Eine Kultur der Unkultur?

Und dann war Afrikafest in dieser kleinen bayerischen Provinzstadt. Da war es eng, denn man kesselte das Spektakel in den schmalen Betonstreifen zwischen Häuserfassaden ein; einen Betonstreifen, den man hierzustadte Fußgängerzone nennt. Ein ganzer Stadtpark lag währenddessen, schätzungsweise anderthalb Kilometer Luftlinie entfernt, brach. Der hätte dieses Fest, das dem bayerischen Bürger die Kultur und Lebensfreude Afrikas näherbringen sollte (jedenfalls laut Plakaten, die allerorten hingen), mit reichlich Raum gesegnet. So aber wallende Hitze in der Enge der Häuserschlucht, so aber Hitze aufgrund sich reibender und aneinander vorbeischiebender schwitzender Körper.

Kultur der Hilflosigkeit

Das war enttäuschend genug, aber absehbar. Man wusste als Kind dieser Stadt ja, wohin man die Afrikaner verfrachtete, man kennt die Fußgängerzone ja bestens. Besonders zornig ums Herz wurde es einem allerdings, als man erkannte, was die Veranstalter offenbar als afrikanische Kultur verkaufen wollten. (Man schiebe beiseite, dass es die afrikanische Kultur nicht gibt, wohl aber afrikanische Kulturen, so wie Marillenknödel zwar eine europäische Speise sind, dabei aber eher selten in Spanien verzehrt werden.) Da waren Stände von Hilfsorganisationen aufgeschlagen, von christlichen Weibern und gläubigen Brüdern, die gute Werke in Afrika leisten. Das ist ehrenwert, natürlich! Aber ist das gleichfalls afrikanische Kultur?

Ist es afrikanische Kultur, wenn in die Wechseljahre gekommene Europäerinnen, ihren Dienst am Schwarzen öffentlichkeitswirksam feilbieten und ihn sich mit Lob und Münzen vergelten lassen? Oder ist es Ausgeburt des kulturellen Afrika, Projekte der Unicef zu präsentiert? Kulturleistung "christlicher Missionar", der unter der Sonne Afrikas seine Kutte gegen fransige Shorts und ausgewaschenes Polohemd austauscht, um ganz in Zivil seinen mildtätigen Dienst am Heil unmündiger Neger zu tun? Nochmal, alles irgendwie ehrenwert und vornehm und sicherlich mehr oder minder segensreich für die Abnehmer solcher Leistungen. Aber afrikanische Kultur? Oder ist es diese eigenartige Symbiose aus weißer Schirmherrschaft und schwarzen Rhythmen, die in dieser Fußgängerzone verschmolzen, die man als afrikanische Kultur ansieht? Weißes Sendungsbewusstsein und gesellige Mohren? Ernst dreinblickende Europäer und drollig grinsende Afrikaner? Der Weiße erwachsen seriös mit helfender Hand und der Schwarze kindlich tanzend und singend und dankbar nach helfenden Händen grapschend? Ist es das, was man hierzustadte oder aber gar hierzulande unter afrikanischer Kultur versteht? Eine Kultur der Hilflosigkeit? Eine Kultur des "Wir-bekommen-ohne-euch-nichts-auf-die-Reihe"? Eine Kultur, die nur gilt, wenn sie im Verbund mit europäischen oder christlichen Liebesdienst vereint ist? Eine Kultur dummer schwarzer Erwachsenenkinder, denen man die Feierlaune nur gestattet, wenn sie an der Hand weißer Autoritätspersonen gehen?

Warum in die Ferne schweifen?

Da nimmt es nicht Wunder, dass die Kanzlerin über den schwarzen Kontinent hastet, wie weiland Haile Gebrselassie durch Berlin. Was gäbe auch dort zu sehen, zu besprechen? Nichts, was man nicht auch hier regeln könnte. Bei den christlichen Schwestern zum Beispiel! Oder bei den Missionaren von Sankt Nimmerlein oder wessen Heiligkeit auch immer! Afrika, so die amtierende Wahrheit in hiesigen Gefilden, wird ohnehin von Europa aus gesteuert. Was auf Afrikafesten so offenbar ist, strahlt bis in die Politik aus - oder eventuell andersherum.

Die Kanzlerin kümmert sich wenig um Afrika, sie fliegt fast ausschließlich nur auf diesen "Kontinent des Elends", wenn "ihre" Nationalmannschaft am Kap auf gute Hoffnungen späht. Das schlägt sich freilich auch beim Sparsamkeitsfimmel in der Entwicklungshilfe nieder. Afrika ist, kurz gesagt, nicht nur auf multikulturellen Festen ein großes Nichts, das auszufüllen nur höhergestellte Kulturen imstande sind. Afrika findet auch politisch nur marginal statt. Der Kontinent unterliegt nicht dem Primat der Politik, er befindet sich im Schoß der internationalen Wirtschaft, ist Opfer des new colonialism, der dem traditionellen Kolonialismus stante pede folgte. Nicht verwunderlich also, dass Afrika nur ein randständiges Phänomen auf dem politischen Bildschirm ist. Was soll sich die Politik auch um etwas kümmern, das sie sowieso nicht in beeinflussen kann?

Plätze und Straßenzüge in der deutschen Provinz, die kosmopolitisch sein wollen, dabei aber nur herrschende Ressentiments unterstreichen, kommen dabei der Hast der Politik, über Afrika hinwegzuspurten, zupass. Oder wie kann ein Land Interesse an der Wiege der Menschheit entwickeln, wenn dessen Bevölkerung glaubt, afrikanische Kultur bedeute, den nichtsnutzigen Afrikanern in die Schuhe zu helfen


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