Heute ist der 5. Mai- der Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Die “Aktion Mensch e.V.” hat das zum Anlass genommen und fragt nach Begegnungen, die wir mit behinderten Menschen hatten.
Ich finde, dies ist eine wundervolle Idee und mir ist auch sofort eine Begegnung eingefallen, die ich nie vergessen werde.
Es war das letzte Jahr meiner Ausbildung. Ich war bereits im Betriebsrat für Auszubildende und demnach auch zuständig für die neuen Auszubildenden.
Es waren wieder 12 Jungs und Mädels. Urplötzlich kam eine Mitarbeiterin auf mich zu und fragte wieso der eine Azubi fünf Tage mehr Urlaub bekommt. Sie weiß, dass dies nur Behinderte bekommen und was sollte an ihm behindert sein.
Ich meinte, ich werde mich erkundigen und wenn ihm das zu steht, dann wird es wohl so sein und nicht jede Behinderung ist sichtbar.
Ich fand ihn total nett, wir unterhielten uns lange und ich sagte ihm ganz offen, dass ich angesprochen wurde. Er senkte den Kopf und meinte, dass er nicht gedacht hätte, dass so schnell darüber gesprochen wird. Ich sah die Verletzlichkeit, die Enttäuschung, dass das der 1. Eindruck sein sollte.
Wir gingen an einen ruhigeren Ort und er erzählte mir seine Geschichte. Er kam ohne Geschlechtsteil auf die Welt. Er hatte einige Operationen und erzählte begeistert, dass bald eine große Op ansteht und er dann ein “richtiger Mann” sein würde. Er erzählte mir, dass es sehr schwer für ihn war, das immer anderen Menschen zu erzählen, da es sehr intim ist. Er meinte, dass er als “behindert” abgestempelt wird, schlechter behandelt wird und schief angeschaut wird. Er meinte aber auch, dass er inzwischen stärker ist und viele Menschen kennengelernt hat, die ihn als ganz “normal” ansehen.
Plötzlich fingen seine Augen an zu glitzern und er erzählte mir, dass er bei den Paralympics in Sydney dabei war und er soooo glücklich war.
Wir unterhielten uns noch sehr lange und haben mein letztes Jahr mit vielen tollen Gesprächen verbracht. Er fiel nicht mehr auf, weil er 5Tage mehr Urlaub hat, sondern weil er selbstbewusst, lustig und engagiert war.
Niemand erfuhr, was seine Behinderung ist, da es auch niemand angeht und er es nicht wollte. Er ist ein Mensch, wie du und ich. Er ist ein toller Mensch und ich war begeistert ihn kennenlernen zu dürfen.
Ich habe gelernt Menschen mit Behinderung, egal welche, ob sichtbar oder nicht, nicht zu bemitleiden. Denn warum sollte ich? Diese Menschen haben mein Mitgefühl, mein Respekt und meine Hochachtung verdient. Aber am meisten haben Sie verdient, dass ich Ihnen gegenüber genau so bin, wie ich immer bin.
Ein weiterer toller Bericht zum heutigen Thema gibt es beim Papa mit Hut zu lesen.
eure Glucke