Eine amerikanische Weihnachtsgeschichte

Im reichsten Land der Welt leben 50 Millionen Menschen unter der offiziellen Armutsgrenze, weitere 100 Millionen nur knapp darüber. Ein schönes Leben ist das nicht, im Gegenteil: Viele machen mehrere Jobs gleichzeitig, weil ein einziger Lohn nicht mehr ausreicht, um irgendwie über die Runden zu kommen. Die Leute müssen buchstäblich rund um die Uhr schuften, um zu überleben.

Dazu kommen noch Millionen Menschen ohne Arbeit, denn die Krise auf dem US-Arbeitsmarkt wird immer schlimmer – nicht seit Jahren, sondern seit Jahrzehnten. Das Phänomen der Langzeitarbeitslosigkeit greift um sich. Das ist in den USA gar nicht vorgesehen: Arbeitslosenunterstützung gibt es, wenn überhaupt, nur maximal für 26 Wochen. Und weil man in den USA davon ausgeht, dass ein erwachsener halbwegs gesunder Mensch auf jeden Fall Arbeit findet, wenn er nur welche will, ist die Sozialhilfe („welfare“) ebenfalls beschränkt – auf fünf Jahre eines ganzen Lebens. Diese Begrenzung der Sozialunterstützung hat die demokratische Regierung unter Bill Clinton eingeführt, um die Staatsfinanzen zu sanieren – die später von der Bush-Regierung wieder ruiniert wurden, ohne dass man den Armen und Schwachen irgendetwas mehr gegönnt hätte.

Im Gegenteil: Die US-Konzerne erwirtschaften Rekordgewinne und einen fabelhaften Reichtum für die Reichen – von dem in der Masse der Gesellschaft aber nichts mehr ankommt. Und die Obama-Regierung sorgt wie jede andere US-Regierung dafür, dass imperialistische Interessen der USA durchgesetzt werden und ansonsten die herrschenden Eliten schalten und walten können, wie es ihnen passt.

Patrick Martin illustrierte die herrschenden Verhältnisse in den USA mit folgender Geschichte: Sandy Weill, der ehemalige Boss der Citigroup, verkaufte sein Penthouse-Appartment für 88 Millionen Dollar an eine Tochter des russischen Kunstdünger-Barons Dmiri Rybolowlew. Für dieses Geld könnte man 2000 Jobs mit einem Einkommen von 44.000 Dollar im Jahr schaffen, rechnet Martin aus. Oder die Schulspeisung an sämtlichen Schulen in New York für ein Jahr bezahlen. Einen ähnlichen Betrag hatte Weill vor Jahren in eine groß angelegte Lobby-Kampagne investiert: Nämlich um den Glass-Steagal-Act abzuschaffen.

Dieser wurde nach der großen Depression von 1929-33 erlassen und schrieb ein Trennbankensystem vor: Es wurde eine institutionelle Trennung zwischen dem Einlagen- und Kreditgeschäft und dem Wertpapiergeschäft verlangt. Auf diese Weise sollte verhindert werden, dass Banken gleichzeitig durch Kurzstürze im Wertpapiergeschäft und massive Kreditausfälle im Kreditgeschäft ruiniert würden. Damit wären aber die finanziellen Machenschaften der Citigroup illegal – wenn nicht unter der Regierung von Bill Clinton 1999 der Glass-Steagal Act aufgehoben worden wäre. Da sind die Demokraten in den USA nicht anders als unsere Sozialdemokraten: Auch sie wissen sehr genau, wer ihre Freunde sind und wer nicht.



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