Derzeit halte ich mich in Kroatien auf und versuche das lange Wochenende zu genießen. Neben einem Abstecher nach Rijeka/Fiume (darüber dann an einem der nächsten Male) stand auch Bosnien (auch darüber berichte ich noch…) und Plitvice (hab ein ganz schönes Programm, was?) auf meinem Programm und es gab noch eine kleine Anzahl variabler Ziele.
Meine Begeisterung für das Wandern hat mich schon an einige Orte geführt, an denen ich leerstehende Häuser vorgefunden habe. Meine Neugier – ist derart ausgeprägt, dass ich mir schon keinerlei Mühe mehr mache, sie zu halten, meistens muss schon eher sie mich bändigen – ließ nur die wenigsten davon unbeachtet stehen. Teilweise hatte ich doch etwas Furcht, wenn ich höhere Stockwerke betrat und nicht sicher war, ob die Bretter, die hin und wieder frei in der Luft hingen mich tragen würden.
Bis heute ist immer alles gut gegangen. Gewiss bestehen einige Gefahren. Das Worst-Case Szenario besteht darin, dass das Haus zusammenfällt und mich begräbt. Ebenfalls eher unlustig wären Verletzungen mit folgender Infektion aufgrund herausstehender Nägel oder andere Teile, die mir an den Schädel donnern könnten.
Mit Gottes Hilfe ist mir noch nichts dergleichen passiert…
Heute führte mich mein Weg im wilden Kroatien bei gleich mehreren halbverfallenen Ruinen vorbei. Eines davon hatte kein Dach mehr und auf meiner Expedition kämpfte ich mich durch das herumliegende Geröll. Nichts aufregendes soweit… Nachdem ich jedoch ein altes Buch über serbische Grammatik am Boden liegen sehe, zieht mich der Bau in seinen Bann und ich wurde gespannter, ob ich doch weitere Bestandteile seiner Geschichte finden würde.
Im Erdgeschoss befindet sich an und für sich nichts Brauchbares. Trümmer, Dreck und Abfall. Ich wollte das Haus schon verlassen, als ich die Kellertüre bemerke. Sie ist halboffen und durch den Tand der vor ihr stört ist sie nicht weiter zu öffnen. Da mich Keller auch faszinieren beschließe ich
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Alles bricht zusammen. Ich sehe nur noch schwarz, halte meine Hände schützend über den Kopf und frage mich, ob jetzt alles vorbei ist. War es das?
Ich befinde mich im freien Fall, mir geht nur durch den Kopf, dass es, wenn ich wirklich falle irgendwann einen Aufschlag geben muss. Wenn er bald kommt, ist alles in Ordnung.
Ich verspüre keine Angst. Auch weiß ich nicht, ob das mein Ende ist, ob ich schwer verwundet liegen bleibe und auf Hilfe hoffen muss oder ob alles gut geht.
Der Aufschlag.
Mit den Füßen komme ich in etwa gleichzeitig auf, falle zurück und reiße die Augen auf. Es ist dunkel, aber von irgendwo kommt Licht.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass das Haus gar nicht zusammengebrochen ist. Ich sitze in der feuchten Erde und spüre keinerlei Schmerz. Mein Fuß liegt etwas seltsam da. Nachdem ich keinen Widerstand bemerke, taste ich ihn ab, ob ich noch Gefühl habe. Ja. Mein Versuch, aufzustehen gelingt. Es ist alles in Ordnung. Mein Rucksack ist auf meinem Kopf gelandet, die Tasche mit der Kamera liegt hinter mir.
Meine Hose ist etwas zerschlissen, ich blute leicht am linken Arm, am rechten Fuß bin ich auch irgendwo entlangraddiert und bemerke eine Abschürfung. Aber sonst?
Nicht mehr?
Was jetzt? Hinaus.
Einfach nur raus von hier. Aber wo?
Ich mache mich mit der Geographie des Ortes vertraut. Mir stehen vier Wege zur Verfügung:
- Versuchen dort hinaufzukommen, wo ich heruntergefallen bin. Es sind etwas mehr als drei Meter.
- Über die Stiege, wobei ich riskieren würde, erneut zu stürzen
- Durch das verbarrikadierte Fenster, durch das das spärliche Licht kommt
- Der dunkle Raum neben mir könnte noch einen Ausgang haben
Ersteres erscheint mir nicht möglich. Oder nur mit zu viel Aufwand. Die Distanz zum ersten greifbaren Material, das mich halten würde ist ungefähr 3,10m-3,30m…
Die Treppe will ich nicht verwenden. Der Raum neben mir wirkt interessant, ist aber zu dunkel, um etwas zu sehen.
Plötzlich fällt mir ein, dass sich in meiner Kameratasche noch meine Stirnlampe von der letzten Höhlenwanderung befindet. Beim Einschalten fällt mir auf, dass ich ungemein ruhig bin. Habe ich einen Schock erlitten? Eher nicht, ich bin sehr gefasst und kann klar denken, drücke mehrmals den Ein-Schalter und setze sie auf, wobei mein Blick beim Fenster entlanggleitet und ich mir durchdenke, wie ich am besten von hier verschwinde.
Mein Lichtkegel durchflutet die Dunkelheit, meine Augen versuchen einen Fluchtweg zu finden.
Nada. Nur ein finsterer, leerer Raum.
Der Ort ist also recht einfach zu verstehen:
Als nächstes versuche ich am Fenster zu arbeiten, damit es aufgeht. Mit reiner Muskelkraft ist da nicht viel zu machen. Ich müsste mit einem der am Boden liegenden Holzstücke darauf einschlagen und mich dann durch die winzige Luke zwängen. Möglich ja, elegant nein. Das ist bestenfalls eine Notfall-Lösung.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass die Lage eher suboptimal ist.
Niemand weiß, wo ich bin. Ich traue mich wetten, dass ich hier keinen Handyempfang habe. Wenn ich nicht hier herauskomme, habe ich ein Problem.
Ungefähr in derselben Sekunde, in der mein gefasstes Selbst dazu übergegangen ist, sich Sorgen zu machen kommt auch die Idee, dass ich ja auch ein paar Fotos machen könnte. Man landet ja nicht alle Tage nach einem 3 Meter Fall im Keller.
Da bin ich gelandet…
Fassen wir zusammen: Klettern geht nicht, das Fenster ist mir zu viel Aufwand und der Raum neben mir bringt mich nicht weiter.
Blick nach oben…
Also: Ich muss über die Treppe.
Das Holz im unteren Teil sieht mir sehr stabil aus. Es ist weder morsch, noch irgendwie brüchig. Trotzdem verlasse ich mich lieber auf die Befestigungselemente links und rechts. Bis zum Halbstock gelingt es mir ohne Probleme. Den Halbstock selbst schaffe ich auch, jetzt aber stehe ich vor dem letzten Teil. Der, der mich erst in diese blöde Lage gebracht hat.
Auf die Bretter will ich mich nicht verlassen. Wer weiß, ob ich so einen Sturz nochmals so gut überstehen würde… Diesmal sind mir die Befestigungselemente daneben zu unsicher. Was jetzt?
Plötzlich fällt mir auf, dass die Querbalken, welche zur Sicherung der Bretter dienen sehr stabil aussehen. Bevor ich einen Schritt darauf mache, fotografiere ich mich noch selbst. Wie gesagt… Nicht jeder kommt in so eine Situation.
Ich trete und stelle keinerlei Spiel fest. Er sollte mich halten. Tut er. Meine Hand lehnt schon gegen den Türpfosten und prüft ihn auf Halt. Scheint zu klappen. Ich setze hinüber … und bin wieder am Beton im Erdgeschoss.
Das Haus verlassend prüfe ich noch einmal meine Wunden. Sollte alles gewaschen werden und irgendwie desinfiziert… Wasser finde ich, Alkohol habe ich keinen dabei, aber nachdem es ein wenig geblutet hat hoffe ich, dass die Abschürfung halbwegs sauber ist.
Meinen Weg setzte ich fort und vergesse nicht, noch ein Dankesgebet gen’ Himmel zu schicken…
Das wäre mein “Fluchtfenster” gewesen…
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