25.August 2011, große Familie, Geschichte von Nieder-Erlenbach, Gemütlichkeit und Schönheit der deutschen Dörfer, ein Arbeitstag im Büro, drei Aquarien und ein Kater Romeo
EIN TAG IN FRANKFURT AM MAIN-NIEDER-ERLENBACH
Grüß Gott! Ich heiße Olga, bin 39 Jahre alt, 11 Jahre davon lebe ich sehr gern in Frankfurt-am-Main. Ich habe zwei Sprößlinge von 9 und 11 Jahren, einen Lebensgefährten mit dem Spitznamen „Großer Alex“. Mein älterer Sohn heißt auch Alex. Und wenn ich nur Alex rufe, kommen die beiden. Meinen Mann nenne ich öfter einfach nur der Großer oder GA, so werde ich auch in diesem Text schreiben. In der Anamnese werden auch erwähnt: drei Aquarien und ein Kater, Romeo.
Da ich eine besondere Fähigkeit habe - ich kann mich nicht kurz fassen, wenn ich schreibe - erwarten Euch 52 Fotos und viele Worte. Ich hoffe, Ihr werdet mich deswegen nicht zum Teufel wünschen. Erst hatte ich die Idee in die Stadtmitte von Frankfurt a.M. zu fahren und dort Fotos zu machen, danach entschloss ich mich doch erst über mein Dorf zu erzählen, das formal als Teil von Frankfurt a.M gilt, in Wirklichkeit aber ein ganz normales Dorf mit bäuerlichem Charakter und Feldern drum herum ist. Nun, mit Gottes Segen. Ja, noch etwas, entschuldigt die Qualität der Bilder. Ich liebe es, zu fotografieren, nur die Qualität ist noch nicht auf dem richtigen Niveau.
1) Mit so einer erotischen Heiserkeit in der Stimme singt mir Eros Ramazotti etwas über die Liebe. Jeden Morgen seit eineinhalb Jahren tut er das. GA jammert kläglich wegen ihm, ich bin aber zu faul dazu die CD zu wechseln. Heute gibt es ein frühes Aufstehen, um 6:30. Der jüngere Sohn hat heute Schule zu ersten Stunde. Ich bin ratlos, warum die kleinen in den ersten Schuljahren keine stabilen Schulzeiten haben. Drei Mal in der Woche fängt der Unterricht 08:35 an, und zwei Mal in der Woche 07:50. Ich sage schon nichts von Schulferien, die jedes Jahr zu unterschiedlichen Zeiten stattfinden…
2) An der Tür wartet der Romeo auf mich. Noch vor Paar Jahren war dieses Tier sehr schweigsam und ruhig und existierte wie ein Geisterschiff vor sich hin. Wir wurden nur dazu gebraucht, um seine Toilette sauber zu halten und rechtzeitig Futter in das Schälchen zu schütten. Wenn etwas nicht nach ihm war, konnte er uns einen Haufen ins Bett machen. Eines Tages ging er spazieren und verirrte sich. Zwei Wochen lang haben wir nach ihm gesucht und endlich gefunden. Seitdem ist dieser Kater wie ausgewechselt. Er erwartet uns jetzt an der Tür, wenn wir von der Arbeit nach Hause kommen, fordert schreiend nach Fressen, schmust und knurrt sogar.
3) Ich ziehe meinen Morgenmantel an, schaue auf das im Spiegel erscheinende verschlafene Gesicht und schleppe mich in die erste Etage, in die Küche. Gewöhnlich bereitet GA uns unseren Tee und Kaffee vor. Er steht viel früher als ich auf. Aber heute beschloss er länger zu schlafen. Ich vertrete ihn. Ja, im Körbchen sind Plastiktüten. Ich kann mir nicht abgewöhnen sie zu spülen und ordentlich zusammen zu legen.
4) Ich liebe die Kinderfersen. Sie sind ungemein lecker. :-)) Damals wachte das junge Geschöpf Andreas früh wie ein Vögelchen auf, immer mit einem Lächeln auf den Lippen und Grübchen in den Wangen. Der Ältere stand nur mit dem Kran auf. Jetzt ist es umgekehrt. Einige Minuten beschäftige ich mich mit dem Kleinen und versuche ihn auf freundliche Art zu wecken. Er brummt und wickelt sich gemütlicher in die Decke ein. Ich sage ihm ausdrücklich, dass er bitte nicht mehr lang im Bett liegen soll, und gehe zum Großen. Dort findet das gleiche Ritual statt. Nachher mache ich in der Küche die Schulbrote für die Kinder und schäle einen Apfel. Nach etwa fünf Minuten der Stille gehe ich wieder ins Kinderzimmer und schlage jetzt ganz ernst vor, aufzustehen, sonst würde ich anfangen zu singen. Normalerweise reagieren die Kinder auf das Wort „singen“ und stehen sofort auf, nur dieses Mal kam keine Reaktion. Dann fange ich an mit voller Kraft zu schreien: „Der Morgen färbt mit sanften Farben die Wände einer alten Kreml“. An das ganze Lied kann ich mich natürlich nicht erinnern, aber es reicht schon die erste Strophe mit Refrain aus. Die Kinder materialisieren sich in der Küche. „Mama, sing nicht mehr! Wir sind schon auf!“ Schulbrote sind fertig. Die Kinder trinken Kakao und essen ein paar Joghurts.Um 07:35 bitte ich den Kleinen in die Schule hinaus, und um 07:55 den Großen. Ich wasche schnell mein Gesicht, putze die Zähne und ziehe mich an. In Deutschland habe ich verlernt mich jeden Tag zu schminken. Früher ging ich ohne Kriegsbemalung sogar zu den Mülltonnen nicht aus dem Haus. Heute ist mit die Zeit dafür zu schade. Während ich mich mit den Kindern beschäftigt habe, habe ich gar nicht an die Fotos gedacht. Also – eine ausgelassene Stelle.
5) 08:15 Ich habe noch eine halbe Stunde, um die Posts von Freunden zu lesen, neue Browser- Fenster mit Inhalten zu öffnen, die mich interessieren, damit ich sie abends lesen kann. 08:45 schalte ich den Computer aus. Es ist Zeit zur Arbeit zu fahren.
6) Zufällig warf ich einen Blick auf eine von meinen Orchideen. Ich habe viele davon – über 20 Stück. Aber die Lieblingsorchidee blüht noch nicht. Ich habe ein altes Foto von ihr, aber nach den Regeln darf man keine alten Bilder zeigen, also bewundert diese noch grünen Orchideen.
7) Das ist unser Miethaus.
8) Das ist die evangelische Kirche. Im Dorf leben traditionell hauptsächlich die evangelischen Christen und viel weniger Katholiken. Früher gab‘s im Dorf nur diese Kirche und vor etwa 20 Jahren wurde die katholische Kirche in modernem Stil gebaut. Das Moderne sieht so aus: ein Karton mit einem kreuzförmigen Spalt als Fenster. Innendrin gibt es ein Minimum an den Wänden und einen kärglichen Altar. Es existiert die Meinung, dass die Kommunikation mit Gott keiner Pracht und kein Gold erfordert. Mir persönlich gefällt es so nicht.
9) Ein traditioneller Wetterhahn auf der Spitze.
10) Ich liebe es sehr, diese Gemütlichkeit und Schönheit der deutschen Dörfer. Und diese Fachwerkhäuschen sind märchenhaft. In meiner Kindheit bekam ich – wenn ich mich richtig erinnern kann - aus der DDR ein Baukastensystem, mit dem man mit Kleber solche lebkuchenartigen Häuschen bauen könnte.
11) Das Haus unseres Pastoren.
12) Wie auf dem Wappen zu sehen ist, wurde dieses Haus 1748 erbaut.
13) Das ist meine Baba Jaga – ein Talisman im Auto. Wie ich sie befestigt habe, ist eine andere Geschichte. Während des Fotografierens, stelle ich fest, wie dreckig die Windschutzscheibe ist. Ich sollte meine Kindern darauf aufmerksam machen, sie wollten schon längst das Auto waschen. Sie betteln eh seit Langem nach Geld bei mir. So können sie es sich verdienen.
14) Die letzten Tagen hatten wie ein ganz wahnsinniges Wetter. Die Quecksilbersäule kletterte bis auf 35 Grad. Zusätzlich dazu kamen abends und nachts starke Gewitter. Morgens gab‘s einen undurchdringlichen Nebel. Am Tage kam die Sonne raus und wir fingen an zu schwitzen wie in einem Damfbad. Die Anbauflächen beim „Ausruhen“. Eigentlich sollten wir jetzt am Horizont unser Gebirge (Taunus) sehen. Aber es liegt im Nebel.
15) Ich kam rechtzeitig. Der Arbeitstag fängt um 09:30 an.
16) Das ist mein Büro. Ich arbeite als Sekretärin beim Bund Deutscher Sportschützen des Landes Hessen (ich sage gleich, ich kann nicht schießen und eine Waffe war nie in meinen Händen. Außer damals in der Schule, aber damals haben wir nicht geschossen, sondern lediglich die Maschinenpistole auseinander und wieder zusammengebaut). Die Bezahlung auf dieser Arbeit ist nicht hoch, dafür sitze ich aber nicht zu Hause rum, bin mein eigener Chef, trage die Verantwortung für die ganze Büroarbeit und wende mich an den Chef nur in seltenen Fällen, wenn z.B. die Frage nicht zu meinem Kompetenzfeld gehört oder ich nicht die vollständigen Informationen habe. Ich sitze gewöhnlich alleine hier. Der Chef kommt für ein-zwei Stunden in der Woche vorbei.
17) Das Frühstück einer „Aristokratin“. Ich kriege morgens nichts runter.
18) Der Chef hat endlich den „Antrag auf die Ausstellung einer Bedürfnisbescheinigung zum Erwerb einer Sportwaffe“ unterschrieben, also bin ich für heute gut mit Arbeit ausgelastet.
19) Es kommt manchmal so vor, dass ich den ganzen Tag nichts anderes tue, als Telefonanrufe entgegen zu nehmen. Früher durfte ich beim livejournal surfen, danach wurde mir das untersagt, da die Chefs nicht kontrollieren konnten, was ich dort in diesen geheimen kyrillischen Zeichen geschrieben habe. Deswegen bin ich gezwungen entweder meine Strickarbeit, oder ein Buch, oder die Sachen zum Malen mitzunehmen, oder das hier tun.
20) Gegen Mittag ging ich in die Pause und habe dieses wunderschöne Haus fotografiert. Es wurde im Jahre 1906 erbaut.
21) Es gab einen schwachen Regen.
22) 14:30 Mein Arbeitstag dauert 5 Stunden. Das ist praktisch, denn es bleibt noch viel Zeit für die Familie, das Haus und viele Hobbies. Ich fahre zurück in unser Dorf.
23) Bei der Einfahrt.
24) Um 15:00 bin ich im Dorf. Im Geschäft kaufe ich den Fischfond für das Abendessen ein. Nach dem Einkaufen gehe ich beim Bibliothekbus vorbei und gebe die CD ab, die Andreas ausgeliehen hatte.
25) Ich beschloss noch eine Runde durch die Straßen zu drehen und Paar Fotos von den Gebäuden zu machen. Was ich bewundernswert in Deutschland finde, ist die Liebe zur Geschichte! Jedes unscheinbares Dorf kennt das Datum seiner ersten Erwähnung in der Geschichte, weiß, wie sein Wappen aussieht und ist stolz auf sein kleines, aber eigenes Archiv. Mein Dorf hat den Namen Nieder-Erlenbach. Auf dem Foto sieht man einen türkischen Dönerladen und eine Bäckerei.
26) „Ab 1376 übte die Reichsstadt Frankfurt am Main die Herrschaft in Nieder-Erlenbach aus; die Stadt konnte nach dem von Karl IV. verliehenen Recht der Dorfherrschaft auch die Schultheißen und Schöffenämter besetzen. Im Jahr 1401 gebot der König den Nieder-Erlenbachern noch einmal ausdrücklich, Frankfurt gehorsam zu sein. Der Grund dieser Anordnung ist nicht überliefert, lässt aber nicht auf große Liebe der Dörfler zu ihren städtischen Herrschern schließen. Die von Frankfurt eingesetzten Beamten nannten sich in der Folge (spätestens ab 1403) Burggrafen.“(Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurt-Nieder-Erlenbach) Das örtliche Hotel „Alte Scheune“.
27) Im 17 Jahrhundert brannte Nieder-Erlenbach zweifach nieder (1602 und 1677).
28) Im Jahr 1866 infolge der preußischen Besatzung ging die Frankfurter Herrschaft über Nieder-Erlenbach zu Ende.
29) Erst 1972 wurde Nieder-Erlenbach nach Frankfurt-am-Main eingemeindet. Die historischen Daten über die Einwohnerentwicklung sind erst seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Im Jahr 1815 lag die Einwohnerzahl bei 556 Menschen, im Jahr 1900 bei 1900 Menschen und im Jahr 1950 ging die Einwohnerzahl in Nieder-Erlenbach auf 1500 zurück. Aktuell leben hier 4087 Menschen.
30) Eine Episode.
31) Das ist die Schule meines älteren Sohnes und gleichzeitig das Kinderheim.
32) Die älteren Höfe. Viele befinden sich hinter monumentalen Toren als Schutz vor neugierigen Blicken. Viele stehen offen.
33) Dieses Häuschen ist ungewöhnlich: das Dach ist mit Holzschindeln bedeckt.
34) Das ist ein örtlicher Brunnen. Bemerkenswert ist, dass er früher ein Taufbecken war. Die im Jahr 1994 gesponserten Bänke zum 1200-jährigen von Frankfurt-am-Main.
35) Ich kam angerannt nach Hause und ging gleich in die Dusche. Man schwitzt, auch wenn man sich nicht bewegt, und, wenn man sich bewegt, dann fühlt man sich wie in einer Sauna.
36) Die Fische in allen drei Aquarien (mein neues Hobby) bekommen ihr Futter. Das dritte Aquarium habe ich nicht fotografiert, da ich es nicht mag, aber ich schaffe es einfach nicht den Inhalt über zwei anderen zu verteilen und es wegzuschmeißen. Romeo bekommt auch sein Futter, sonst werden wir von ihm angeschnauzt.
37) 16:30 Andreas kam springend nach Hause. Er zieht sich um und fährt zum Fußballtraining. Die Trainer sehen eine große Fußball-Zukunft für ihn. Eigentlich ist einer der größten Pluspunkte im Dorfleben, dass es fast 100%-ige Sicherheit gibt und fast gar keine Kriminalität. Wir haben viel Natur, frische Luft und die Gemütsruhe. Ohne mir Sorgen zu machen, lasse ich meine Kinder alleine in den Park, zu ihren Freunden oder zum Spielplatz. Sie gehen alleine in die Schule und zurück. Aber die Situation ändert sich im späten Herbst und im Winter – ich hole sie abends von der Schule ab und begleite sie zum Training.
38) Zu Hause stelle ich die Lebensmittel zum Fotografieren für einen Beitrag in meinem Blog zusammen und stelle fest, dass ich Paprika und Knoblauch vergessen habe. Ich gehe zum örtlichen Laden. Dort gibt es mit hoher Wahrscheinlichkeit Lebensmittel aus unserem Ort.
39) Nun, bin ich wieder zu Hause und kann anfangen zu kochen. Für die Kinder koche ich getrennt. Sie essen nicht so gern diabetisches Essen.
40) Mein Jüngerer kommt nach Hause vom verlängerten Schultag. Und verschwindet draußen mit dem Freund.
41) Meine Vermieterin ist verrückt nach Südpflanzen. Interessant, werden sie reif im Herbst?
42) Die Abendessenvorbereitung läuft auf vollen Touren. Halb Sieben platzt mit Brüllen der ältere Sohn herein. Dieses Wunderkind fuhr auf dem Spielplatz das Seil herunter und zerkratzte sich alle Hände. Wir schreien zusammen und kühlen die Hände im Waschbecken ab. In etwa 15 Min. wird das Waschbecken ohne den Fernseher sehr langweilig und das Kind mit meiner Hilfe und der Plastikwanne zieht ins Esszimmer um. Hier kann man wenigstens Fernsehen.
43) Mein Wohnzimmer. GA liebt sehr Afrika, deswegen haben wir das entsprechende Wohndesign.
44) GA hat heute einen großen Tag. Er ist seit 40 Jahren ein Fußballfan. Erstens, gibt es heute irgendeine Europa Einteilung und zweitens irgendein Spiel. Fußball mag ich sehr, aber live. Im Fernsehen erregt mich diese Aktion in keiner Weise. Die Kinder machen mit Alex mit.
45) Diese Postkarte kaufte ich speziell für GA. Bei uns zu Hause gibt es eine Arbeitsaufteilung: GA kümmert sich ums Wäsche waschen, bügelt sie, und geht einkaufen.
46) Sonnenuntergang
47) 23:25 Ich bin müde. GA und die Jungs sind schon in ihren Betten. Dieser Beitrag ist fertig geschrieben und ich fange mit dem letzten Kapitel meiner kleinen Novelle über die Kindheit an. Gewöhnlich fällt mir das Schreiben leicht, aber heute quäle ich mich praktisch Wort für Wort durch meinen Text. Ich mag es nicht, wenn ich Zeitrahmen vorgegeben bekomme, aber ich habe es versprochen, dass ich so schnell wie möglich fertig sein werde und zur Leseprobe abgebe. Denkt bitte nicht, dass ich eine Schriftstellerin bin! Ich amüsiere mich und bezahle für die Teilnahme im geplanten Buch. Ich hoffe, dass Ihr es genossen habt, meinen Tag mit mir zu verbringen.
Autor: Olga
http://feline34.livejournal.com/