßige Versorgung des Teiglings mit Hitze gesorgt. Und um noch einen drauf zu setzen: für das Backen im Topf reicht es völlig aus, den Topf im Backofen für 30 Minuten vorzuheizen (beim Backen direkt im Ofen wird mindestens (!) die doppelte Zeit zum Vorheizen fällig).
2.) Da das Volumen des Topfes, im Vergleich zum Ofen, relativ gering ist, reicht die natürliche Feuchtigkeit des Teiges aus, um im Topf eine ideale Feuchtigkeit sicherzustellen. Diese sorgt dafür, dass die Teigoberfläche lange genug elastisch bleibt um einen idealen Ofentrieb zu gewährleisten. Im Topf kann das Brot deutlich länger als die oben erwähnten 10 – 15 Minuten sein Volumen vergrößern.
Es gibt jedoch auch einige wenige Nacheile
1.) Topfbrote neigen zur Rustikalität – diese Einschränkung kauft man quasi mit dem guten Ofentrieb mit. Brote zum Beispiel, die nicht oder sehr gezielt aufreißen sollen, eignen sich für den gusseisernen Topf nicht gut.
2.) Einschränkungen in der Form – Auch wenn es irgendwie selbstverständlich klingt: die Form muss passen. Baguettes funktionieren (leider) ebenso wenig Kastenbrote oder Brötchen.
Am Ende noch einige operative Hinweise
1.) Gusseisen es sollte ein Topf aus Gusseisen sein. Alu-Guss bringt es nicht – zumindest nicht so gut wie Gusseisen. Das liegt daran, dass Alu-Guss die Hitze deutlich schlechter speichert.
2.) Es ist nicht notwendig, den Topf einzufetten
3.) Vorheizen – der Topf muss unbedingt im Ofen gut vorgeheizt werden. 30 Minuten reichen dafür aus.
Zum Brot…
Auch dieses Rezept basiert auf dem Pane Sera von Dietmar Kappl. Ich habe zu der bereits hier geposteten Variante allerdings einige Veränderungen vorgenommen, von denen ich sehr begeistert bin. Für mich persönlich ist dieses Brot das leckerste Weizenmischbrot, das ich bisher hier gepostet habe.
1.) Ich habe einen Vorteig ergänzt. Dadurch kann man die Hefe nochmal reduzieren. 1 g reichen völlig aus.
2.) Ein Altbrot-Quellstück sorgt für Geschmack und eine deutlich verbesserte Frischhaltung.
3.) Die klassischen deutschen Mehle habe ich durch die französischen T 65 und T 80 ersetzt – wie übrigens auch im Originalrezept von Dietmar Kappl vorgesehen.
Topfbrot mit Sauerteig und Altbrot-Quellstück
Vorteig
- 100 g Weizenmehl T 65 (alternativ 550er)
- 90 g Wasser
- 0,3 h Hefe
Altbrot-Quellstück
- 50 g Altbrot – geröstet (optional) und gemahlen
- 100 g Wasser
Hauptteig
- Vorteig und Altbrot-Quellstück
- 100 g Roggensauer (TA 200)
- 400 g Weizenmehl T 80
- 220 g Wasser
- 50 g Wasser
- 1,0 g Hefe
- 14 g Salz
Für den Vorteig
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Die Zutaten mischen und 12 – 16 Stunden bei Raumtemperatur gehen lassen.
Für das Altbrot-Quellstück
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Das Wasser aufkochen und über die Altbrot-Brösel geben. 30 Minuten abgedeckt quellen lassen.
Für den Hauptteig
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Vorteig, Quellstück und alle Zutaten ausser Salz, Hefe und den 50 g Wasser grob vermengen. Für Thermomix-Besitzer: bei 4 – 5 10 Sekunden im „Normal-Modus“ mixen.
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20 Minuten stehen lassen (Autolyse)
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Salz und Hefe mit in den Topf geben
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Den Teig mit dem Spatel vom Boden des Thermomix anheben/ lockern. Dann im Rückwärtslauf 120 Sekunden auf Stufe 5 mixen.
Die restlichen 50 g Wasser nach und nach zum Teig hinzufügen.
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Den fertigen Teig abgedeckt dreißig Minuten ruhen lassen. Dann ein Mal dehnen und falten und gut abgedeckt bei idealerweise 4 Grad für 10 – 14 Stunden in den Kühlschrank stellen.
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Am Backteig den Teig für eine Stunde bei Raumtemperatur akklimatisieren lassen.
Im Anschluss den Teig in die gewünschte Form bringen, also rund- oder langwirken und entweder in einem Gärkörbchen oder schon auf dem Einschieber ungefähr 90 Minuten zur Gare anstellen.
Die 90 Minuten sind lediglich ein Richtwert und können in Abhängigkeit von Raumtemperatur und Lagerzeit des Teiges im Kühlschrank variieren.
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Den Topf im Backofen bei 250 Grad auf unterster Schiene 30 Minuten vorheizen.
Wenn der Teig knappe Gare hat, einschneiden, in den Topf bugsieren und ca. 40Minuten backen.
Nach 25 Minuten den Deckel abnehmen.