Ich weiß noch wie es sich anfühlte, als wir an jenem Abend nicht abbogen. Im knatternden Trabbi fuhren wir auf erleuchteten Autobahnen , die Nacht hindurch;frei-.
Im Lager des Malteserhilfsdienstes unweit der Zugligetkirche https://www.wir-waren-so-frei.de/index.php/Detail/Object/Show/object_id/1739/set_id/208 war am elften September 1989 verkündet worden, daß wir Ungarn in Richtung Österreich verlassen dürften.Es war spät, ich glaube es war nachts, es war dunkel. Ich erinnere mich an jemanden mit Mikrofon und eine jubelnde Menschenmenge.Es hatten sich “Freundschaften” gebildet in diesen Wochen des gemeinsamen Wartens. Nun bildeten sich Fahrgemeinschaften.
Ich war so oft in Ungarn gewesen und nie war ich in diese Richtung nach Hause gefahren. “Zu Hause” war jetzt ein unbeschriebenes Blatt. Es würde sich vor meinen Augen bilden. Der Weg entstand unter meinen Füßen.
Wir hatten die Adresse eines Übersiedlerlagers in Passau bekommen.http://regiowiki.pnp.de/index.php/Fl%C3%BCchtlingslager_im_Landkreis_Passau.Wir wussten den nächsten Schritt, das genügte.
“Was will der denn jetzt am Stephansdom?”, hatte ich mich gefragt.
Drei Uhr morgens und 244 Kilometer später rasteten wir am Stephansdomhttp://de.wikipedia.org/wiki/Stephansdom_(Wien) in Wien. Ich war müde und nicht mehr aufnahmefähig.Es wirkte auf mich alles surreal, nicht wirklich.
Wir knatterten weiter durch die Nacht. Der Motor des kleinen Trabant heulte immer wieder verzweifelt auf und blies schwarze Abgase in die Luft.”Er versucht sich als Mercedes”, spöttelte ich. Der Fahrer des Kleinwagens sagte genervt” Das find ich jetzt nicht lustig, mir ist die Umweltverschmutzung peinlich.” Wir waren angespannt. Jeder ging auf seine Art und Weise damit um.Ich schwieg nun lieber immerhin die nächsten drei Stunden, jedenfalls machte ich mich nicht mehr lustig.
In den frühen Morgenstunden(so gegen 6.00) erreichten wir die Stadtgrenzen Passaus. Auf einem Parkplatz fiel ein Schwarm motivierter Presse irgendwas Menschen über uns her. Ich schwöre ich wusste nicht das es sich um die ARD handelte. Sie hielten uns plüschbesetzte Mikrofone ins Gesicht, Kameras waren auch da. Ich gebe zu es gab einen Gewöhnungseffekt, der ”Stern” hatte mich auch schon interviewt.Damals fühlte ich mich auf jeden Fall gesehen:), heute brauche ich dafür 200 Klicks auf meinen Blog:)
An jenem Morgen in Passau , saß ich müde, fast benommen auf der Raststätte.Ein Reporter hielt mir dieses Pelzding in s Gesicht.Irgendwie war die Einstellung nicht richtig, ich musste es noch mal sagen, ich war müde und überfordert.
“Wo wollen sie hin? “Woher soll ich das wissen?, hatte ich damals gedacht.Ich bin im Westen, differenzierter hatte ich mir das noch nicht überlegt. Ich nannte Stuttgart, weil mir Stuttgart einfiel….
” Was wollen sie tun? “Auf diese Frage hatte ich eine Antwort.Ich wollte Krankenschwester werden.Die ARD war zufrieden uns ließ uns ziehen, ziehen in eine noch ungewisse Zukunft.Sie sendete den Beitrag abends in der Tagesschau. Meine Eltern erfuhren medial von meinem Verbleib.Ich wollte sie mit meinen Schweigen nicht verletzen, nur sicher gehen wollte ich.
In meiner Erinnerung war das Lager in Passau riesig.Es gab Lautsprecher,Nummern die darüber aufgerufen wurden. Die Menschen waren sehr nett, daß war das erste was mich wirklich verwunderte…überall diese Freundlichkeit.Trotzdem war ich froh als ich an der Reihe war. Mein Aufenthalt im Passauer Aussiedlerlager dauerte etwa 24 Stunden, als die blecherne Stimme meine Nummer aufrief.
Ich trat in eine Baracke oder Zelt und saß kurze Zeit später einem netten Menschen in Uniform gegenüber.
“Wo wollen sie denn hin?” Schon wieder diese Frage.Ich zuckte mit den Schultern, nannte dann aber Stuttgart. So etwas nennt man wohl Standorttreue.
“Was wollen sie denn in Stuttgart fragte mich der der Mensch in Uniform , etwa 10 Jahre älter als ich.Müde sagte ich ihm, dass mir keine andere westdeutsche Stadt einfiele.
Er schaute mich mit irritierten Blick an.
“Und ihre Eltern was ist mit denen?” Die wären noch im Osten erklärte ich ihm und außerdem wüssten sie nichts von meiner Flucht.
“Und ihre Freunde?”
Nochmals versicherte ich ihm, dass ich allein wäre ohne Eltern, ohne Freunde.Er schaute noch immer irritiert und holte seine Brotdose hervor.
“Wollen sie ein Leberkäsebrötchen?”
Wirklich diese Geste war so voller Mitgefühl, fast väterlich, dass die Erinnerung noch heute Emotionen hervorruft, die ich mit Wärme und wirklicher Anteilnahme verbinde.
Er erklärte mir, warum er Stuttgart nicht für sinnvoll halte und gab mir eine Adresse in Heidelberg.Überall waren die Menschen nett, hilfsbereit und fröhlich. Westdeutsche hatte ich mir ganz anders vorgestellt.
Nach ein paar Tagen in der Plöck nahm ich einen “Aupairjob” in der Mitte Heidelbergs an. Es war ein wunderbarer Start ins neue Leben.