Zweite Liga. Ich beschäftige mich derzeit viel mit ihr, obwohl ich sie eigentlich vergessen wollte. Sie ist längst wieder bei mir. An den Wochenenden verfolge ich per Internetradio das Gegurke aus dem Bundesligaunterhaus zum Frühstück. Es hat etwas Gemütliches und außerdem habe ich die Zweite Liga stets gemocht. In den 80er Jahren habe ich in jener Spielklasse 96 als meine Passion entdeckt. Heute passen Oberhausen, Paderborn, Union Berlin etc. gut zum Morgenkaffee und sind eine Einstimmung auf die Partien meiner Roten. Die Vorstellung, dass Hannover ab August das Frühprogramm sein wird, ist jedoch gruselig. Einen Abstiegskampf aus der Entfernung mitzuerleben ist hart, deshalb war ich vor dem Hamburg-Spiel extrem nervös.
Ich will einfach nicht ausschließlich Zweite Liga um mich herum. Es genügt schon, dass ich seit meinem Umzug von Santiago nach Concepción hauptsächlich Primera B-Spiele im Stadion sehen kann: Deportes Concepción, Lota Schwager und Naval de Talcahuano. In der Region sind die populären Teams unterklassig, Fernandez Vial sogar in der Tercera. Nur Huachipato und Universidad de Concepción rumpeln ganz oben herum. Die beiden letztgenannten erwärmen mein Herz aber nicht. Der Werksverein versprüht zu wenig Charme, die Unimannschaft ist blaugelb.
Mit Naval kann ich dagegen gut leben. Der Verein der Seeleute würde in Deutschland die Bezeichnung Kultklub bekommen. Trotz aller Pleiten und Rückschläge haben die Blau-Weißen ein treues Publikum. Ihr Stadion El Morro gehört zu den legendärsten Fußballplätzen Chiles. Hier wurde angeblich der Fallrückzieher erfunden, weshalb er in ganz Südamerika “La Chilena” genannt wird. Seit dem 27.02 ist Navals Heimstätte um eine Legende reicher. Ein Tsunami zerstörte die Anlage und spülte ein Schiff auf das Stadiongelände. Nachdem das Wasser zurück ins nahe Meer geflossen war, wurde das Spielfeld zum Zeltlager für die Erdbebenopfer umfunktioniert. Naval weicht bis zum Saisonende ins moderne Estadio CAP des Lokalrivalens Huachipato aus.
Am Samstag trat Naval zum ersten Mal seit dem Beben zuhause an. Gegner waren die Rangers aus Talca, eine beliebte chilenische Fahrstuhlriege. Die Fankurve der Gastgeber war gut gefüllt, der Rest blieb nahezu frei. Die Rangers gewannen, was ich trotz aller Sympathien für die Heimelf als gutes Zeichen ansah. Eine Equipe mit rotschwarzen Trikots entführte die Punkte aus einer Hafenstadt. Ein schönes Bild.
Mein Optimismus hielt an. Gegen Hamburg konnten meine Roten gar nicht verlieren, war ich mir sicher und behielt Recht. Hannover 96 bleibt natürlich auf der Intensivstation und ist weiterhin in Abstiegsgefahr, aber der Zustand hat sich stabilisiert. Das ist positiv, war doch der Verein bereits abgeschrieben. Das 0:0 beim Hamburger SV brachte die Roten in der Tabelle zwar nicht voran, neue Hoffnungen wurden allerdings geweckt. Die Mannschaft muss nicht immer verlieren, sofern sie kämpft. Das hat sie gegen den anderen HSV.