Ein Zeugnis ablegen

Ein Zeugnis ablegenGab es bei euch die Tage auch Zeugnisse? Wie sind sie ausgefallen? Nun ja, bei mir ging es. Es gibt sicher schlimmere Zeugnisse und wenn wir schon mal bei dem Wort ‚mir‘ sind, in dem Fall ‚meine‘ sind ein Beispiel dafür. Meine damaligen Zeugnisse könnten nicht neben den Zeugnissen meines Sohns bestehen, aber das ist egal. Denn mein Auftrag ist ein anderer. Ich muss streng sein und immer auf sein bestes verweisen. Hatte ich nicht noch letztens einen Text geschrieben, der einen Hinweis darauf gab, dass mein Sohn eine faule Socke ist? Nun ja, verständlich und nachvollziehbar. Aber sollte ein Kind damit durchkommen können? Ich habe es als Kind gehasst. Immer diese Vorführung und was bei mir besonders schön war, war ich immer kleiner, wie das sitzen es halt so mit sich bringt, als alle anderen und man hatte sich auch immer wieder die Zeit genommen, wirklich alle, in der Hierarchie über mir stehenden zu Rate zu ziehen, wenn mein Zeugnis auf den Tisch kam. Und ich hab es so gehasst. Immer dieselben Gespräche, immer dieselben Verweise, immer dieselben Versprechungen. Und was hat es mir gebracht? Nun ja, ich bin da, wo ich bin. Und wer weiß, ob das nicht die größte Genugtuung ist, für alle, die mich belehren wollten.

Aus diesem Gefühl heraus will ich doch, dass es mein Kind mal besser hat. Und ist das nicht meine Aufgabe? Ein lobenswertes Ziel, was ich mir da vorgenommen habe. An der Umsetzung harpert es. Wie mache ich es ihm nur verständlich? Ich möchte nicht, dass er sich so fühlt, wie ich mich meinerzeit gefühlt habe. Aber was anderes scheint nicht zu funktionieren. Wie macht man das mit der Erziehung, verdammt? Ich hab’s meinerzeit ignoriert, was man mir mitteilen wollte. Und mein eigenes Kind ist gleichgültig. Er hat sogar, als ich nicht da war, sein Zeugnis schon einmal abgeheftet. Er weiß ja, wo die anderen waren. Bevor jetzt einer denkt, ich wäre so eine furchtbare Mutter, die nur rummeckern würde, dass das Kind keine andere Wahl hat, als diesem Konflikt aus dem ´Weg zu gehen. Dem soll gesagt sein, dass ich mir dessen wohl bewusst bin, dass das Meckern auf allerhöchstem Niveau ist.

Nein, über die Noten selbst kann man sich nicht beklagen. Die sind mainstream, bis auf Eine. Und da hat mir Monsieur vorher schon erklärt, dass er ja nicht wissen würde, wie der Lehrer darauf kommt, denn es gibt ja keine Arbeiten in Geschichte. Jetzt habe ich auch noch zusätzlich das Pech, dass mein Kind weitesgehend unauffällig ist, oder sollte ich sagen; weniger aufmerksamkeitserregend als andere? Dass ich keinen Intensivkontakt mit der Lehrkörperschaft pflegen muss. Was macht man da? Was macht ihr? Glaubt man dran? Beides irgendwie Mist. Entweder er kommt damit durch, oder schlimmer noch, ich vertraue meinem eigenen Kind nicht. Und ist ne 4 im Halbjahreszeugnis das wirklich wert? Ich, ganz der Diplomat meinte zu meinem Sohnemann, er möge doch den Lehrer darauf ansprechen und sich erklären lassen, wie er zu der 4 kommt. Dafür hatte er auch so ein Einsehen, dass er das so machen könnte. Und als nächstes erfahre ich dann, dass das Zeugnis samt der 4 abgeheftet worden ist. Blöd für ihn, dass es in diesem Alter noch unterschrieben werden muss. Ein guter Plan ist erst gut, wenn er bis zum Schluss funktioniert hat. Ja, das ist Schadenfreude, ich geb’s zu.

Aber darüber hinaus; was mache ich jetzt nur? Vorerst habe ich es nicht unterschrieben, weil ich die eine Geschichte mit dem Geschichtslehrer geklärt haben möchte. Ich kann ihn schon verstehen: Er wird bestraft in der Schule, wenn er ohne meine Unterschrift antanzt. Ich kann aber auch mich verstehen: Wenn ich unterschreibe hat das Kind keinerlei Motivation mehr seine Note von seinem Lehrer begründen zu lassen. Das kann er natürlich nicht einsehen. Da ist er stur… von wem er das auch immer haben mag. Da diskutiert er es aus. Und wegen meinen drei Kreuzchen habe ich mir dann anhören müssen, was für eine schlechte Mutter ich sei. Was mir wiederum Anlass gab, ihn in anderen seiner Freiheiten einzuschränken. Und so schaukelte es hin und her, bis ich mich gefragt habe, wie es so weit kommen konnte. Dabei wollte ich doch nur, dass er mal nachfragt. Für seine Überzeugung einsteht. Und dafür ist doch Schule eher da, als für die Jahreszahlen. Die kann man nachlesen, die sind immer gleich. Was man nicht in einem Buch nachlesen kann, ist wie man seine Konflikte klärt und für sein Recht kämpft. Und da möchte ich, dass er jede Gelegenheit nutzt, weil das zum Erwachsenwerden dazugehört, oder nicht?

(Foto: Tim Reckmann  / pixelio.de)


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