EIN PLÄDOYER FÜR DIE "MILLIONÄRSWAHL"

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Von Günter Verdin
Nie im Leben hätte ich gedacht, dass ich einmal die vergnügungssüchtigen Sender Pro7 und Sat1 vor der entfesselten Druckerschwärze-Meute in Schutz nehmen würde.
FAKT 1: Die "Millionärswahl", abwechselnd in Pro7 und Sat1 zu sehen, floppt auf besorgniserregende Weise. Nur 980.000 Zuschauer wollten die zweite Folge am Freitagabend sehen.
FAKT 2: die Medienkritik ist sich einig, dass die Show langweilig ist und kein tragfähiges Konzept hat. Süffisant und ignorant wird herumgenörgelt, ohne zu differenzieren. Aber das ist ein bekanntes Phänomen: in Deutschland gibt es, außer in der FAZ , keine ernstzunehmende Fernsehkritik ( in Österreich ist es noch schlimmer. Die "Salzburger Nachrichten", die sich für ein Intellektuellen-Blatt halten, bringen statt der Fernsehkritik neuerdings das Horoskop!!!!)
WARUM DIE "MILLIONÄRSWAHL" MEINES ERACHTENS DENNOCH SEHENSWERT IST:
a)Die Show spielt mit dem medialen Nutzerverhalten der jüngeren Generation zwischen Gameboy, YouTube und Facebook. Sie arbeitet -vielleicht nicht konsequent genug- mit der Öffnung des Mediums Fernsehen zum Web: Tausende von Internet-Votern haben aus den angebotenen Bewerbungsgespräch-Videos 49 Teilnehmer ausgewählt. Diese Auswahl sagt eine Menge über das Selbstverständnis der heute Jungen zwischen Vergnügungssucht und sozialer Verantwortung aus. b)Im Gegensatz zu Formaten wie "Dschungelcamp" (Inhalt: die Selbstbeschädigung von um Aufmerksamkeit buhlenden Ex-oder Noch nicht-Promis) oder "Saturday Night Fever" (Inhalt: besoffene Jugendliche lassen die Hosen herunter) verlässt sich das Konzept der "Millionärsshow" nicht auf die beim Massenpublikum beliebte Bloßstellung und Herabwürdigung (Herr Bohlen ist ein Meister darin) der Teilnehmer.
Ob das nun der Patenonkel ist, der mit der Million die Zukunft seiner kleinen behinderten Nichte sichern möchte, oder etwa David Lebuser, der nach einem Unfall seit fünf Jahren im Rollstuhl sitzt, aber nicht den Lebensmut verloren hat, sondern im Skatepark sich neuen Herausforderungen stellt: hier werden Lebenskonzepte sichtbar, die beispielhaft für andere Menschen sein können.
Dagegen spricht natürlich, dass just in der zweiten Folge ein Mann vom Publikum ins Finale gewählt wurde, der das Haschischrauchen legalisieren möchte. Das ist zumindest problematisch, denn die Botschaft kann nur sein: besser als Kiffen ist Gar-Nicht-Kiffen.
NUR WER GAR NICHTS WAGT KANN NICHTS FALSCH MACHEN, AUßER DASS ER GAR NICHTS WAGT. Das gilt auch für neue Showkonzepte. Die "Millionärswahl" hat eine Chance verdient!


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